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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 2. Leipzig, 1780.

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Beschreibungen von Gärten.
statt einer geraden bekommen, so hätte dies Wasserstück keine angenehmere Form
haben können.

Wenn man eine Zeit lang im Dunkeln gegangen ist, so läuft der Weg her-
nach am Ufer des Sees fort; gegen die Landschaft hat man eine freye Aussicht, und
kommt durch eine Thüre auf die obgedachte Wildbahn, welche man sowohl als den
Hain von einer vortheilhaften Seite sieht. Aus einem andern Gesichtspuncte wird
das Wohnhaus, das etwas im gothischen Geschmack ist, ein angenehmer Gegen-
stand jenseits des Wassers.

Indem Sie auf diese Weise um den Teich gehen, kommen Sie durch eine
andere Thüre auf ein mit Geschmack angelegtes Blumenstück am Rande der Casca-
de. Hier werden Sie sich, bey dem unaufhörlichen Geräusch des herabstürzenden
Wassers und bey dem ambrosischen Duft von Rosen und Geisblatt, auf eine Bank
in der mit Gebüsch umgebenen Vertiefung niedersetzen, Ihre Augen auf die Ca-
scade richten, und durch deren einstimmiges Getöse in ein stilles Nachdenken ver-
senkt werden. Sie werden auf nichts weiter achten, als zuweilen einen Blick auf
das durch den Busch scheinende Schiffhaus und die gegenüber sich öffnende
Wildbahn werfen.

Die Absätze der Cascade erscheinen in einer wohlangelegten Unordnung; sie
sind steil und gut unterbrochen, an einigen Orten hohl, und senkrecht, welches
vermuthlich von der Gewalt des Wassers, welches von einem Absatz auf den
andern stürzt, herrührt. Irre ich mich hierin, so hat die Kunst die Natur
nie glücklicher nachgeahmt. -- Wenigstens haben alle Versuche, die ich gesehen,
um zu verhindern, daß das Wasser keine rauhen Absätze oder Spaltungen mache,
keine angenehme Wirkung gethan. Glauben Sie mir, alle Bemühungen der Kunst
und des Genies können den Absätzen keine so gute Form geben, als die hier durch
die unaufhörliche Arbeit des Wassers von selbst entstanden ist.

Indem ich die vielen Abwechselungen um mich her betrachtete, machte ich
die Anmerkung, daß die Cascaden auf den Seiten buschigter seyn könnten, um ei-
nen noch undurchsichtigern Prospect zu haben, welches unstreitig allemal bey einer
Cascade seyn soll. Einsame, dunkle Oerter können es nie genug seyn, und man
muß nichts sehen, als was diesen Anschein noch vermehrt. Das Geräusch des
Wassers überführt mich schon hinlänglich, daß sich dasjenige, was die Kunst hin-
zufetzt, auch dazu schicken müsse; z. E. ein ununterbrochener finsterer Schatten, ein
wildes Ansehen, große Felsenklumpen, mit Epheu umwundene Bäume, und Ufer
mit hohlen Löchern.

In
Y 3

Beſchreibungen von Gaͤrten.
ſtatt einer geraden bekommen, ſo haͤtte dies Waſſerſtuͤck keine angenehmere Form
haben koͤnnen.

Wenn man eine Zeit lang im Dunkeln gegangen iſt, ſo laͤuft der Weg her-
nach am Ufer des Sees fort; gegen die Landſchaft hat man eine freye Ausſicht, und
kommt durch eine Thuͤre auf die obgedachte Wildbahn, welche man ſowohl als den
Hain von einer vortheilhaften Seite ſieht. Aus einem andern Geſichtspuncte wird
das Wohnhaus, das etwas im gothiſchen Geſchmack iſt, ein angenehmer Gegen-
ſtand jenſeits des Waſſers.

Indem Sie auf dieſe Weiſe um den Teich gehen, kommen Sie durch eine
andere Thuͤre auf ein mit Geſchmack angelegtes Blumenſtuͤck am Rande der Caſca-
de. Hier werden Sie ſich, bey dem unaufhoͤrlichen Geraͤuſch des herabſtuͤrzenden
Waſſers und bey dem ambroſiſchen Duft von Roſen und Geisblatt, auf eine Bank
in der mit Gebuͤſch umgebenen Vertiefung niederſetzen, Ihre Augen auf die Ca-
ſcade richten, und durch deren einſtimmiges Getoͤſe in ein ſtilles Nachdenken ver-
ſenkt werden. Sie werden auf nichts weiter achten, als zuweilen einen Blick auf
das durch den Buſch ſcheinende Schiffhaus und die gegenuͤber ſich oͤffnende
Wildbahn werfen.

