Man müßte in der That einen sehr unvollkommenen Begriff von den mannig- faltigen Wirkungen der Naturscenen haben, wenn man die Statüen für Werke hielte, die in den Gärten nicht entbehrt werden könnten. Ohne sie beweisen die schönsten Ge- genden die ganze Macht ihres Eindrucks; und das dürftige Revier kann durch sie nur eine Nebenwirkung, als einen schwachen Ersatz der Anmuth, gewinnen, die ihm die Natur verweigert hat. Statüen zeigen die Vollkommenheit des menschlichen Genies, und eine gewisse Pracht, die mehr den Gebäuden, als den Plätzen zukommt, wo die Natur ihre Reize verbreiten will; und es scheint, daß sie sich von den Wohnungen verloren, und in fremde Reviere verirrt haben, wo man sie nicht erwartete. Weil sie indessen durch die Länge der Zeit nun einmal eine Art von Bürgerrecht in den Gärten erhalten haben, so ist es der Klugheit gemäßer, zu zeigen, wie man einen guten Ge- brauch von ihnen machen kann, als sie ganz zu verbannen. Doch giebt es einige Ar- ten von Gärten, mit deren Charakter sie sich nicht wohl zu vertragen scheinen, weil sie zu viel Lebhaftigkeit und Glanz mittheilen. Dahin gehören Gärten von einem blos ländlichen oder einfachen Charakter, Gärten des Landmanns und des Bürgers, Gär- ten bey Klöstern und Begräbnißörtern. Im Gegentheil haben sie mehr Schicklichkeit in Gärten, die eine höhere Verzierung und Lebhaftigkeit, reiche und edle Scenen, Lust- gebäude, Tempel und andere Werke der menschlichen Kunst verstatten.
Es ist nicht zu läugnen, daß in solchen Gärten gute Statüen schon anständige Verzierungen ausmachen. Sie beleben die Plätze, und haben etwas gesellschaftli- ches; sie beschäftigen das Auge und die Einbildungskraft; sie dienen zur charakteristi- schen Bezeichnung der Scenen sowohl, als der Tempel und anderer Gebäude. Allein sie sollen als so kostbare Arbeiten des Genies, als Werke von einem so kräftigen Aus- druck, mehr als bloße Verzierungen seyn. Sie sind sichtbare Gestalten von Gedan- ken, Empfindungen, Leidenschaften und Charakteren; Gestalten, die den Menschen schon deswegen interessiren, weil er sich selbst darinn erblickt. Sie veranlassen nicht blos Nachdenken, sondern wirken auch Empfindungen. Es giebt keine Bewegung, die sie nicht ausdrücken, keine, die sie nicht in dem Anschauer erregen könnten. Sie haben eine schnelle und fast überall eindringende Wirkung. Allein um diese zu errei- chen, müssen sie mit der verhältnißmäßigen Größe Richtigkeit in der Zeichnung, Geist in der Bearbeitung, einen bestimmten und deutlichen Charakter, Wahrheit und Stär- ke des Ausdrucks vereinigen. Es müssen Statüen seyn, und keine Termen, die halb Bilder, halb Säulen, nur eine unvollkommene Gestalt, womit wahrscheinlich die Kunst den Anfang machte, darstellen, und die Täuschung so leicht verfehlen. Auch
kann
Fuͤnfter Abſchnitt. Von Statuͤen,
3.
Man muͤßte in der That einen ſehr unvollkommenen Begriff von den mannig- faltigen Wirkungen der Naturſcenen haben, wenn man die Statuͤen fuͤr Werke hielte, die in den Gaͤrten nicht entbehrt werden koͤnnten. Ohne ſie beweiſen die ſchoͤnſten Ge- genden die ganze Macht ihres Eindrucks; und das duͤrftige Revier kann durch ſie nur eine Nebenwirkung, als einen ſchwachen Erſatz der Anmuth, gewinnen, die ihm die Natur verweigert hat. Statuͤen zeigen die Vollkommenheit des menſchlichen Genies, und eine gewiſſe Pracht, die mehr den Gebaͤuden, als den Plaͤtzen zukommt, wo die Natur ihre Reize verbreiten will; und es ſcheint, daß ſie ſich von den Wohnungen verloren, und in fremde Reviere verirrt haben, wo man ſie nicht erwartete. Weil ſie indeſſen durch die Laͤnge der Zeit nun einmal eine Art von Buͤrgerrecht in den Gaͤrten erhalten haben, ſo iſt es der Klugheit gemaͤßer, zu zeigen, wie man einen guten Ge- brauch von ihnen machen kann, als ſie ganz zu verbannen. Doch giebt es einige Ar- ten von Gaͤrten, mit deren Charakter ſie ſich nicht wohl zu vertragen ſcheinen, weil ſie zu viel Lebhaftigkeit und Glanz mittheilen. Dahin gehoͤren Gaͤrten von einem blos laͤndlichen oder einfachen Charakter, Gaͤrten des Landmanns und des Buͤrgers, Gaͤr- ten bey Kloͤſtern und Begraͤbnißoͤrtern. Im Gegentheil haben ſie mehr Schicklichkeit in Gaͤrten, die eine hoͤhere Verzierung und Lebhaftigkeit, reiche und edle Scenen, Luſt- gebaͤude, Tempel und andere Werke der menſchlichen Kunſt verſtatten.
