Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780.Erster Abschnitt. Von Lustschlössern Erster Abschnitt. Von Lustschlössern und Landhäusern. Man hat sich vielleicht nirgends mehr, als bey Landhäusern und Gartengebäuden, chen *) Nicht blos der falsche Geschmack der
Erbauer, sondern auch der Architekten selbst, die sich von den allgemeinen Vorurtheilen blenden ließen, haben daran Antheil. Ei- nige Architekturlehrer haben die Landhäuser zu besondern Gegenständen ihrer Untersu- chung gewählt, indessen die meisten nur im Vorbeygehen etwas weniges von ihnen be- merken. Zu den ersten gehört unter uns besonders Paul Decker in seinem Fürstlichen Baumeister, oder Architectura ciuilis, wie großer Fürsten und Herren Paläste mit ih- ren Höfen, Lusthäusern u. s. w. anzulegen und auszuzieren, u. s. f. Fol. Augsburg, 2 B. 1711. 1716. Seine Zeichnungen von Lustschlössern und Landhäusern enthalten die äußersten Ueberladungen mit Verzierungen, die nur der üppigste und ausschweifendste Geschmack ausfinden kann. Das Auge weiß nicht, wo es sich vor der unendlichen Verwirrung hinwenden soll; und die Ver- hältnisse, die bey der ersten Anlage des Grundrisses sichtbar seyn mochten, sind durch die Menge der Zierrathen so verdeckt, daß kaum mehr eine Spur von ihnen zu errathen ist. Die Grotten dieses Archi- tekten sind Paläste, und seine Springbrun- nen Ungeheuer in der Zusammensetzung. In seinen Orangerichäusern haben die Ge- [Spaltenumbruch] wächse kaum vor den Statüen Platz; und der gute Mann hält so eifrig auf die Wür- de der Prinzen, daß er sogar über dem äu- ßern Rand der Schornsteine die fürstliche Krone ausstellt. Diesen Geschmack in der Architektur fand man vormals nicht blos bey Decker, sondern auch bey andern Bau- meistern; man billigte ihn nicht blos in Deutschland, sondern auch in andern Län- dern. -- Doch erhoben sich einige über diese Vorurtheile, z.B. Nette in seinen ade- lichen Land- und Lusthäusern: er ist mehr frey von überflüßigen Zierrathen; doch sind seine Formen etwas plump, und seine Zeich- nungen überhaupt dürftig an Erfindung.-- Unter den Franzosen sind es vornehm- lich Blondel (im Cours d' Architecture. 8. Tom. 2. Paris 1771. S. 243-252. und in der Distribution des maisons de plaisance &c. 4. 2 Tom. Paris 1737. 1738.) und Briseux, (im Art de batir des maisons de campagne &c. 4. Paris 1743.) welche sich vorzüglich mit der Architektur der Land- häuser beschäftigen. Wer diese Werke be- sitzt, und eine Vergleichung mit den Unter- suchungen, die er hier über diese Materie findet, anstellen kann, der wird sich bald überzeugen, daß ihr Unterricht nach un- serm Plan nicht benutzt werden konnte. Auch Erſter Abſchnitt. Von Luſtſchloͤſſern Erſter Abſchnitt. Von Luſtſchloͤſſern und Landhaͤuſern. Man hat ſich vielleicht nirgends mehr, als bey Landhaͤuſern und Gartengebaͤuden, chen *) Nicht blos der falſche Geſchmack der
Erbauer, ſondern auch der Architekten ſelbſt, die ſich von den allgemeinen Vorurtheilen blenden ließen, haben daran Antheil. Ei- nige Architekturlehrer haben die Landhaͤuſer zu beſondern Gegenſtaͤnden ihrer Unterſu- chung gewaͤhlt, indeſſen die meiſten nur im Vorbeygehen etwas weniges von ihnen be- merken. Zu den erſten gehoͤrt unter uns beſonders Paul Decker in ſeinem Fuͤrſtlichen Baumeiſter, oder Architectura ciuilis, wie großer Fuͤrſten und Herren Palaͤſte mit ih- ren Hoͤfen, Luſthaͤuſern u. ſ. w. anzulegen und auszuzieren, u. ſ. f. Fol. Augsburg, 2 B. 1711. 1716. Seine Zeichnungen von Luſtſchloͤſſern und Landhaͤuſern enthalten die aͤußerſten Ueberladungen mit Verzierungen, die nur der uͤppigſte und ausſchweifendſte Geſchmack ausfinden kann. Das Auge weiß nicht, wo es ſich vor der unendlichen Verwirrung hinwenden ſoll; und die Ver- haͤltniſſe, die bey der erſten Anlage des Grundriſſes ſichtbar ſeyn mochten, ſind durch die Menge der Zierrathen ſo verdeckt, daß kaum mehr eine Spur von ihnen zu errathen iſt. Die Grotten dieſes Archi- tekten ſind Palaͤſte, und ſeine Springbrun- nen Ungeheuer in der Zuſammenſetzung. In ſeinen Orangerichaͤuſern haben die Ge- [Spaltenumbruch] waͤchſe kaum vor den Statuͤen Platz; und der gute Mann haͤlt ſo eifrig auf die Wuͤr- de der Prinzen, daß er ſogar uͤber dem aͤu- ßern Rand der Schornſteine die fuͤrſtliche Krone ausſtellt. Dieſen Geſchmack in der Architektur fand man vormals nicht blos bey Decker, ſondern auch bey andern Bau- meiſtern; man billigte ihn nicht blos in Deutſchland, ſondern auch in andern Laͤn- dern. — Doch erhoben ſich einige uͤber dieſe Vorurtheile, z.B. Nette in ſeinen ade- lichen Land- und Luſthaͤuſern: er iſt mehr frey von uͤberfluͤßigen Zierrathen; doch ſind ſeine Formen etwas plump, und ſeine Zeich- nungen uͤberhaupt duͤrftig an Erfindung.— Unter den Franzoſen ſind es vornehm- lich Blondel (im Cours d’ Architecture. 8. Tom. 2. Paris 1771. S. 243-252. und in der Diſtribution des maiſons de plaiſance &c. 4. 2 Tom. Paris 1737. 1738.) und Briſeux, (im Art de bâtir des maiſons de campagne &c. 4. Paris 1743.) welche ſich vorzuͤglich mit der Architektur der Land- haͤuſer beſchaͤftigen. Wer dieſe Werke be- ſitzt, und eine Vergleichung mit den Unter- ſuchungen, die er hier uͤber dieſe Materie findet, anſtellen kann, der wird ſich bald uͤberzeugen, daß ihr Unterricht nach un- ſerm Plan nicht benutzt werden konnte. Auch <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0010" n="6"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Erſter Abſchnitt. 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Erſter Abſchnitt. Von Luſtſchloͤſſern
Erſter Abſchnitt.
