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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780.

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Fünfter Abschnitt. Von Statüen,
die Natur sie hier von Felsen gebildet hätte, mit aller Simplicität angebracht. Von
einer andern Seite zeigt sich die reizende Venus abermals, gleichsam schüchtern, als
wollte sie sich in ihrer ländlichen Höhle verstecken, oder als wenn sie eben aus dem
Wasser gestiegen wäre. In einer hohlen Vertiefung, die in einer darüber liegenden
steilen Anhöhe angebracht, und nur grob mit Glasschlacken und unregelmäßigen Stei-
nen verziert ist, entdeckt man eine Cascade, die mit Gewalt hervorbricht, und schäu-
mend über steile Absätze herabstürzt, bis sie sich unter den Wurzeln eines hohen Baums
in eine Oeffnung verliert, und nicht mehr gesehen wird. Die sanft ansteigenden Ab-
hänge sind mit Rosen, Geisblatt und andern Sträuchen, wie auch mit Pflanzen ge-
ziert, die in verschiedenen Monaten blühen, und eine ununterbrochene Flor dar-
stellen.

Wo eine Mehrheit von Statüen aufgenommen werden kann, da wird Mannig-
faltigkeit in ihren Vorstellungen, Ausdrücken und Stellungen erfordert. Einige ver-
langen nach dem Charakter, den sie vorstellen, Ruhe, Nachdenken, stilles Versinken
in große Empfindungen; andre Bewegung, Anstrengung, Handlung. Einige ste-
hend, andere sitzend; einige tanzend, wie die Dryaden; andere ruhend, wie baden-
de Nymphen in einem klaren Wasser unter einer Felsenwand. Einige in einer zei-
genden, andere in einer beobachtenden, einige in einer bewundernden, andere in einer
gefühlvollen Stellung, wodurch sie gleichsam die statüenartige Steifigkeit verlieren
und an Täuschung gewinnen. Vorstellungen ohne Geist und Leben schicken sich nicht
an einem Orte, wo die ganze Natur zur Beobachtung und Empfindung auffordert.
Die Statüen sollen die Scene beleben; sie müssen daher lauter Natur scheinen, und
gleichsam die Rolle denkender und empfindender Wesen spielen. -- Auch die bloße
Weglassung der Postamente kann zuweilen die Täuschung befördern helfen. Indem
die Statüen auf einem Fußgestell stehen, so haben sie mehr das Ansehen einzelner
Kunstwerke, ohne merkliche Verbindung mit der Scene.

6.

Gewöhnlich werden Statüen einzeln in den ihnen zukommenden Revieren ver-
theilt. Die meiste Zeit ist eine einzige hinreichend, den Eindruck der Scene zu heben
oder zu veredeln. Auch muß im Ganzen aller Ueberfluß, der sich nicht mit der Ein-
falt der Gegenstände der Natur verträgt, vermieden werden. Und selbst die Kost-
barkeit schöner Werke dieser Art kann den sparsamern Gebrauch empfehlen.

Indessen

Fuͤnfter Abſchnitt. Von Statuͤen,
die Natur ſie hier von Felſen gebildet haͤtte, mit aller Simplicitaͤt angebracht. Von
einer andern Seite zeigt ſich die reizende Venus abermals, gleichſam ſchuͤchtern, als
wollte ſie ſich in ihrer laͤndlichen Hoͤhle verſtecken, oder als wenn ſie eben aus dem
Waſſer geſtiegen waͤre. In einer hohlen Vertiefung, die in einer daruͤber liegenden
ſteilen Anhoͤhe angebracht, und nur grob mit Glasſchlacken und unregelmaͤßigen Stei-
nen verziert iſt, entdeckt man eine Caſcade, die mit Gewalt hervorbricht, und ſchaͤu-
mend uͤber ſteile Abſaͤtze herabſtuͤrzt, bis ſie ſich unter den Wurzeln eines hohen Baums
in eine Oeffnung verliert, und nicht mehr geſehen wird. Die ſanft anſteigenden Ab-
haͤnge ſind mit Roſen, Geisblatt und andern Straͤuchen, wie auch mit Pflanzen ge-
ziert, die in verſchiedenen Monaten bluͤhen, und eine ununterbrochene Flor dar-
ſtellen.

