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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 2. Leipzig, 1780.

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Beschreibungen von Gärten.

Auf dem Wege von der gedachten Bank unter der Eiche fand ich wenig
Veränderungen, ausgenommen in der Vertiefung, aus der sich wieder ein steiler
Hügel erhebt, der stark bewachsen ist, wie zuvor. Hier lenkt sich ein anderer Weg
rechts; weil solcher aber blos zu der Rotunde führt, so stieg ich auf den Hügel, und
fand, daß der Wald sich an einer geräumigen Ebene endigte, welche eines der schön-
sten Stücke von Envil ausmacht. Der Anblick setzt zwar nicht in Erstaunen,
verursacht dem Auge aber ein unaussprechliches Vergnügen, weil es auf dem Rü-
cken des Hügels, der mit unzählbaren Heerden von Schafen bedeckt ist, gleichsam
einen sanften Ruhestand findet.

Bey jedem Schritte vermehrte sich meine Erwartung; stufenweise zeigte sich
immer mehr von der entfernten Landschaft, bis ich endlich den prächtigen Umfang
ganz vor mir hatte. Die erhabenen Zeilen Miltons:

Dies sind deine herrlichen Werke, du Vater des Guten!
Großer, Allmächtiger! dein ist dieser erstaunende Weltbau,
Den du so wunderbar schön erschufst; wie wunderbar mußt du
Selbst nicht, Unaussprechlicher, seyn!
*)
u. s. w. fielen mir ein, als ich hier gieng, und die prächtige Aussicht meine gan-
ze Seele erfüllte.

Das unfruchtbare wüste Land im Thal war durch Waldung abgesondert; aber
der Kirchthurm von Kinfare, die Edge und der romantische Felsen zeigten sich in
großer Schönheit. Eine solche Menge von auffallenden Gegenständen belebt die
ganze Gegend, daß man nicht weiß, wohin man zuerst, und auf was man vor-
nehmlich sehen soll. Auf einer Seite scheinen die hohen Hügel von Malvern an
die von Aberley zu stoßen, und diese an die von Clee, und letztere wieder an an-
dere gekettet; auf der andern erhebt der stolze Wreckin sein Haupt mitten in ei-
ner weiten Ebene hoch empor, und ist von der Natur mit allen ihren Geschenken
reichlich versehen. Der Rauch entfernter Städte, die Kirchen der umliegenden
Dörfer, die vielen Hügel hinter einander, mit den darunter gemengten Thälern und
Feldern, und die weit entlegenen blauen Berge machen diese herrliche Aussicht voll-
kommen.

Mitten in diesem ansehnlichen Thal, das zum Vergnügen und Nutzen des
menschlichen Lebens bestimmt ist, steht ein Gebäude vom gothischen Geschmack,

welches
*) Verlornes Paradies, 5ter Ges. nach Zacharä's Uebersetzung.
II Band. Z
Beſchreibungen von Gaͤrten.

Auf dem Wege von der gedachten Bank unter der Eiche fand ich wenig
Veraͤnderungen, ausgenommen in der Vertiefung, aus der ſich wieder ein ſteiler
Huͤgel erhebt, der ſtark bewachſen iſt, wie zuvor. Hier lenkt ſich ein anderer Weg
rechts; weil ſolcher aber blos zu der Rotunde fuͤhrt, ſo ſtieg ich auf den Huͤgel, und
fand, daß der Wald ſich an einer geraͤumigen Ebene endigte, welche eines der ſchoͤn-
ſten Stuͤcke von Envil ausmacht. Der Anblick ſetzt zwar nicht in Erſtaunen,
verurſacht dem Auge aber ein unausſprechliches Vergnuͤgen, weil es auf dem Ruͤ-
cken des Huͤgels, der mit unzaͤhlbaren Heerden von Schafen bedeckt iſt, gleichſam
einen ſanften Ruheſtand findet.

Bey jedem Schritte vermehrte ſich meine Erwartung; ſtufenweiſe zeigte ſich
immer mehr von der entfernten Landſchaft, bis ich endlich den praͤchtigen Umfang
ganz vor mir hatte. Die erhabenen Zeilen Miltons:

Dies ſind deine herrlichen Werke, du Vater des Guten!
Großer, Allmaͤchtiger! dein iſt dieſer erſtaunende Weltbau,
Den du ſo wunderbar ſchoͤn erſchufſt; wie wunderbar mußt du
Selbſt nicht, Unausſprechlicher, ſeyn!
*)
u. ſ. w. fielen mir ein, als ich hier gieng, und die praͤchtige Ausſicht meine gan-
ze Seele erfuͤllte.