Es iſt nicht zu laͤugnen, daß in ſolchen Gaͤrten gute Statuͤen ſchon anſtaͤndige Verzierungen ausmachen. Sie beleben die Plaͤtze, und haben etwas geſellſchaftli- ches; ſie beſchaͤftigen das Auge und die Einbildungskraft; ſie dienen zur charakteriſti- ſchen Bezeichnung der Scenen ſowohl, als der Tempel und anderer Gebaͤude. Allein ſie ſollen als ſo koſtbare Arbeiten des Genies, als Werke von einem ſo kraͤftigen Aus- druck, mehr als bloße Verzierungen ſeyn. Sie ſind ſichtbare Geſtalten von Gedan- ken, Empfindungen, Leidenſchaften und Charakteren; Geſtalten, die den Menſchen ſchon deswegen intereſſiren, weil er ſich ſelbſt darinn erblickt. Sie veranlaſſen nicht blos Nachdenken, ſondern wirken auch Empfindungen. Es giebt keine Bewegung, die ſie nicht ausdruͤcken, keine, die ſie nicht in dem Anſchauer erregen koͤnnten. Sie haben eine ſchnelle und faſt uͤberall eindringende Wirkung. Allein um dieſe zu errei- chen, muͤſſen ſie mit der verhaͤltnißmaͤßigen Groͤße Richtigkeit in der Zeichnung, Geiſt in der Bearbeitung, einen beſtimmten und deutlichen Charakter, Wahrheit und Staͤr- ke des Ausdrucks vereinigen. Es muͤſſen Statuͤen ſeyn, und keine Termen, die halb Bilder, halb Saͤulen, nur eine unvollkommene Geſtalt, womit wahrſcheinlich die Kunſt den Anfang machte, darſtellen, und die Taͤuſchung ſo leicht verfehlen. Auch
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Fuͤnfter Abſchnitt. Von Statuͤen,
3.
Man muͤßte in der That einen ſehr unvollkommenen Begriff von den mannig-
faltigen Wirkungen der Naturſcenen haben, wenn man die Statuͤen fuͤr Werke hielte,
die in den Gaͤrten nicht entbehrt werden koͤnnten. Ohne ſie beweiſen die ſchoͤnſten Ge-
genden die ganze Macht ihres Eindrucks; und das duͤrftige Revier kann durch ſie nur
eine Nebenwirkung, als einen ſchwachen Erſatz der Anmuth, gewinnen, die ihm die
Natur verweigert hat. Statuͤen zeigen die Vollkommenheit des menſchlichen Genies,
und eine gewiſſe Pracht, die mehr den Gebaͤuden, als den Plaͤtzen zukommt, wo die
Natur ihre Reize verbreiten will; und es ſcheint, daß ſie ſich von den Wohnungen
verloren, und in fremde Reviere verirrt haben, wo man ſie nicht erwartete. Weil ſie
indeſſen durch die Laͤnge der Zeit nun einmal eine Art von Buͤrgerrecht in den Gaͤrten
erhalten haben, ſo iſt es der Klugheit gemaͤßer, zu zeigen, wie man einen guten Ge-
brauch von ihnen machen kann, als ſie ganz zu verbannen. Doch giebt es einige Ar-
ten von Gaͤrten, mit deren Charakter ſie ſich nicht wohl zu vertragen ſcheinen, weil ſie
zu viel Lebhaftigkeit und Glanz mittheilen. Dahin gehoͤren Gaͤrten von einem blos
laͤndlichen oder einfachen Charakter, Gaͤrten des Landmanns und des Buͤrgers, Gaͤr-
ten bey Kloͤſtern und Begraͤbnißoͤrtern. Im Gegentheil haben ſie mehr Schicklichkeit
in Gaͤrten, die eine hoͤhere Verzierung und Lebhaftigkeit, reiche und edle Scenen, Luſt-
gebaͤude, Tempel und andere Werke der menſchlichen Kunſt verſtatten.
Es iſt nicht zu laͤugnen, daß in ſolchen Gaͤrten gute Statuͤen ſchon anſtaͤndige
Verzierungen ausmachen. Sie beleben die Plaͤtze, und haben etwas geſellſchaftli-
ches; ſie beſchaͤftigen das Auge und die Einbildungskraft; ſie dienen zur charakteriſti-
ſchen Bezeichnung der Scenen ſowohl, als der Tempel und anderer Gebaͤude. Allein
ſie ſollen als ſo koſtbare Arbeiten des Genies, als Werke von einem ſo kraͤftigen Aus-
druck, mehr als bloße Verzierungen ſeyn. Sie ſind ſichtbare Geſtalten von Gedan-
ken, Empfindungen, Leidenſchaften und Charakteren; Geſtalten, die den Menſchen
ſchon deswegen intereſſiren, weil er ſich ſelbſt darinn erblickt. Sie veranlaſſen nicht
blos Nachdenken, ſondern wirken auch Empfindungen. Es giebt keine Bewegung,
die ſie nicht ausdruͤcken, keine, die ſie nicht in dem Anſchauer erregen koͤnnten. Sie
haben eine ſchnelle und faſt uͤberall eindringende Wirkung. Allein um dieſe zu errei-
chen, muͤſſen ſie mit der verhaͤltnißmaͤßigen Groͤße Richtigkeit in der Zeichnung, Geiſt
in der Bearbeitung, einen beſtimmten und deutlichen Charakter, Wahrheit und Staͤr-
ke des Ausdrucks vereinigen. Es muͤſſen Statuͤen ſeyn, und keine Termen, die halb
Bilder, halb Saͤulen, nur eine unvollkommene Geſtalt, womit wahrſcheinlich die
Kunſt den Anfang machte, darſtellen, und die Taͤuſchung ſo leicht verfehlen. Auch
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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst3_1780/134>, abgerufen am 16.02.2025.
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