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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 2. Leipzig, 1780.

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Beschreibungen von Gärten.
bestimmten Stunde die zerstreuten Gäste aus ihren Einsiedeleyen oder von geselligen
Spaziergängen in den großen Pavillon auf der Höhe zur Tafel wieder zusammen-
ruft.

Dies sind, nach dem Lauf der Wege, die ich nahm, und nach meiner Em-
pfindung, die Hauptscenen, welche die Schönheit des Heeschenbergs erheben.
Andre werden bey einer andern Wahl ihrer Gänge vielleicht noch mehr Ergötzung an-
treffen. Man sieht hier Natur und Geschmack im Wetteifer, einen Sommersitz zu
bilden, der, nach dem Geständniß der einheimischen und auswärtigen Kenuer,
zu den ersten Merkwürdigkeiten der Gartenkunst nicht blos in Holstein, son-
dern in Deutschland gehört. Aschberg *) ist fast alles der Natur schuldig; un-
gern sieht man den Ort von einer mit Bescheidenheit nachhelfenden Hand verlassen.
Hier im Gegentheil ist nicht blos eine reizende Anlage der gefälligen Natur; hier ist
auch Anordnung mit Geschmack, Unterhaltung mit Sorgfalt, und Fortwirkung mit
Eifer. Noch ist das Werk nicht vollendet. Daß die Verschönerungslinie von der
mit Quitschern und Tannen besetzten Allee zur Linken des Wirthshauses fortlaufen,
und den dort gegen Morgen sich erhebenden mit Waldung bekleideten Berg umfassen
wird, ist schon fürs erste eine Erweiterung, die einen der herrlichsten Lustplätze er-
warten läßt. Der Wald ist mit den schönsten Bäumen geziert; er hat Gebüsch und
mannichfaltige Ungleichheiten des Bodens; er verstattet auf allen Seiten die anmu-
thigsten Aussichten; und was seine Lage vorzüglich verschönert, so breitet sich an sei-
nem Fuß nach Morgen hin ein See aus. Man sieht hier das Licht des Tages auf-
steigen, und die heitersten Morgenscenen in einer reich geschmückten Landschaft bilden;
und wenn der Himmel den Besitzer länger seinem Jahrhunderte gönnt, so darf man
hier und in den angränzenden Gegenden noch Anlagen hoffen, die den Reiz der Na-
tur mit Harmonie erheben.

Der Sitz eines berühmten Mannes, von dessen Größe ich hier nichts sagen
darf, weil einst die Geschichte davon reden wird, erweckt schon die Neubegierde
eines Fremden. Allein man sieht hier mehr, als was man zu sehen gewohnt ist.
Man sieht Erfindungen und Anlagen, alle aus dem Geist des Besitzers selbst ent-
sprungen. Man sieht für Jedermann freyen Eintritt in die Spaziergänge, Auf-
nahme des Fremden, und Achtung des Verdienstes. Man kehrt zurück mit Erzäh-
lungen, die neue Lustreisen nach diesem Sitz beschleunigen.

Bey einer solchen Reise nimmt vielleicht einst ein Gartenfreund diese Beschrei-
bung in die Hand. Er sieht, er liest, er vergleicht; er findet nichts, das von der

Phan-
*) S. 1 B. S. 75 u. f.
T 3

Beſchreibungen von Gaͤrten.
beſtimmten Stunde die zerſtreuten Gaͤſte aus ihren Einſiedeleyen oder von geſelligen
Spaziergaͤngen in den großen Pavillon auf der Hoͤhe zur Tafel wieder zuſammen-
ruft.

Dies ſind, nach dem Lauf der Wege, die ich nahm, und nach meiner Em-
pfindung, die Hauptſcenen, welche die Schoͤnheit des Heeſchenbergs erheben.
Andre werden bey einer andern Wahl ihrer Gaͤnge vielleicht noch mehr Ergoͤtzung an-
treffen. Man ſieht hier Natur und Geſchmack im Wetteifer, einen Sommerſitz zu
bilden, der, nach dem Geſtaͤndniß der einheimiſchen und auswaͤrtigen Kenuer,
zu den erſten Merkwuͤrdigkeiten der Gartenkunſt nicht blos in Holſtein, ſon-
dern in Deutſchland gehoͤrt. Aſchberg *) iſt faſt alles der Natur ſchuldig; un-
gern ſieht man den Ort von einer mit Beſcheidenheit nachhelfenden Hand verlaſſen.
Hier im Gegentheil iſt nicht blos eine reizende Anlage der gefaͤlligen Natur; hier iſt
auch Anordnung mit Geſchmack, Unterhaltung mit Sorgfalt, und Fortwirkung mit
Eifer. Noch iſt das Werk nicht vollendet. Daß die Verſchoͤnerungslinie von der
mit Quitſchern und Tannen beſetzten Allee zur Linken des Wirthshauſes fortlaufen,
und den dort gegen Morgen ſich erhebenden mit Waldung bekleideten Berg umfaſſen
wird, iſt ſchon fuͤrs erſte eine Erweiterung, die einen der herrlichſten Luſtplaͤtze er-
warten laͤßt. Der Wald iſt mit den ſchoͤnſten Baͤumen geziert; er hat Gebuͤſch und
mannichfaltige Ungleichheiten des Bodens; er verſtattet auf allen Seiten die anmu-
thigſten Ausſichten; und was ſeine Lage vorzuͤglich verſchoͤnert, ſo breitet ſich an ſei-
nem Fuß nach Morgen hin ein See aus. Man ſieht hier das Licht des Tages auf-
ſteigen, und die heiterſten Morgenſcenen in einer reich geſchmuͤckten Landſchaft bilden;
und wenn der Himmel den Beſitzer laͤnger ſeinem Jahrhunderte goͤnnt, ſo darf man
hier und in den angraͤnzenden Gegenden noch Anlagen hoffen, die den Reiz der Na-
tur mit Harmonie erheben.