Die Abſaͤtze der Caſcade erſcheinen in einer wohlangelegten Unordnung; ſie
ſind ſteil und gut unterbrochen, an einigen Orten hohl, und ſenkrecht, welches
vermuthlich von der Gewalt des Waſſers, welches von einem Abſatz auf den
andern ſtuͤrzt, herruͤhrt. Irre ich mich hierin, ſo hat die Kunſt die Natur
nie gluͤcklicher nachgeahmt. — Wenigſtens haben alle Verſuche, die ich geſehen,
um zu verhindern, daß das Waſſer keine rauhen Abſaͤtze oder Spaltungen mache,
keine angenehme Wirkung gethan. Glauben Sie mir, alle Bemuͤhungen der Kunſt
und des Genies koͤnnen den Abſaͤtzen keine ſo gute Form geben, als die hier durch
die unaufhoͤrliche Arbeit des Waſſers von ſelbſt entſtanden iſt.

Indem ich die vielen Abwechſelungen um mich her betrachtete, machte ich
die Anmerkung, daß die Caſcaden auf den Seiten buſchigter ſeyn koͤnnten, um ei-
nen noch undurchſichtigern Proſpect zu haben, welches unſtreitig allemal bey einer
Caſcade ſeyn ſoll. Einſame, dunkle Oerter koͤnnen es nie genug ſeyn, und man
muß nichts ſehen, als was dieſen Anſchein noch vermehrt. Das Geraͤuſch des
Waſſers uͤberfuͤhrt mich ſchon hinlaͤnglich, daß ſich dasjenige, was die Kunſt hin-
zufetzt, auch dazu ſchicken muͤſſe; z. E. ein ununterbrochener finſterer Schatten, ein
wildes Anſehen, große Felſenklumpen, mit Epheu umwundene Baͤume, und Ufer
mit hohlen Loͤchern.

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Y 3
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[163/0167] Beſchreibungen von Gaͤrten. ſtatt einer geraden bekommen, ſo haͤtte dies Waſſerſtuͤck keine angenehmere Form haben koͤnnen. Wenn man eine Zeit lang im Dunkeln gegangen iſt, ſo laͤuft der Weg her- nach am Ufer des Sees fort; gegen die Landſchaft hat man eine freye Ausſicht, und kommt durch eine Thuͤre auf die obgedachte Wildbahn, welche man ſowohl als den Hain von einer vortheilhaften Seite ſieht. Aus einem andern Geſichtspuncte wird das Wohnhaus, das etwas im gothiſchen Geſchmack iſt, ein angenehmer Gegen- ſtand jenſeits des Waſſers. Indem Sie auf dieſe Weiſe um den Teich gehen, kommen Sie durch eine andere Thuͤre auf ein mit Geſchmack angelegtes Blumenſtuͤck am Rande der Caſca- de. Hier werden Sie ſich, bey dem unaufhoͤrlichen Geraͤuſch des herabſtuͤrzenden Waſſers und bey dem ambroſiſchen Duft von Roſen und Geisblatt, auf eine Bank in der mit Gebuͤſch umgebenen Vertiefung niederſetzen, Ihre Augen auf die Ca- ſcade richten, und durch deren einſtimmiges Getoͤſe in ein ſtilles Nachdenken ver- ſenkt werden. Sie werden auf nichts weiter achten, als zuweilen einen Blick auf das durch den Buſch ſcheinende Schiffhaus und die gegenuͤber ſich oͤffnende Wildbahn werfen. Die Abſaͤtze der Caſcade erſcheinen in einer wohlangelegten Unordnung; ſie ſind ſteil und gut unterbrochen, an einigen Orten hohl, und ſenkrecht, welches vermuthlich von der Gewalt des Waſſers, welches von einem Abſatz auf den andern ſtuͤrzt, herruͤhrt. Irre ich mich hierin, ſo hat die Kunſt die Natur nie gluͤcklicher nachgeahmt. — Wenigſtens haben alle Verſuche, die ich geſehen, um zu verhindern, daß das Waſſer keine rauhen Abſaͤtze oder Spaltungen mache, keine angenehme Wirkung gethan. Glauben Sie mir, alle Bemuͤhungen der Kunſt und des Genies koͤnnen den Abſaͤtzen keine ſo gute Form geben, als die hier durch die unaufhoͤrliche Arbeit des Waſſers von ſelbſt entſtanden iſt. Indem ich die vielen Abwechſelungen um mich her betrachtete, machte ich die Anmerkung, daß die Caſcaden auf den Seiten buſchigter ſeyn koͤnnten, um ei- nen noch undurchſichtigern Proſpect zu haben, welches unſtreitig allemal bey einer Caſcade ſeyn ſoll. Einſame, dunkle Oerter koͤnnen es nie genug ſeyn, und man muß nichts ſehen, als was dieſen Anſchein noch vermehrt. Das Geraͤuſch des Waſſers uͤberfuͤhrt mich ſchon hinlaͤnglich, daß ſich dasjenige, was die Kunſt hin- zufetzt, auch dazu ſchicken muͤſſe; z. E. ein ununterbrochener finſterer Schatten, ein wildes Anſehen, große Felſenklumpen, mit Epheu umwundene Baͤume, und Ufer mit hohlen Loͤchern. In Y 3

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 2. Leipzig, 1780, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst2_1780/167>, abgerufen am 25.11.2024.