Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 2. Leipzig, 1780.

Bild:
<< vorherige Seite

Zweyter Abschnitt.
eine solche Stellung haben, daß sie blos eine einfache Farbe verträgt. Will man
durch Entgegenstellungen der Farben ergötzen, so mag man die Gruppen als eine Samm-
lung unter sich contrastiren lassen, da in einer einzelnen der Contrast zu seiner guten
Wirkung nicht Raum genug hat. Man wird sie sodann nach eben den Bemerkun-
gen, die oben von den Verbindungen und gegenseitigen Abweichungen des Grüns mit-
getheilt sind, anpflanzen, und ihnen eine Anordnung und Stellung geben, wodurch
das Ganze ein zusammenhängendes und anziehendes Gemälde ausmacht.

Die Erfahrung lehrt, daß die Gegenstände immer unkenntlicher werden, je wei-
ter sie sich von dem Auge entfernen. Nach dieser Beobachtung wird von zwo Grup-
pen, die in gleichem Abstande liegen, und wovon die eine ein lichtes, die andere ein dunkles
Grün hat, jene den Schein einer weitern Entfernung haben als diese. Die Beschaf-
fenheit des Hintergrundes veranlaßt eine neue Verschiedenheit. Ein Berg, noch mehr
ein kahles Felsengebirge, das sich über das Ende des Waldes oder der Pflanzung hoch
emperhebt, vermehrt die Verdunkelung, da hingegen der Schein des blauen Hori-
zonts sie mildert. Auch kann man die Entfernung tiefer machen, indem man das
Grün von Stufe zu Stufe immer mehr verdunkelt. Endlich ist eine verständige Mi-
schung des Lichts und Schattens auch in der Gartenkunst ein reiches Mittel zur schein-
baren Verkürzung und Verlängerung der verschiedenen Theile der Gehölze.

Der Gartenkünstler muß so gut, als der Landschaftmaler, die Fertigkeit, über alle
Arten von Verhältnissen nachzudenken, ein scharfes Auge und ein sicheres Gefühl für die
mannichfaltigen Wirkungen besitzen, welche Massen, Beziehungen und Entgegenstel-
lungen in der Zusammensetzung hervorbringen. Er muß über die Malerey des Laub-
werks, als einen feinen und noch wenig ausgeübten Theil seiner Kunst, ein vielfältiges
Studium selbst anstellen, da wir hier in einer Sache, die so sehr zusammengesetzt ist und
worin fast alles von eigenen Beobachtungen und Versuchen abhängt, nichts mehr, als
einige Winke geben können.

[Abbildung]

b. Eini-

Zweyter Abſchnitt.
eine ſolche Stellung haben, daß ſie blos eine einfache Farbe vertraͤgt. Will man
durch Entgegenſtellungen der Farben ergoͤtzen, ſo mag man die Gruppen als eine Samm-
lung unter ſich contraſtiren laſſen, da in einer einzelnen der Contraſt zu ſeiner guten
Wirkung nicht Raum genug hat. Man wird ſie ſodann nach eben den Bemerkun-
gen, die oben von den Verbindungen und gegenſeitigen Abweichungen des Gruͤns mit-
getheilt ſind, anpflanzen, und ihnen eine Anordnung und Stellung geben, wodurch
das Ganze ein zuſammenhaͤngendes und anziehendes Gemaͤlde ausmacht.

Die Erfahrung lehrt, daß die Gegenſtaͤnde immer unkenntlicher werden, je wei-
ter ſie ſich von dem Auge entfernen. Nach dieſer Beobachtung wird von zwo Grup-
pen, die in gleichem Abſtande liegen, und wovon die eine ein lichtes, die andere ein dunkles
Gruͤn hat, jene den Schein einer weitern Entfernung haben als dieſe. Die Beſchaf-
fenheit des Hintergrundes veranlaßt eine neue Verſchiedenheit. Ein Berg, noch mehr
ein kahles Felſengebirge, das ſich uͤber das Ende des Waldes oder der Pflanzung hoch
emperhebt, vermehrt die Verdunkelung, da hingegen der Schein des blauen Hori-
zonts ſie mildert. Auch kann man die Entfernung tiefer machen, indem man das
Gruͤn von Stufe zu Stufe immer mehr verdunkelt. Endlich iſt eine verſtaͤndige Mi-
ſchung des Lichts und Schattens auch in der Gartenkunſt ein reiches Mittel zur ſchein-
baren Verkuͤrzung und Verlaͤngerung der verſchiedenen Theile der Gehoͤlze.