Der Sitz eines beruͤhmten Mannes, von deſſen Groͤße ich hier nichts ſagen
darf, weil einſt die Geſchichte davon reden wird, erweckt ſchon die Neubegierde
eines Fremden. Allein man ſieht hier mehr, als was man zu ſehen gewohnt iſt.
Man ſieht Erfindungen und Anlagen, alle aus dem Geiſt des Beſitzers ſelbſt ent-
ſprungen. Man ſieht fuͤr Jedermann freyen Eintritt in die Spaziergaͤnge, Auf-
nahme des Fremden, und Achtung des Verdienſtes. Man kehrt zuruͤck mit Erzaͤh-
lungen, die neue Luſtreiſen nach dieſem Sitz beſchleunigen.

Bey einer ſolchen Reiſe nimmt vielleicht einſt ein Gartenfreund dieſe Beſchrei-
bung in die Hand. Er ſieht, er lieſt, er vergleicht; er findet nichts, das von der

Phan-
*) S. 1 B. S. 75 u. f.
T 3
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[149/0153] Beſchreibungen von Gaͤrten. beſtimmten Stunde die zerſtreuten Gaͤſte aus ihren Einſiedeleyen oder von geſelligen Spaziergaͤngen in den großen Pavillon auf der Hoͤhe zur Tafel wieder zuſammen- ruft. Dies ſind, nach dem Lauf der Wege, die ich nahm, und nach meiner Em- pfindung, die Hauptſcenen, welche die Schoͤnheit des Heeſchenbergs erheben. Andre werden bey einer andern Wahl ihrer Gaͤnge vielleicht noch mehr Ergoͤtzung an- treffen. Man ſieht hier Natur und Geſchmack im Wetteifer, einen Sommerſitz zu bilden, der, nach dem Geſtaͤndniß der einheimiſchen und auswaͤrtigen Kenuer, zu den erſten Merkwuͤrdigkeiten der Gartenkunſt nicht blos in Holſtein, ſon- dern in Deutſchland gehoͤrt. Aſchberg *) iſt faſt alles der Natur ſchuldig; un- gern ſieht man den Ort von einer mit Beſcheidenheit nachhelfenden Hand verlaſſen. Hier im Gegentheil iſt nicht blos eine reizende Anlage der gefaͤlligen Natur; hier iſt auch Anordnung mit Geſchmack, Unterhaltung mit Sorgfalt, und Fortwirkung mit Eifer. Noch iſt das Werk nicht vollendet. Daß die Verſchoͤnerungslinie von der mit Quitſchern und Tannen beſetzten Allee zur Linken des Wirthshauſes fortlaufen, und den dort gegen Morgen ſich erhebenden mit Waldung bekleideten Berg umfaſſen wird, iſt ſchon fuͤrs erſte eine Erweiterung, die einen der herrlichſten Luſtplaͤtze er- warten laͤßt. Der Wald iſt mit den ſchoͤnſten Baͤumen geziert; er hat Gebuͤſch und mannichfaltige Ungleichheiten des Bodens; er verſtattet auf allen Seiten die anmu- thigſten Ausſichten; und was ſeine Lage vorzuͤglich verſchoͤnert, ſo breitet ſich an ſei- nem Fuß nach Morgen hin ein See aus. Man ſieht hier das Licht des Tages auf- ſteigen, und die heiterſten Morgenſcenen in einer reich geſchmuͤckten Landſchaft bilden; und wenn der Himmel den Beſitzer laͤnger ſeinem Jahrhunderte goͤnnt, ſo darf man hier und in den angraͤnzenden Gegenden noch Anlagen hoffen, die den Reiz der Na- tur mit Harmonie erheben. Der Sitz eines beruͤhmten Mannes, von deſſen Groͤße ich hier nichts ſagen darf, weil einſt die Geſchichte davon reden wird, erweckt ſchon die Neubegierde eines Fremden. Allein man ſieht hier mehr, als was man zu ſehen gewohnt iſt. Man ſieht Erfindungen und Anlagen, alle aus dem Geiſt des Beſitzers ſelbſt ent- ſprungen. Man ſieht fuͤr Jedermann freyen Eintritt in die Spaziergaͤnge, Auf- nahme des Fremden, und Achtung des Verdienſtes. Man kehrt zuruͤck mit Erzaͤh- lungen, die neue Luſtreiſen nach dieſem Sitz beſchleunigen. Bey einer ſolchen Reiſe nimmt vielleicht einſt ein Gartenfreund dieſe Beſchrei- bung in die Hand. Er ſieht, er lieſt, er vergleicht; er findet nichts, das von der Phan- *) S. 1 B. S. 75 u. f. T 3

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 2. Leipzig, 1780, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst2_1780/153>, abgerufen am 05.12.2024.