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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780.

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Einsiedeleyen, Capellen und Ruinen.
Glanz. Der Tempel der Venus selbst besteht aus drey Flügeln, die durch sechs
Schwibbogen von ionischer Ordnung mit einander verbunden sind, und macht einen
halben Zirkel. Diese Form sowohl, als die innere Verzierung, die in Gemälden aus
Gedichten des Spenser besteht, weicht von der Vorstellung eines Tempels im antiken
Geschmack zu merklich ab. Indessen hat man von dem Orte dieses Gebäudes wieder
vortreffliche Aussichten. Sie laufen alle an dem Abhange der Wildbahn herab.
Diese steigt an der Anhöhe hinauf, und weil hier der Gipfel mit einer hohen Waldung
gekrönt ist, so wird sie dadurch weit ansehnlicher. Die Hügel, welche den allgemei-
nen Abhang unterbrechen, senken sich von dieser Seite viel weiter herab, als auf ir-
gend einer andern; und dadurch erhalten sie hier einen Werth, den sie vorhin nicht
hatten. Besonders scheint der Hügel, worauf die Rotunde steht, eine stolze Lage
abzugeben, und das Gebäude selbst hat das Ansehen, einer so freyen Gegend ganz an-
gemessen zu seyn. Im Gegentheil ist hier der Bacchustempel, der einen so präch-
tigen Prospect hat, nur ein einsamer Gegenstand, der völlig mit Gebüschen umringt
ist. Der auf den Gipfel gepflanzte und an einer Seite des Berges herablaufende
Wald zeigt sich hier, als ob er sehr dichte wäre; er scheint höher zu seyn, als er wirk-
lich ist. Auch die Wildbahn hat einen großen Umfang, und weil ein Theil der Be-
gränzung versteckt ist, so wird dadurch die Vorstellung von einer noch größern Aus-
dehnung erzeugt. Es ist zwar nur ein kleines Stück von dem See sichtbar, allein er
ist hier kein Gegenstand, sondern nur ein Theil des Auftritts. Und da sein Ende von
keiner Seite in die Augen fällt, so hat er kein kleines Ansehen. Hätte man einen
grössern Theil des Wassers zeigen wollen, so würde er dem Charakter der Gegend
nachtheilig gewesen seyn: denn dieser ist sittsam und gemäßigt, weder feyerlich noch
lustig; er ist groß und einfach, aber zugleich schön.

Mehr im antiken Styl ist der Tempel der alten Tugend, *) der eine glückliche
Lage auf einer kleinen Anhöhe hat. Er ist ein schönes, rundes Gebäude mit einer
Kupel, und einer Säulenlaube von ionischer Ordnung umgeben, verschlossen von allen
Seiten. Eine Treppe von zwölf Stufen führt durch zwo Thüren hinein, wovon die
eine gegen Mittag, die andere gegen die Morgenseite sich eröffnet. Jede hat die In-
schrift: Priscae Virtuti! Das Innere des Gebäudes ist mit Bildwerk artig ausgezie-
ret, und in vier Nischen erblickt man in Lebensgröße die Statüen von den größten
Männern Griechenlands, verewigt durch den Ruhm der Gesetzgebung, der Philo-
sophie, der Dichtkunst und der Heldentugend. Man lieset über einem jeden eine er-
zählende Inschrift, die das Verdienst richtig bestimmt.

Lycur-
*) S. 1ster B. S. 208.

Einſiedeleyen, Capellen und Ruinen.
Glanz. Der Tempel der Venus ſelbſt beſteht aus drey Fluͤgeln, die durch ſechs
Schwibbogen von ioniſcher Ordnung mit einander verbunden ſind, und macht einen
halben Zirkel. Dieſe Form ſowohl, als die innere Verzierung, die in Gemaͤlden aus
Gedichten des Spenſer beſteht, weicht von der Vorſtellung eines Tempels im antiken
Geſchmack zu merklich ab. Indeſſen hat man von dem Orte dieſes Gebaͤudes wieder
vortreffliche Ausſichten. Sie laufen alle an dem Abhange der Wildbahn herab.
Dieſe ſteigt an der Anhoͤhe hinauf, und weil hier der Gipfel mit einer hohen Waldung
gekroͤnt iſt, ſo wird ſie dadurch weit anſehnlicher. Die Huͤgel, welche den allgemei-
nen Abhang unterbrechen, ſenken ſich von dieſer Seite viel weiter herab, als auf ir-
gend einer andern; und dadurch erhalten ſie hier einen Werth, den ſie vorhin nicht
hatten. Beſonders ſcheint der Huͤgel, worauf die Rotunde ſteht, eine ſtolze Lage
abzugeben, und das Gebaͤude ſelbſt hat das Anſehen, einer ſo freyen Gegend ganz an-
gemeſſen zu ſeyn. Im Gegentheil iſt hier der Bacchustempel, der einen ſo praͤch-
tigen Proſpect hat, nur ein einſamer Gegenſtand, der voͤllig mit Gebuͤſchen umringt
iſt. Der auf den Gipfel gepflanzte und an einer Seite des Berges herablaufende
Wald zeigt ſich hier, als ob er ſehr dichte waͤre; er ſcheint hoͤher zu ſeyn, als er wirk-
lich iſt. Auch die Wildbahn hat einen großen Umfang, und weil ein Theil der Be-
graͤnzung verſteckt iſt, ſo wird dadurch die Vorſtellung von einer noch groͤßern Aus-
dehnung erzeugt. Es iſt zwar nur ein kleines Stuͤck von dem See ſichtbar, allein er
iſt hier kein Gegenſtand, ſondern nur ein Theil des Auftritts. Und da ſein Ende von
keiner Seite in die Augen faͤllt, ſo hat er kein kleines Anſehen. Haͤtte man einen
groͤſſern Theil des Waſſers zeigen wollen, ſo wuͤrde er dem Charakter der Gegend
nachtheilig geweſen ſeyn: denn dieſer iſt ſittſam und gemaͤßigt, weder feyerlich noch
luſtig; er iſt groß und einfach, aber zugleich ſchoͤn.

