Wie den Kirchen Vorstellungen der Andacht, und den Palästen der Könige Ab- bildungen großer Thaten des Muths und der Menschenliebe besonders eigenthümlich zukommen: so können auch Landschaftgemälde, ohne eben Bildnisse, gesellschaftliche, historische und allegorische Stücke auszuschließen, in den Landhäusern den ersten Platz verlangen. Die reiche und mannigfaltige Natur, auch wenn wir sie täglich vor Au- gen haben, sättigt nicht so sehr, daß sie uns nicht in einer glücklichen Nachahmung wieder gefallen sollte. Die schöpferische Kunst des Landschaftmalers weiß der Phan- tasie tausend neue Bilder vorzuzaubern, die sie gerne auffängt, weil sie sich gerne aus ihnen ein frohes Schauspiel erneuert. In Zimmern, mit schönen Landschaftgemäl- den bereichert, athmet alles um uns her die liebliche Luft des Landes. Kein Wider- spruch der Eindrücke von außen, keine Befürchtung des Mißfälligen, wenn wir aus dem Freyen hereintreten; sondern eine Harmonie der Wohnung mit der Landschaft, die sich dabey durch die Abwechselung bey ihrem Vorrecht, uns immer zu ergötzen, erhält. Wir freuen uns wieder des anbrechenden Morgens mit Lukas von Uden, der Abendsonne mit Both oder Gille'e. Mit Pölemburgs Nymphen durchirren wir Hügel und Wälder, oder schleichen der Diana unter die kühlenden Schatten zum Bade nach. Bald wohnen wir beym Tenier einem fröhlichen Dorffeste bey, oder wir sehen den Aerndten, Weinlesen, Wasserfahrten und Jagden des Paul Brill zu. Bald führt uns Sachleven auf Berge, die mit den schönsten Thälern abwechseln; bald ergötzen uns die im Gebirge weidenden Heerden des Berchem. Dann reißt uns Ruisdael von den lieblichen Scenen der Natur weg zum Anblick schäumender Wasserfälle hin, aber Wilhelm van der Velde beruhigt uns wieder durch stilles Gewässer, worinn sich das sanfte Blau der Wolken und das begrasete Ufer spiegeln. Die Unschuld, die Zufriedenheit, die Spiele, die Sitten der arkadischen Welt er- scheinen uns in diesen Gemälden wieder, und, vereinigt mit den Reizen der Natur, laden sie uns zum Mitgenuß der süßesten Empfindungen ein. Es ist fast unmöglich, sich der sanften Rührung zu entziehen, wenn man die glückliche Unschuld in ihrer Freude erblickt; und selbst dem zerstreuten Städter, der zum kurzen Besuch herbey- fliegt, entschleicht bey Dieterichs Hirtenscenen vielleicht der Seufzer:
O! Einsamkeit, dürft' ich mich dir ergeben! Hier herrschest du im stillen Hayn; Warum muß ich im Lärm der Städte leben? Hier könnt' ich froh, wie dieser Hirte, seyn!
Zachariä.
Gemälde
Erſter Abſchnitt. Von Luſtſchloͤſſern
2.
Wie den Kirchen Vorſtellungen der Andacht, und den Palaͤſten der Koͤnige Ab- bildungen großer Thaten des Muths und der Menſchenliebe beſonders eigenthuͤmlich zukommen: ſo koͤnnen auch Landſchaftgemaͤlde, ohne eben Bildniſſe, geſellſchaftliche, hiſtoriſche und allegoriſche Stuͤcke auszuſchließen, in den Landhaͤuſern den erſten Platz verlangen. Die reiche und mannigfaltige Natur, auch wenn wir ſie taͤglich vor Au- gen haben, ſaͤttigt nicht ſo ſehr, daß ſie uns nicht in einer gluͤcklichen Nachahmung wieder gefallen ſollte. Die ſchoͤpferiſche Kunſt des Landſchaftmalers weiß der Phan- taſie tauſend neue Bilder vorzuzaubern, die ſie gerne auffaͤngt, weil ſie ſich gerne aus ihnen ein frohes Schauſpiel erneuert. In Zimmern, mit ſchoͤnen Landſchaftgemaͤl- den bereichert, athmet alles um uns her die liebliche Luft des Landes. Kein Wider- ſpruch der Eindruͤcke von außen, keine Befuͤrchtung des Mißfaͤlligen, wenn wir aus dem Freyen hereintreten; ſondern eine Harmonie der Wohnung mit der Landſchaft, die ſich dabey durch die Abwechſelung bey ihrem Vorrecht, uns immer zu ergoͤtzen, erhaͤlt. Wir freuen uns wieder des anbrechenden Morgens mit Lukas von Uden, der Abendſonne mit Both oder Gille’e. Mit Poͤlemburgs Nymphen durchirren wir Huͤgel und Waͤlder, oder ſchleichen der Diana unter die kuͤhlenden Schatten zum Bade nach. Bald wohnen wir beym Tenier einem froͤhlichen Dorffeſte bey, oder wir ſehen den Aerndten, Weinleſen, Waſſerfahrten und Jagden des Paul Brill zu. Bald fuͤhrt uns Sachleven auf Berge, die mit den ſchoͤnſten Thaͤlern abwechſeln; bald ergoͤtzen uns die im Gebirge weidenden Heerden des Berchem. Dann reißt uns Ruisdael von den lieblichen Scenen der Natur weg zum Anblick ſchaͤumender Waſſerfaͤlle hin, aber Wilhelm van der Velde beruhigt uns wieder durch ſtilles Gewaͤſſer, worinn ſich das ſanfte Blau der Wolken und das begraſete Ufer ſpiegeln. Die Unſchuld, die Zufriedenheit, die Spiele, die Sitten der arkadiſchen Welt er- ſcheinen uns in dieſen Gemaͤlden wieder, und, vereinigt mit den Reizen der Natur, laden ſie uns zum Mitgenuß der ſuͤßeſten Empfindungen ein. Es iſt faſt unmoͤglich, ſich der ſanften Ruͤhrung zu entziehen, wenn man die gluͤckliche Unſchuld in ihrer Freude erblickt; und ſelbſt dem zerſtreuten Staͤdter, der zum kurzen Beſuch herbey- fliegt, entſchleicht bey Dieterichs Hirtenſcenen vielleicht der Seufzer:
O! Einſamkeit, duͤrft’ ich mich dir ergeben! Hier herrſcheſt du im ſtillen Hayn; Warum muß ich im Laͤrm der Staͤdte leben? Hier koͤnnt’ ich froh, wie dieſer Hirte, ſeyn!