Der Gartenkuͤnſtler muß ſo gut, als der Landſchaftmaler, die Fertigkeit, uͤber alle
Arten von Verhaͤltniſſen nachzudenken, ein ſcharfes Auge und ein ſicheres Gefuͤhl fuͤr die
mannichfaltigen Wirkungen beſitzen, welche Maſſen, Beziehungen und Entgegenſtel-
lungen in der Zuſammenſetzung hervorbringen. Er muß uͤber die Malerey des Laub-
werks, als einen feinen und noch wenig ausgeuͤbten Theil ſeiner Kunſt, ein vielfaͤltiges
Studium ſelbſt anſtellen, da wir hier in einer Sache, die ſo ſehr zuſammengeſetzt iſt und
worin faſt alles von eigenen Beobachtungen und Verſuchen abhaͤngt, nichts mehr, als
einige Winke geben koͤnnen.

[Abbildung]

b. Eini-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="3">
          <div n="4">
            <div n="5">
              <p><pb facs="#f0056" n="52"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Zweyter Ab&#x017F;chnitt.</hi></fw><lb/>
eine &#x017F;olche Stellung haben, daß &#x017F;ie blos eine einfache Farbe vertra&#x0364;gt. Will man<lb/>
durch Entgegen&#x017F;tellungen der Farben ergo&#x0364;tzen, &#x017F;o mag man die Gruppen als eine Samm-<lb/>
lung unter &#x017F;ich contra&#x017F;tiren la&#x017F;&#x017F;en, da in einer einzelnen der Contra&#x017F;t zu &#x017F;einer guten<lb/>
Wirkung nicht Raum genug hat. Man wird &#x017F;ie &#x017F;odann nach eben den Bemerkun-<lb/>
gen, die oben von den Verbindungen und gegen&#x017F;eitigen Abweichungen des Gru&#x0364;ns mit-<lb/>
getheilt &#x017F;ind, anpflanzen, und ihnen eine Anordnung und Stellung geben, wodurch<lb/>
das Ganze ein zu&#x017F;ammenha&#x0364;ngendes und anziehendes Gema&#x0364;lde ausmacht.</p><lb/>
              <p>Die Erfahrung lehrt, daß die Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde immer unkenntlicher werden, je wei-<lb/>
ter &#x017F;ie &#x017F;ich von dem Auge entfernen. Nach die&#x017F;er Beobachtung wird von zwo Grup-<lb/>
pen, die in gleichem Ab&#x017F;tande liegen, und wovon die eine ein lichtes, die andere ein dunkles<lb/>
Gru&#x0364;n hat, jene den Schein einer weitern Entfernung haben als die&#x017F;e. Die Be&#x017F;chaf-<lb/>
fenheit des Hintergrundes veranlaßt eine neue Ver&#x017F;chiedenheit. Ein Berg, noch mehr<lb/>
ein kahles Fel&#x017F;engebirge, das &#x017F;ich u&#x0364;ber das Ende des Waldes oder der Pflanzung hoch<lb/>
emperhebt, vermehrt die Verdunkelung, da hingegen der Schein des blauen Hori-<lb/>
zonts &#x017F;ie mildert. Auch kann man die Entfernung tiefer machen, indem man das<lb/>
Gru&#x0364;n von Stufe zu Stufe immer mehr verdunkelt. Endlich i&#x017F;t eine ver&#x017F;ta&#x0364;ndige Mi-<lb/>
&#x017F;chung des Lichts und Schattens auch in der Gartenkun&#x017F;t ein reiches Mittel zur &#x017F;chein-<lb/>
baren Verku&#x0364;rzung und Verla&#x0364;ngerung der ver&#x017F;chiedenen Theile der Geho&#x0364;lze.</p><lb/>
              <p>Der Gartenku&#x0364;n&#x017F;tler muß &#x017F;o gut, als der Land&#x017F;chaftmaler, die Fertigkeit, u&#x0364;ber alle<lb/>
Arten von Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;en nachzudenken, ein &#x017F;charfes Auge und ein &#x017F;icheres Gefu&#x0364;hl fu&#x0364;r die<lb/>
mannichfaltigen Wirkungen be&#x017F;itzen, welche Ma&#x017F;&#x017F;en, Beziehungen und Entgegen&#x017F;tel-<lb/>