Von Luſtſchloͤſſern und Landhaͤuſern.
Man hat ſich vielleicht nirgends mehr, als bey Landhaͤuſern und Gartengebaͤuden,
von der reinen Schoͤnheit und edlen Einfalt der Architektur entfernt.
*)
Lange Zeit herrſchte der Wahn, daß man auch hier eine mit Zierrathen und unendli-
chen
*) Nicht blos der falſche Geſchmack der
Erbauer, ſondern auch der Architekten ſelbſt,
die ſich von den allgemeinen Vorurtheilen
blenden ließen, haben daran Antheil. Ei-
nige Architekturlehrer haben die Landhaͤuſer
zu beſondern Gegenſtaͤnden ihrer Unterſu-
chung gewaͤhlt, indeſſen die meiſten nur im
Vorbeygehen etwas weniges von ihnen be-
merken. Zu den erſten gehoͤrt unter uns
beſonders Paul Decker in ſeinem Fuͤrſtlichen
Baumeiſter, oder Architectura ciuilis, wie
großer Fuͤrſten und Herren Palaͤſte mit ih-
ren Hoͤfen, Luſthaͤuſern u. ſ. w. anzulegen
und auszuzieren, u. ſ. f. Fol. Augsburg,
2 B. 1711. 1716. Seine Zeichnungen von
Luſtſchloͤſſern und Landhaͤuſern enthalten die
aͤußerſten Ueberladungen mit Verzierungen,
die nur der uͤppigſte und ausſchweifendſte
Geſchmack ausfinden kann. Das Auge
weiß nicht, wo es ſich vor der unendlichen
Verwirrung hinwenden ſoll; und die Ver-
haͤltniſſe, die bey der erſten Anlage des
Grundriſſes ſichtbar ſeyn mochten, ſind
durch die Menge der Zierrathen ſo verdeckt,
daß kaum mehr eine Spur von ihnen zu
errathen iſt. Die Grotten dieſes Archi-
tekten ſind Palaͤſte, und ſeine Springbrun-
nen Ungeheuer in der Zuſammenſetzung.
In ſeinen Orangerichaͤuſern haben die Ge-
waͤchſe kaum vor den Statuͤen Platz; und
der gute Mann haͤlt ſo eifrig auf die Wuͤr-
de der Prinzen, daß er ſogar uͤber dem aͤu-
ßern Rand der Schornſteine die fuͤrſtliche
Krone ausſtellt. Dieſen Geſchmack in der
Architektur fand man vormals nicht blos
bey Decker, ſondern auch bey andern Bau-
meiſtern; man billigte ihn nicht blos in
Deutſchland, ſondern auch in andern Laͤn-
dern. — Doch erhoben ſich einige uͤber
dieſe Vorurtheile, z.B. Nette in ſeinen ade-
lichen Land- und Luſthaͤuſern: er iſt mehr
frey von uͤberfluͤßigen Zierrathen; doch ſind
ſeine Formen etwas plump, und ſeine Zeich-
nungen uͤberhaupt duͤrftig an Erfindung.—
Unter den Franzoſen ſind es vornehm-
lich Blondel (im Cours d’ Architecture. 8.
Tom. 2. Paris 1771. S. 243-252. und in
der Diſtribution des maiſons de plaiſance
&c. 4. 2 Tom. Paris 1737. 1738.) und
Briſeux, (im Art de bâtir des maiſons de
campagne &c. 4. Paris 1743.) welche ſich
vorzuͤglich mit der Architektur der Land-
haͤuſer beſchaͤftigen. Wer dieſe Werke be-
ſitzt, und eine Vergleichung mit den Unter-
ſuchungen, die er hier uͤber dieſe Materie
findet, anſtellen kann, der wird ſich bald
uͤberzeugen, daß ihr Unterricht nach un-
ſerm Plan nicht benutzt werden konnte.
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