Zachariaͤ.
Gemaͤlde
<TEI><text><body><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0032"n="28"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Erſter Abſchnitt. Von Luſtſchloͤſſern</hi></fw><lb/><divn="4"><head>2.</head><lb/><p>Wie den Kirchen Vorſtellungen der Andacht, und den Palaͤſten der Koͤnige Ab-<lb/>
bildungen großer Thaten des Muths und der Menſchenliebe beſonders eigenthuͤmlich<lb/>
zukommen: ſo koͤnnen auch Landſchaftgemaͤlde, ohne eben Bildniſſe, geſellſchaftliche,<lb/>
hiſtoriſche und allegoriſche Stuͤcke auszuſchließen, in den Landhaͤuſern den erſten Platz<lb/>
verlangen. Die reiche und mannigfaltige Natur, auch wenn wir ſie taͤglich vor Au-<lb/>
gen haben, ſaͤttigt nicht ſo ſehr, daß ſie uns nicht in einer gluͤcklichen Nachahmung<lb/>
wieder gefallen ſollte. Die ſchoͤpferiſche Kunſt des Landſchaftmalers weiß der Phan-<lb/>
taſie tauſend neue Bilder vorzuzaubern, die ſie gerne auffaͤngt, weil ſie ſich gerne aus<lb/>
ihnen ein frohes Schauſpiel erneuert. In Zimmern, mit ſchoͤnen Landſchaftgemaͤl-<lb/>
den bereichert, athmet alles um uns her die liebliche Luft des Landes. Kein Wider-<lb/>ſpruch der Eindruͤcke von außen, keine Befuͤrchtung des Mißfaͤlligen, wenn wir aus<lb/>
dem Freyen hereintreten; ſondern eine Harmonie der Wohnung mit der Landſchaft,<lb/>
die ſich dabey durch die Abwechſelung bey ihrem Vorrecht, uns immer zu ergoͤtzen,<lb/>
erhaͤlt. Wir freuen uns wieder des anbrechenden Morgens mit <hirendition="#fr">Lukas von Uden,</hi><lb/>
der Abendſonne mit <hirendition="#fr">Both</hi> oder <hirendition="#fr">Gille’e.</hi> Mit <hirendition="#fr">Poͤlemburgs</hi> Nymphen durchirren<lb/>
wir Huͤgel und Waͤlder, oder ſchleichen der <hirendition="#fr">Diana</hi> unter die kuͤhlenden Schatten zum<lb/>
Bade nach. Bald wohnen wir beym <hirendition="#fr">Tenier</hi> einem froͤhlichen Dorffeſte bey, oder<lb/>
wir ſehen den Aerndten, Weinleſen, Waſſerfahrten und Jagden des <hirendition="#fr">Paul Brill</hi> zu.<lb/>
Bald fuͤhrt uns <hirendition="#fr">Sachleven</hi> auf Berge, die mit den ſchoͤnſten Thaͤlern abwechſeln;<lb/>
bald ergoͤtzen uns die im Gebirge weidenden Heerden des <hirendition="#fr">Berchem.</hi> Dann reißt uns<lb/><hirendition="#fr">Ruisdael</hi> von den lieblichen Scenen der Natur weg zum Anblick ſchaͤumender<lb/>
Waſſerfaͤlle hin, aber <hirendition="#fr">Wilhelm van der Velde</hi> beruhigt uns wieder durch ſtilles<lb/>
Gewaͤſſer, worinn ſich das ſanfte Blau der Wolken und das begraſete Ufer ſpiegeln.<lb/>
Die Unſchuld, die Zufriedenheit, die Spiele, die Sitten der <hirendition="#fr">arkadiſchen</hi> Welt er-<lb/>ſcheinen uns in dieſen Gemaͤlden wieder, und, vereinigt mit den Reizen der Natur,<lb/>
laden ſie uns zum Mitgenuß der ſuͤßeſten Empfindungen ein. Es iſt faſt unmoͤglich,<lb/>ſich der ſanften Ruͤhrung zu entziehen, wenn man die gluͤckliche Unſchuld in ihrer<lb/>
Freude erblickt; und ſelbſt dem zerſtreuten Staͤdter, der zum kurzen Beſuch herbey-<lb/>
fliegt, entſchleicht bey <hirendition="#fr">Dieterichs</hi> Hirtenſcenen vielleicht der Seufzer:</p><lb/><cit><quote><lgtype="poem"><l>O! Einſamkeit, duͤrft’ ich mich dir ergeben!</l><lb/><l>Hier herrſcheſt du im ſtillen Hayn;</l><lb/><l>Warum muß ich im Laͤrm der Staͤdte leben?</l><lb/><l>Hier koͤnnt’ ich froh, wie dieſer Hirte, ſeyn!</l></lg><lb/><hirendition="#et"><hirendition="#fr">Zachariaͤ.</hi></hi></quote><bibl/></cit><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Gemaͤlde</fw><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[28/0032]
Erſter Abſchnitt. Von Luſtſchloͤſſern
2.
