Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780.Einsiedeleyen, Capellen und Ruinen. Ein Revier von einem solchen einfachen Charakter, eine einsame und melancho- Eben deswegen können sie nicht zu einer Absicht dienen, die mit ihrer Natur Auch kein künstlich zubereiteter, kein geschmückter Zugang zu ihnen. Sie dür- Außerdem können Ruinen oft durch ihre Lage und Verbindung mit Gebüsch und Schwerer bleibt es immer für den Gartenkünstler, Ruinen auf eine vollkommen Ein- P 2
Einſiedeleyen, Capellen und Ruinen. Ein Revier von einem ſolchen einfachen Charakter, eine einſame und melancho- Eben deswegen koͤnnen ſie nicht zu einer Abſicht dienen, die mit ihrer Natur Auch kein kuͤnſtlich zubereiteter, kein geſchmuͤckter Zugang zu ihnen. Sie duͤr- Außerdem koͤnnen Ruinen oft durch ihre Lage und Verbindung mit Gebuͤſch und Schwerer bleibt es immer fuͤr den Gartenkuͤnſtler, Ruinen auf eine vollkommen Ein- P 2
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Einſiedeleyen, Capellen und Ruinen.
Ein Revier von einem ſolchen einfachen Charakter, eine einſame und melancho-
liſche Gegend, oder eine Scene des Herbſtes oder des Abends in einem ſehr ausge-
dehnten Garten, ein Kloſtergarten, wird gerne Ruinen aufnehmen. Sie verſtaͤrken
den eigenthuͤmlichen Charakter dieſer Plaͤtze, und geben dem Ganzen einen Ton von
Ernſt und Melancholie.
Eben deswegen koͤnnen ſie nicht zu einer Abſicht dienen, die mit ihrer Natur
und Wirkung in einem Widerſpruche ſteht; ſie koͤnnen nicht, wie man ſeltſam genug
verſucht hat, zu Speiſezimmern, zu Muſikſaͤlen eingerichtet werden; ſie koͤnnen keine
Wohnungen des Vergnuͤgens ſeyn, da von außen alles Hinfaͤlligkeit und Melancholie
ankuͤndigt.
Auch kein kuͤnſtlich zubereiteter, kein geſchmuͤckter Zugang zu ihnen. Sie duͤr-
fen ſich nicht dem Auge entgegen draͤngen; ſie muͤſſen ſich gleichſam in ihre eigene
Dunkelheit und Trauer zu verbergen ſcheinen. Nach ſteilen und verwilderten Wegen,
in kleinen felſichten oder bebuͤſchten Einoͤden unerwartet erblickt, erregen und beſchaͤfti-
gen ſie die Phantaſie auf eine fuͤhlbare Art.
Außerdem koͤnnen Ruinen oft durch ihre Lage und Verbindung mit Gebuͤſch und
Baͤumen eine weit mehr maleriſche Scene bilden, als ganz neue oder doch vollkommen
erhaltene Gebaͤude. Sie verſtatten eine weit groͤßere Mannigfaltigkeit von Geſtal-
ten; ihre Untermiſchung mit gruͤnen Geſtraͤuchen vervielfaͤltigt ihr Anſehen; ihre Far-
be iſt ſanfter, und vereinigt ſich leichter mit den umliegenden Gegenſtaͤnden; ihr Man-
gel an Symmetrie erleichtert dieſe Verbindung; und ſelbſt ihre Zufaͤlligkeiten ſind ab-
wechſelnder. Ohne Zweifel war es auch das Gefuͤhl dieſer Vorzuͤge, das viele große
Landſchaftmaler bewegte, lieber Ruinen, als ganze Gebaͤude, in ihre Landſchaften
uͤberzutragen.
Schwerer bleibt es immer fuͤr den Gartenkuͤnſtler, Ruinen auf eine vollkommen
taͤuſchende Art nachzuahmen; und weil ſo viele Verſuche ſelbſt unter den Haͤnden der
Kenner mißlingen, ſo moͤchte man faſt veranlaßt werden, ihre Fortſetzung lieber abzu-
rathen, als zu empfehlen. Zuweilen kann ein Gartenkuͤnſtler wirkliche Ruinen von
einer betraͤchtlichen Groͤße und einem bedeutenden Charakter in ſeinem Bezirk vorfinden;
ein ſolcher zufaͤlliger Vortheil iſt freylich ſelten: allein er iſt von einem weit groͤßern
Werth, als die gluͤcklichſte Kunſt der Nachahmung. Indeſſen wollen wir zuerſt von
dieſen ein brittiſches Beyſpiel ſehen, das den Fortgang des guten Geſchmacks bewei-
ſet, und darauf zwo Beſchreibungen von wahren Ruinen in England, die als Muſter
dienen koͤnnen, folgen laſſen. Die Mehrheit der Beyſpiele und Beſchreibungen iſt
nirgends noͤthiger, als in Sachen, welche die Gartenkunſt betreffen, ſowohl um die
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