lungen in der Zu&#x017F;ammen&#x017F;etzung hervorbringen. Er muß u&#x0364;ber die Malerey des Laub-<lb/>
werks, als einen feinen und noch wenig ausgeu&#x0364;bten Theil &#x017F;einer Kun&#x017F;t, ein vielfa&#x0364;ltiges<lb/>
Studium &#x017F;elb&#x017F;t an&#x017F;tellen, da wir hier in einer Sache, die &#x017F;o &#x017F;ehr zu&#x017F;ammenge&#x017F;etzt i&#x017F;t und<lb/>
worin fa&#x017F;t alles von eigenen Beobachtungen und Ver&#x017F;uchen abha&#x0364;ngt, nichts mehr, als<lb/>
einige Winke geben ko&#x0364;nnen.</p><lb/>
              <figure/>
            </div>
            <fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">b.</hi> Eini-</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[52/0056] Zweyter Abſchnitt. eine ſolche Stellung haben, daß ſie blos eine einfache Farbe vertraͤgt. Will man durch Entgegenſtellungen der Farben ergoͤtzen, ſo mag man die Gruppen als eine Samm- lung unter ſich contraſtiren laſſen, da in einer einzelnen der Contraſt zu ſeiner guten Wirkung nicht Raum genug hat. Man wird ſie ſodann nach eben den Bemerkun- gen, die oben von den Verbindungen und gegenſeitigen Abweichungen des Gruͤns mit- getheilt ſind, anpflanzen, und ihnen eine Anordnung und Stellung geben, wodurch das Ganze ein zuſammenhaͤngendes und anziehendes Gemaͤlde ausmacht. Die Erfahrung lehrt, daß die Gegenſtaͤnde immer unkenntlicher werden, je wei- ter ſie ſich von dem Auge entfernen. Nach dieſer Beobachtung wird von zwo Grup- pen, die in gleichem Abſtande liegen, und wovon die eine ein lichtes, die andere ein dunkles Gruͤn hat, jene den Schein einer weitern Entfernung haben als dieſe. Die Beſchaf- fenheit des Hintergrundes veranlaßt eine neue Verſchiedenheit. Ein Berg, noch mehr ein kahles Felſengebirge, das ſich uͤber das Ende des Waldes oder der Pflanzung hoch emperhebt, vermehrt die Verdunkelung, da hingegen der Schein des blauen Hori- zonts ſie mildert. Auch kann man die Entfernung tiefer machen, indem man das Gruͤn von Stufe zu Stufe immer mehr verdunkelt. Endlich iſt eine verſtaͤndige Mi- ſchung des Lichts und Schattens auch in der Gartenkunſt ein reiches Mittel zur ſchein- baren Verkuͤrzung und Verlaͤngerung der verſchiedenen Theile der Gehoͤlze. Der Gartenkuͤnſtler muß ſo gut, als der Landſchaftmaler, die Fertigkeit, uͤber alle Arten von Verhaͤltniſſen nachzudenken, ein ſcharfes Auge und ein ſicheres Gefuͤhl fuͤr die mannichfaltigen Wirkungen beſitzen, welche Maſſen, Beziehungen und Entgegenſtel- lungen in der Zuſammenſetzung hervorbringen. Er muß uͤber die Malerey des Laub- werks, als einen feinen und noch wenig ausgeuͤbten Theil ſeiner Kunſt, ein vielfaͤltiges Studium ſelbſt anſtellen, da wir hier in einer Sache, die ſo ſehr zuſammengeſetzt iſt und worin faſt alles von eigenen Beobachtungen und Verſuchen abhaͤngt, nichts mehr, als einige Winke geben koͤnnen. [Abbildung] b. Eini-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst2_1780
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst2_1780/56
Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 2. Leipzig, 1780, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst2_1780/56>, abgerufen am 28.11.2024.