Wie den Kirchen Vorſtellungen der Andacht, und den Palaͤſten der Koͤnige Ab-
bildungen großer Thaten des Muths und der Menſchenliebe beſonders eigenthuͤmlich
zukommen: ſo koͤnnen auch Landſchaftgemaͤlde, ohne eben Bildniſſe, geſellſchaftliche,
hiſtoriſche und allegoriſche Stuͤcke auszuſchließen, in den Landhaͤuſern den erſten Platz
verlangen. Die reiche und mannigfaltige Natur, auch wenn wir ſie taͤglich vor Au-
gen haben, ſaͤttigt nicht ſo ſehr, daß ſie uns nicht in einer gluͤcklichen Nachahmung
wieder gefallen ſollte. Die ſchoͤpferiſche Kunſt des Landſchaftmalers weiß der Phan-
taſie tauſend neue Bilder vorzuzaubern, die ſie gerne auffaͤngt, weil ſie ſich gerne aus
ihnen ein frohes Schauſpiel erneuert. In Zimmern, mit ſchoͤnen Landſchaftgemaͤl-
den bereichert, athmet alles um uns her die liebliche Luft des Landes. Kein Wider-
ſpruch der Eindruͤcke von außen, keine Befuͤrchtung des Mißfaͤlligen, wenn wir aus
dem Freyen hereintreten; ſondern eine Harmonie der Wohnung mit der Landſchaft,
die ſich dabey durch die Abwechſelung bey ihrem Vorrecht, uns immer zu ergoͤtzen,
erhaͤlt. Wir freuen uns wieder des anbrechenden Morgens mit Lukas von Uden,
der Abendſonne mit Both oder Gille’e. Mit Poͤlemburgs Nymphen durchirren
wir Huͤgel und Waͤlder, oder ſchleichen der Diana unter die kuͤhlenden Schatten zum
Bade nach. Bald wohnen wir beym Tenier einem froͤhlichen Dorffeſte bey, oder
wir ſehen den Aerndten, Weinleſen, Waſſerfahrten und Jagden des Paul Brill zu.
Bald fuͤhrt uns Sachleven auf Berge, die mit den ſchoͤnſten Thaͤlern abwechſeln;
bald ergoͤtzen uns die im Gebirge weidenden Heerden des Berchem. Dann reißt uns
Ruisdael von den lieblichen Scenen der Natur weg zum Anblick ſchaͤumender
Waſſerfaͤlle hin, aber Wilhelm van der Velde beruhigt uns wieder durch ſtilles
Gewaͤſſer, worinn ſich das ſanfte Blau der Wolken und das begraſete Ufer ſpiegeln.
Die Unſchuld, die Zufriedenheit, die Spiele, die Sitten der arkadiſchen Welt er-
ſcheinen uns in dieſen Gemaͤlden wieder, und, vereinigt mit den Reizen der Natur,
laden ſie uns zum Mitgenuß der ſuͤßeſten Empfindungen ein. Es iſt faſt unmoͤglich,
ſich der ſanften Ruͤhrung zu entziehen, wenn man die gluͤckliche Unſchuld in ihrer
Freude erblickt; und ſelbſt dem zerſtreuten Staͤdter, der zum kurzen Beſuch herbey-
fliegt, entſchleicht bey Dieterichs Hirtenſcenen vielleicht der Seufzer:
O! Einſamkeit, duͤrft’ ich mich dir ergeben!
Hier herrſcheſt du im ſtillen Hayn;
Warum muß ich im Laͤrm der Staͤdte leben?
Hier koͤnnt’ ich froh, wie dieſer Hirte, ſeyn!
Zachariaͤ.
Gemaͤlde
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst3_1780/32>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.