Mehr im antiken Styl iſt der Tempel der alten Tugend, *) der eine gluͤckliche
Lage auf einer kleinen Anhoͤhe hat. Er iſt ein ſchoͤnes, rundes Gebaͤude mit einer
Kupel, und einer Saͤulenlaube von ioniſcher Ordnung umgeben, verſchloſſen von allen
Seiten. Eine Treppe von zwoͤlf Stufen fuͤhrt durch zwo Thuͤren hinein, wovon die
eine gegen Mittag, die andere gegen die Morgenſeite ſich eroͤffnet. Jede hat die In-
ſchrift: Priſcae Virtuti! Das Innere des Gebaͤudes iſt mit Bildwerk artig ausgezie-
ret, und in vier Niſchen erblickt man in Lebensgroͤße die Statuͤen von den groͤßten
Maͤnnern Griechenlands, verewigt durch den Ruhm der Geſetzgebung, der Philo-
ſophie, der Dichtkunſt und der Heldentugend. Man lieſet uͤber einem jeden eine er-
zaͤhlende Inſchrift, die das Verdienſt richtig beſtimmt.

Lycur-
*) S. 1ſter B. S. 208.
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[63/0067] Einſiedeleyen, Capellen und Ruinen. Glanz. Der Tempel der Venus ſelbſt beſteht aus drey Fluͤgeln, die durch ſechs Schwibbogen von ioniſcher Ordnung mit einander verbunden ſind, und macht einen halben Zirkel. Dieſe Form ſowohl, als die innere Verzierung, die in Gemaͤlden aus Gedichten des Spenſer beſteht, weicht von der Vorſtellung eines Tempels im antiken Geſchmack zu merklich ab. Indeſſen hat man von dem Orte dieſes Gebaͤudes wieder vortreffliche Ausſichten. Sie laufen alle an dem Abhange der Wildbahn herab. Dieſe ſteigt an der Anhoͤhe hinauf, und weil hier der Gipfel mit einer hohen Waldung gekroͤnt iſt, ſo wird ſie dadurch weit anſehnlicher. Die Huͤgel, welche den allgemei- nen Abhang unterbrechen, ſenken ſich von dieſer Seite viel weiter herab, als auf ir- gend einer andern; und dadurch erhalten ſie hier einen Werth, den ſie vorhin nicht hatten. Beſonders ſcheint der Huͤgel, worauf die Rotunde ſteht, eine ſtolze Lage abzugeben, und das Gebaͤude ſelbſt hat das Anſehen, einer ſo freyen Gegend ganz an- gemeſſen zu ſeyn. Im Gegentheil iſt hier der Bacchustempel, der einen ſo praͤch- tigen Proſpect hat, nur ein einſamer Gegenſtand, der voͤllig mit Gebuͤſchen umringt iſt. Der auf den Gipfel gepflanzte und an einer Seite des Berges herablaufende Wald zeigt ſich hier, als ob er ſehr dichte waͤre; er ſcheint hoͤher zu ſeyn, als er wirk- lich iſt. Auch die Wildbahn hat einen großen Umfang, und weil ein Theil der Be- graͤnzung verſteckt iſt, ſo wird dadurch die Vorſtellung von einer noch groͤßern Aus- dehnung erzeugt. Es iſt zwar nur ein kleines Stuͤck von dem See ſichtbar, allein er iſt hier kein Gegenſtand, ſondern nur ein Theil des Auftritts. Und da ſein Ende von keiner Seite in die Augen faͤllt, ſo hat er kein kleines Anſehen. Haͤtte man einen groͤſſern Theil des Waſſers zeigen wollen, ſo wuͤrde er dem Charakter der Gegend nachtheilig geweſen ſeyn: denn dieſer iſt ſittſam und gemaͤßigt, weder feyerlich noch luſtig; er iſt groß und einfach, aber zugleich ſchoͤn. Mehr im antiken Styl iſt der Tempel der alten Tugend, *) der eine gluͤckliche Lage auf einer kleinen Anhoͤhe hat. Er iſt ein ſchoͤnes, rundes Gebaͤude mit einer Kupel, und einer Saͤulenlaube von ioniſcher Ordnung umgeben, verſchloſſen von allen Seiten. Eine Treppe von zwoͤlf Stufen fuͤhrt durch zwo Thuͤren hinein, wovon die eine gegen Mittag, die andere gegen die Morgenſeite ſich eroͤffnet. Jede hat die In- ſchrift: Priſcae Virtuti! Das Innere des Gebaͤudes iſt mit Bildwerk artig ausgezie- ret, und in vier Niſchen erblickt man in Lebensgroͤße die Statuͤen von den groͤßten Maͤnnern Griechenlands, verewigt durch den Ruhm der Geſetzgebung, der Philo- ſophie, der Dichtkunſt und der Heldentugend. Man lieſet uͤber einem jeden eine er- zaͤhlende Inſchrift, die das Verdienſt richtig beſtimmt. Lycur- *) S. 1ſter B. S. 208.

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst3_1780/67>, abgerufen am 24.11.2024.