Wo eine Mehrheit von Statuͤen aufgenommen werden kann, da wird Mannig-
faltigkeit in ihren Vorſtellungen, Ausdruͤcken und Stellungen erfordert. Einige ver-
langen nach dem Charakter, den ſie vorſtellen, Ruhe, Nachdenken, ſtilles Verſinken
in große Empfindungen; andre Bewegung, Anſtrengung, Handlung. Einige ſte-
hend, andere ſitzend; einige tanzend, wie die Dryaden; andere ruhend, wie baden-
de Nymphen in einem klaren Waſſer unter einer Felſenwand. Einige in einer zei-
genden, andere in einer beobachtenden, einige in einer bewundernden, andere in einer
gefuͤhlvollen Stellung, wodurch ſie gleichſam die ſtatuͤenartige Steifigkeit verlieren
und an Taͤuſchung gewinnen. Vorſtellungen ohne Geiſt und Leben ſchicken ſich nicht
an einem Orte, wo die ganze Natur zur Beobachtung und Empfindung auffordert.
Die Statuͤen ſollen die Scene beleben; ſie muͤſſen daher lauter Natur ſcheinen, und
gleichſam die Rolle denkender und empfindender Weſen ſpielen. — Auch die bloße
Weglaſſung der Poſtamente kann zuweilen die Taͤuſchung befoͤrdern helfen. Indem
die Statuͤen auf einem Fußgeſtell ſtehen, ſo haben ſie mehr das Anſehen einzelner
Kunſtwerke, ohne merkliche Verbindung mit der Scene.

6.

Gewoͤhnlich werden Statuͤen einzeln in den ihnen zukommenden Revieren ver-
theilt. Die meiſte Zeit iſt eine einzige hinreichend, den Eindruck der Scene zu heben
oder zu veredeln. Auch muß im Ganzen aller Ueberfluß, der ſich nicht mit der Ein-
falt der Gegenſtaͤnde der Natur vertraͤgt, vermieden werden. Und ſelbſt die Koſt-
barkeit ſchoͤner Werke dieſer Art kann den ſparſamern Gebrauch empfehlen.

Indeſſen
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[134/0138] Fuͤnfter Abſchnitt. Von Statuͤen, die Natur ſie hier von Felſen gebildet haͤtte, mit aller Simplicitaͤt angebracht. Von einer andern Seite zeigt ſich die reizende Venus abermals, gleichſam ſchuͤchtern, als wollte ſie ſich in ihrer laͤndlichen Hoͤhle verſtecken, oder als wenn ſie eben aus dem Waſſer geſtiegen waͤre. In einer hohlen Vertiefung, die in einer daruͤber liegenden ſteilen Anhoͤhe angebracht, und nur grob mit Glasſchlacken und unregelmaͤßigen Stei- nen verziert iſt, entdeckt man eine Caſcade, die mit Gewalt hervorbricht, und ſchaͤu- mend uͤber ſteile Abſaͤtze herabſtuͤrzt, bis ſie ſich unter den Wurzeln eines hohen Baums in eine Oeffnung verliert, und nicht mehr geſehen wird. Die ſanft anſteigenden Ab- haͤnge ſind mit Roſen, Geisblatt und andern Straͤuchen, wie auch mit Pflanzen ge- ziert, die in verſchiedenen Monaten bluͤhen, und eine ununterbrochene Flor dar- ſtellen. Wo eine Mehrheit von Statuͤen aufgenommen werden kann, da wird Mannig- faltigkeit in ihren Vorſtellungen, Ausdruͤcken und Stellungen erfordert. Einige ver- langen nach dem Charakter, den ſie vorſtellen, Ruhe, Nachdenken, ſtilles Verſinken in große Empfindungen; andre Bewegung, Anſtrengung, Handlung. Einige ſte- hend, andere ſitzend; einige tanzend, wie die Dryaden; andere ruhend, wie baden- de Nymphen in einem klaren Waſſer unter einer Felſenwand. Einige in einer zei- genden, andere in einer beobachtenden, einige in einer bewundernden, andere in einer gefuͤhlvollen Stellung, wodurch ſie gleichſam die ſtatuͤenartige Steifigkeit verlieren und an Taͤuſchung gewinnen. Vorſtellungen ohne Geiſt und Leben ſchicken ſich nicht an einem Orte, wo die ganze Natur zur Beobachtung und Empfindung auffordert. Die Statuͤen ſollen die Scene beleben; ſie muͤſſen daher lauter Natur ſcheinen, und gleichſam die Rolle denkender und empfindender Weſen ſpielen. — Auch die bloße Weglaſſung der Poſtamente kann zuweilen die Taͤuſchung befoͤrdern helfen. Indem die Statuͤen auf einem Fußgeſtell ſtehen, ſo haben ſie mehr das Anſehen einzelner Kunſtwerke, ohne merkliche Verbindung mit der Scene. 6. Gewoͤhnlich werden Statuͤen einzeln in den ihnen zukommenden Revieren ver- theilt. Die meiſte Zeit iſt eine einzige hinreichend, den Eindruck der Scene zu heben oder zu veredeln. Auch muß im Ganzen aller Ueberfluß, der ſich nicht mit der Ein- falt der Gegenſtaͤnde der Natur vertraͤgt, vermieden werden. Und ſelbſt die Koſt- barkeit ſchoͤner Werke dieſer Art kann den ſparſamern Gebrauch empfehlen. Indeſſen

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst3_1780/138>, abgerufen am 22.11.2024.