Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 2. Leipzig, 1780.Erster Abschnitt. Vom Gartenplatz. 1. Der Gartenplatz ist gleichsam die Leinewand, die der Gartenkünstler bemalt; die Daß man zum Garten keine Gegend wählen müsse, die eine ungesunde Luft Bey der Wahl des Platzes kommt es auf wenig Vorschriften an, wenn man alles 2. Aus mehr als einer Ursache ist überhaupt für den Garten eine Gegend zu su- Allein sie müssen nicht überall ganz vor Augen liegen, nicht aus allen Theilen ten A 3
Erſter Abſchnitt. Vom Gartenplatz. 1. Der Gartenplatz iſt gleichſam die Leinewand, die der Gartenkuͤnſtler bemalt; die Daß man zum Garten keine Gegend waͤhlen muͤſſe, die eine ungeſunde Luft Bey der Wahl des Platzes kommt es auf wenig Vorſchriften an, wenn man alles 2. Aus mehr als einer Urſache iſt uͤberhaupt fuͤr den Garten eine Gegend zu ſu- Allein ſie muͤſſen nicht uͤberall ganz vor Augen liegen, nicht aus allen Theilen ten A 3
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Erſter Abſchnitt.
Vom Gartenplatz.
1.
Der Gartenplatz iſt gleichſam die Leinewand, die der Gartenkuͤnſtler bemalt; die
erſte Unterſuchung betrifft alſo die Beſchaffenheit deſſelben.
Daß man zum Garten keine Gegend waͤhlen muͤſſe, die eine ungeſunde Luft
hat; die von benachbarten faulenden Suͤmpfen und Moraͤſten vergiftet iſt; die ganz
in der Tiefe liegt, oder aus lauter duͤrrer Sanderde beſteht; die nur erſt durch Huͤlfe
vieler Bearbeitung und Koſten zu einiger Verſchoͤnerung zu erheben iſt; die entweder
gar keine freyen Ausſichten gewinnen kann, oder mit nichts als elenden Haiden und
ſterbenden Geſtraͤuchen rings umher umſchloſſen iſt — das darf hier nicht erſt erin-
nert werden. Die Erforderniſſe der Geſundheit, der Bequemlichkeit und der gemei-
nen Ergoͤtzung ſind ſo auffallend, daß man nur aus Mangel des Menſchengefuͤhls
gegen ſie verſtoßen kann.
Bey der Wahl des Platzes kommt es auf wenig Vorſchriften an, wenn man alles
das vorausſetzt, was ſchon nach der gemeinen Gartenoͤkonomie bekannt iſt, z. B. daß man
zu Pflanzungen einen fruchtbaren Boden, Waſſer in der Naͤhe u. ſ. w. haben muß.
2.
Aus mehr als einer Urſache iſt uͤberhaupt fuͤr den Garten eine Gegend zu ſu-
chen, die ſchon natuͤrliche Schoͤnheit hat. Sie begeiſtert das Genie des Gartenkuͤnſt-
lers, der gleichſam unter den Augen der reizenden Natur arbeitet, die ihm Vorbild
iſt, mit der er wetteifern ſoll. Sie erleichtert die Muͤhe und Koſten der Anlage, in-
dem ſie durch den Boden, durch Baͤume, Gebuͤſche und Waſſer die Materialien
reichlicher verſchafft. Sie erhoͤhet die Wirkung der innern Einrichtung durch die
Eindruͤcke, welche die Ausſichten umher machen, die nirgends reizender ſind, als
wenn ſie von einem Platz, der ſchon an ſich angenehm iſt, betrachtet werden koͤnnen.
Demnach ſo viel als geſchehen kann und als andere Geſetze verſtatten, freye, heitre
und abwechſelnde Ausſichten in der Nachbarſchaft des Gartens umher.
Allein ſie muͤſſen nicht uͤberall ganz vor Augen liegen, nicht aus allen Theilen
des Gartens nach ihrer voͤlligen Groͤße wahrgenommen werden, weil ſie ſonſt die
Wirkung der verſchiedenen Gartenſcenen, wo dieſe ſich ganz beweiſen ſoll, unterbre-
chen wuͤrden. Die Ausſichten in die Ferne ſind alſo bald zu verſchließen, bald wie-
der zu eroͤffnen, bald nach dieſem, bald nach jenem Geſichtspunkte abzuaͤndern, ſo
daß dadurch nicht allein ihre eigene Einwirkung gehoben und vervielfaͤltigt, ſondern
daß dieſe auch in eine Uebereinſtimmung mit den mannichfaltigen Auftritten im Gar-
ten
A 3
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