Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 2. Leipzig, 1780.Beschreibungen von Gärten. Aufenthalt zu bezeigen schienen. Wo ich mich hinwandte, da lächelte mich dieNatur an. Mir deuchte, ich sähe sie auf jedem Parterre, auf jeder Gruppe von Bäumen, und auf jeder glatt abgeschornen Wildbahn schweben. Die Verzierun- gen verdienten nicht weniger Beyfall, weil sie dem Orte so angemessen sind. Hier bewunderte ich eine mit vielen Figuren gezierte vortreffliche Vase; dort stand in ei- nem Klumpen niederhängender Lerchenbäume die Schutzgöttinn dieser Scene, eine Flora, in einer artigen Stellung. Ihr Haar war mit Rosen umflochten, und in der ausgestreckten Hand hielt sie einen Strauß von Jasminen und Geisblättern. Ich näherte mich ehrfurchtsvoll dieser Göttinn, als der Beschützerinn alles dessen, wovon ich ein so großer Verehrer bin, und machte ihr, wie ein Enthusiast dem Bilde seines Schutzheiligen, eine tiefe Verbeugung. Was meynen Sie aber, wenn Sie, anstatt dieser leblosen Statue, eine le- Ich kann die reizenden Gänge von Envil nicht verlassen, ohne zu erinnern, Man kann in der That Plätzen, darüber Natur und Geschmack so viel An- zen,
Beſchreibungen von Gaͤrten. Aufenthalt zu bezeigen ſchienen. Wo ich mich hinwandte, da laͤchelte mich dieNatur an. Mir deuchte, ich ſaͤhe ſie auf jedem Parterre, auf jeder Gruppe von Baͤumen, und auf jeder glatt abgeſchornen Wildbahn ſchweben. Die Verzierun- gen verdienten nicht weniger Beyfall, weil ſie dem Orte ſo angemeſſen ſind. Hier bewunderte ich eine mit vielen Figuren gezierte vortreffliche Vaſe; dort ſtand in ei- nem Klumpen niederhaͤngender Lerchenbaͤume die Schutzgoͤttinn dieſer Scene, eine Flora, in einer artigen Stellung. Ihr Haar war mit Roſen umflochten, und in der ausgeſtreckten Hand hielt ſie einen Strauß von Jaſminen und Geisblaͤttern. Ich naͤherte mich ehrfurchtsvoll dieſer Goͤttinn, als der Beſchuͤtzerinn alles deſſen, wovon ich ein ſo großer Verehrer bin, und machte ihr, wie ein Enthuſiaſt dem Bilde ſeines Schutzheiligen, eine tiefe Verbeugung. Was meynen Sie aber, wenn Sie, anſtatt dieſer lebloſen Statue, eine le- Ich kann die reizenden Gaͤnge von Envil nicht verlaſſen, ohne zu erinnern, Man kann in der That Plaͤtzen, daruͤber Natur und Geſchmack ſo viel An- zen,
<TEI> <text> <body> <div n="2"> <p><pb facs="#f0177" n="173"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Beſchreibungen von Gaͤrten.</hi></fw><lb/> Aufenthalt zu bezeigen ſchienen. Wo ich mich hinwandte, da laͤchelte mich die<lb/> Natur an. Mir deuchte, ich ſaͤhe ſie auf jedem Parterre, auf jeder Gruppe von<lb/> Baͤumen, und auf jeder glatt abgeſchornen Wildbahn ſchweben. Die Verzierun-<lb/> gen verdienten nicht weniger Beyfall, weil ſie dem Orte ſo angemeſſen ſind. Hier<lb/> bewunderte ich eine mit vielen Figuren gezierte vortreffliche Vaſe; dort ſtand in ei-<lb/> nem Klumpen niederhaͤngender Lerchenbaͤume die Schutzgoͤttinn dieſer Scene, eine<lb/> Flora, in einer artigen Stellung. Ihr Haar war mit Roſen umflochten, und in<lb/> der ausgeſtreckten Hand hielt ſie einen Strauß von Jaſminen und Geisblaͤttern.<lb/> Ich naͤherte mich ehrfurchtsvoll dieſer Goͤttinn, als der Beſchuͤtzerinn alles deſſen,<lb/> wovon ich ein ſo großer Verehrer bin, und machte ihr, wie ein Enthuſiaſt dem<lb/> Bilde ſeines Schutzheiligen, eine tiefe Verbeugung.</p><lb/> <p>Was meynen Sie aber, wenn Sie, anſtatt dieſer lebloſen Statue, eine le-<lb/> bendige Schoͤnheit in dieſem <hi rendition="#fr">elyſiſchen</hi> Aufenthalte ſaͤhen? Glauben Sie nicht,<lb/> wenn ein junges bluͤhendes Maͤdchen, wie <hi rendition="#fr">Maria</hi> — — in <hi rendition="#fr">arkadiſchem</hi> Ge-<lb/> wande, von einem ſchoͤnen Wuchſe, von lebhafter Farbe und einem gefaͤlligen An-<lb/> ſtande; wenn ſie mit einem bezaubernden Blicke Vergnuͤgen und Liebe um ſich her<lb/> verbreitet, wenn ſie die Laute zu ihrer ſanften melodiſchen Stimme ſpielt, daß die-<lb/> ſes eine weit empfindſamere Wirkung auf Sie hervorbringen wuͤrde, als der unbe-<lb/> ſeelte Marmor? — Sie laͤcheln. — Aber ich nehme es auf mich, in Ihrem<lb/> und meinem Namen zu entſcheiden. Ich wette, wenn dies liebenswuͤrdige Maͤd-<lb/> chen von einem Gange in den andern gienge, wir wuͤrden beyde wie bezaubert und<lb/> voll Bewunderung da ſtehen, und fuͤr keinen andern Gegenſtand Augen haben.