Das unfruchtbare wuͤſte Land im Thal war durch Waldung abgeſondert; aber
der Kirchthurm von Kinfare, die Edge und der romantiſche Felſen zeigten ſich in
großer Schoͤnheit. Eine ſolche Menge von auffallenden Gegenſtaͤnden belebt die
ganze Gegend, daß man nicht weiß, wohin man zuerſt, und auf was man vor-
nehmlich ſehen ſoll. Auf einer Seite ſcheinen die hohen Huͤgel von Malvern an
die von Aberley zu ſtoßen, und dieſe an die von Clee, und letztere wieder an an-
dere gekettet; auf der andern erhebt der ſtolze Wreckin ſein Haupt mitten in ei-
ner weiten Ebene hoch empor, und iſt von der Natur mit allen ihren Geſchenken
reichlich verſehen. Der Rauch entfernter Staͤdte, die Kirchen der umliegenden
Doͤrfer, die vielen Huͤgel hinter einander, mit den darunter gemengten Thaͤlern und
Feldern, und die weit entlegenen blauen Berge machen dieſe herrliche Ausſicht voll-
kommen.

Mitten in dieſem anſehnlichen Thal, das zum Vergnuͤgen und Nutzen des
menſchlichen Lebens beſtimmt iſt, ſteht ein Gebaͤude vom gothiſchen Geſchmack,

welches
*) Verlornes Paradies, 5ter Geſ. nach Zacharaͤ’s Ueberſetzung.
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[167/0171] Beſchreibungen von Gaͤrten. Auf dem Wege von der gedachten Bank unter der Eiche fand ich wenig Veraͤnderungen, ausgenommen in der Vertiefung, aus der ſich wieder ein ſteiler Huͤgel erhebt, der ſtark bewachſen iſt, wie zuvor. Hier lenkt ſich ein anderer Weg rechts; weil ſolcher aber blos zu der Rotunde fuͤhrt, ſo ſtieg ich auf den Huͤgel, und fand, daß der Wald ſich an einer geraͤumigen Ebene endigte, welche eines der ſchoͤn- ſten Stuͤcke von Envil ausmacht. Der Anblick ſetzt zwar nicht in Erſtaunen, verurſacht dem Auge aber ein unausſprechliches Vergnuͤgen, weil es auf dem Ruͤ- cken des Huͤgels, der mit unzaͤhlbaren Heerden von Schafen bedeckt iſt, gleichſam einen ſanften Ruheſtand findet. Bey jedem Schritte vermehrte ſich meine Erwartung; ſtufenweiſe zeigte ſich immer mehr von der entfernten Landſchaft, bis ich endlich den praͤchtigen Umfang ganz vor mir hatte. Die erhabenen Zeilen Miltons: Dies ſind deine herrlichen Werke, du Vater des Guten! Großer, Allmaͤchtiger! dein iſt dieſer erſtaunende Weltbau, Den du ſo wunderbar ſchoͤn erſchufſt; wie wunderbar mußt du Selbſt nicht, Unausſprechlicher, ſeyn! *) u. ſ. w. fielen mir ein, als ich hier gieng, und die praͤchtige Ausſicht meine gan- ze Seele erfuͤllte. Das unfruchtbare wuͤſte Land im Thal war durch Waldung abgeſondert; aber der Kirchthurm von Kinfare, die Edge und der romantiſche Felſen zeigten ſich in großer Schoͤnheit. Eine ſolche Menge von auffallenden Gegenſtaͤnden belebt die ganze Gegend, daß man nicht weiß, wohin man zuerſt, und auf was man vor- nehmlich ſehen ſoll. Auf einer Seite ſcheinen die hohen Huͤgel von Malvern an die von Aberley zu ſtoßen, und dieſe an die von Clee, und letztere wieder an an- dere gekettet; auf der andern erhebt der ſtolze Wreckin ſein Haupt mitten in ei- ner weiten Ebene hoch empor, und iſt von der Natur mit allen ihren Geſchenken reichlich verſehen. Der Rauch entfernter Staͤdte, die Kirchen der umliegenden Doͤrfer, die vielen Huͤgel hinter einander, mit den darunter gemengten Thaͤlern und Feldern, und die weit entlegenen blauen Berge machen dieſe herrliche Ausſicht voll- kommen. Mitten in dieſem anſehnlichen Thal, das zum Vergnuͤgen und Nutzen des menſchlichen Lebens beſtimmt iſt, ſteht ein Gebaͤude vom gothiſchen Geſchmack, welches *) Verlornes Paradies, 5ter Geſ. nach Zacharaͤ’s Ueberſetzung. II Band. Z

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 2. Leipzig, 1780, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst2_1780/171>, abgerufen am 24.11.2024.