</p><lb/> <p>Ich kann die reizenden Gaͤnge von <hi rendition="#fr">Envil</hi> nicht verlaſſen, ohne zu erinnern,<lb/> daß ſie ſo weitlaͤuftig und ſo unterhaltend ſind, daß ein Tag zu wenig iſt, um alles<lb/> recht zu genießen. Man kann außen um die ganze Anlage herum reiten; und zum<lb/><hi rendition="#fr">Behuf</hi> derer, die fahren wollen, iſt auch ein Weg gemacht. Dies mag einigen<lb/> gefallen, und der edle Beſitzer erlaubt es denen, die es thun wollen, ſehr gern.<lb/> Aber fuͤr Perſonen von Geſchmack iſt dieſe Freyheit von geringem Werthe. Sie<lb/> laſſen ſich mitten unter ſo vielen Schoͤnheiten in kein aͤngſtliches Fuhrwerk einker-<lb/> kern, da die Scene ſich mit jedem Schritte aͤndert, und jede Abwechſelung im<lb/> Stande iſt, ihnen ſo viel neues Vergnuͤgen zu machen.</p><lb/> <p>Man kann in der That Plaͤtzen, daruͤber Natur und Geſchmack ſo viel An-<lb/> nehmlichkeiten verbreitet haben, nicht Aufmerkſamkeit genug ſchenken. Es giebt<lb/> im Walde noch viele Nebenſtellen, von denen man eben ſolche ſchoͤne Ausſichten<lb/> von Landſchaften hat, als auf den Baͤnken, wohin der Weg leitet, wie diejeni-<lb/> gen leicht bemerken werden, die bey Annaͤherung eines ſteilen Huͤgels nicht ſeuf-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">zen,</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [173/0177]
Beſchreibungen von Gaͤrten.
Aufenthalt zu bezeigen ſchienen. Wo ich mich hinwandte, da laͤchelte mich die
Natur an. Mir deuchte, ich ſaͤhe ſie auf jedem Parterre, auf jeder Gruppe von
Baͤumen, und auf jeder glatt abgeſchornen Wildbahn ſchweben. Die Verzierun-
gen verdienten nicht weniger Beyfall, weil ſie dem Orte ſo angemeſſen ſind. Hier
bewunderte ich eine mit vielen Figuren gezierte vortreffliche Vaſe; dort ſtand in ei-
nem Klumpen niederhaͤngender Lerchenbaͤume die Schutzgoͤttinn dieſer Scene, eine
Flora, in einer artigen Stellung. Ihr Haar war mit Roſen umflochten, und in
der ausgeſtreckten Hand hielt ſie einen Strauß von Jaſminen und Geisblaͤttern.
Ich naͤherte mich ehrfurchtsvoll dieſer Goͤttinn, als der Beſchuͤtzerinn alles deſſen,
wovon ich ein ſo großer Verehrer bin, und machte ihr, wie ein Enthuſiaſt dem
Bilde ſeines Schutzheiligen, eine tiefe Verbeugung.
Was meynen Sie aber, wenn Sie, anſtatt dieſer lebloſen Statue, eine le-
bendige Schoͤnheit in dieſem elyſiſchen Aufenthalte ſaͤhen? Glauben Sie nicht,
wenn ein junges bluͤhendes Maͤdchen, wie Maria — — in arkadiſchem Ge-
wande, von einem ſchoͤnen Wuchſe, von lebhafter Farbe und einem gefaͤlligen An-
ſtande; wenn ſie mit einem bezaubernden Blicke Vergnuͤgen und Liebe um ſich her
verbreitet, wenn ſie die Laute zu ihrer ſanften melodiſchen Stimme ſpielt, daß die-
ſes eine weit empfindſamere Wirkung auf Sie hervorbringen wuͤrde, als der unbe-
ſeelte Marmor? — Sie laͤcheln. — Aber ich nehme es auf mich, in Ihrem
und meinem Namen zu entſcheiden. Ich wette, wenn dies liebenswuͤrdige Maͤd-
chen von einem Gange in den andern gienge, wir wuͤrden beyde wie bezaubert und
voll Bewunderung da ſtehen, und fuͤr keinen andern Gegenſtand Augen haben.
Ich kann die reizenden Gaͤnge von Envil nicht verlaſſen, ohne zu erinnern,
daß ſie ſo weitlaͤuftig und ſo unterhaltend ſind, daß ein Tag zu wenig iſt, um alles
recht zu genießen. Man kann außen um die ganze Anlage herum reiten; und zum
Behuf derer, die fahren wollen, iſt auch ein Weg gemacht. Dies mag einigen
gefallen, und der edle Beſitzer erlaubt es denen, die es thun wollen, ſehr gern.
Aber fuͤr Perſonen von Geſchmack iſt dieſe Freyheit von geringem Werthe. Sie
laſſen ſich mitten unter ſo vielen Schoͤnheiten in kein aͤngſtliches Fuhrwerk einker-
kern, da die Scene ſich mit jedem Schritte aͤndert, und jede Abwechſelung im
Stande iſt, ihnen ſo viel neues Vergnuͤgen zu machen.
Man kann in der That Plaͤtzen, daruͤber Natur und Geſchmack ſo viel An-
nehmlichkeiten verbreitet haben, nicht Aufmerkſamkeit genug ſchenken. Es giebt
im Walde noch viele Nebenſtellen, von denen man eben ſolche ſchoͤne Ausſichten
von Landſchaften hat, als auf den Baͤnken, wohin der Weg leitet, wie diejeni-
gen leicht bemerken werden, die bey Annaͤherung eines ſteilen Huͤgels nicht ſeuf-
zen,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |