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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 2. Leipzig, 1780.

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Von Wegen und Gängen.
Unterschied machen, der es nicht gleichgültig läßt, ob der Weg auf dieser oder auf
jener Seite dahin läuft.

Die Wendungen der Gänge müssen nicht plötzlich gebrochen seyn, es sey denn
an einzelnen Stellen, wo man eine Ueberraschung des Wandelnden zur Absicht hat,
ihn auf eine Scene, auf eine Aussicht fallen lassen will, die er nicht erwarten sollte.
Im übrigen müssen die Wendungen sich sanft dahin schmiegen, ohne Ziererey und
ohne Zwang, und weder scharf abgeschnitten, noch verwirrt noch verflochten seyn.

Außer der Abänderung, welche die Krümmung des Weges selbst giebt, kann
er noch mehr Abwechselung gewinnen, indem er zuweilen in kleine Grasplätze, zwi-
schen den Bäumen und Gebüschen ausläuft, bald sich senket, bald sich wieder erhebt,
bald breiter, bald enger wird, bald umpflanzt, oder vom überhängenden Gebüsch be-
deckt, bald frey und offen ist. Zu einer Hütte oder kunstlosen Einsiedeley mag ein
enger Pfad ablaufen; ein gerader, breiter, freyer Gang führe zu einem Tempel oder
einem andern glänzenden Auftritte; und ein von Laub und Schatten überwölbter Weg
schlängele sich zur melancholischen Scene im Thale hinab. Die größere oder gerin-
gere Bearbeitung der Wege richte sich allemal nach den Auftritten, zwischen welchen
sie liegen, oder zu welchen sie hinleiten.

3.

Zur Verzierung der Gänge dienen kleine Sträucher und Blumen; doch ist auch
hier Rücksicht auf die Gegend und ihre Scenen zu nehmen. Der Weg in einem ein-
fältig ländlichen Bezirk bedarf keines besondern Schmuckes; Gras und wilde Blu-
men sind genug zu seiner Einfassung. Wo man an heitern Abenden unter dem Sil-
berschein des freundlich herablächelnden Mondes gerne lustwandelt, da sey der Gang
mit Sträuchern voll duftender Blühten und mit wohlriechenden Kräutern besetzt. Auf
Wegen, die zu edlen und prächtigen Auftritten führen, mögen schöne Gebüsche und
Blumen von schimmernden Farben zur Seite ihre stolzen Häupter erheben. Hier
hat man besonders auf Mannichfaltigkeit des Grüns und auf Lebhaftigkeit der Farben
zu sehen; die Nähe dieser Gegenstände locket den Beobachter herbey, hält ihn auf, be-
schäftigt ihn, und er findet Unterhaltung, wo er nur einen Durchgang suchte.

Wenn Gänge nur die nöthige Bequemlichkeit haben, so dürfen sie nicht unter
einem so ängstlichen Ausputz, der schon durch das kleinste emporsprießende Gräschen
beleidigt wird, gehalten werden. Sie sollen nicht den saubern Böden in unsern
Prunkzimmern gleichen, sondern vielmehr einen Theil von dem Sorglosen und Nach-

lässigen
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Von Wegen und Gaͤngen.
Unterſchied machen, der es nicht gleichguͤltig laͤßt, ob der Weg auf dieſer oder auf
jener Seite dahin laͤuft.

Die Wendungen der Gaͤnge muͤſſen nicht ploͤtzlich gebrochen ſeyn, es ſey denn
an einzelnen Stellen, wo man eine Ueberraſchung des Wandelnden zur Abſicht hat,
ihn auf eine Scene, auf eine Ausſicht fallen laſſen will, die er nicht erwarten ſollte.
Im uͤbrigen muͤſſen die Wendungen ſich ſanft dahin ſchmiegen, ohne Ziererey und
ohne Zwang, und weder ſcharf abgeſchnitten, noch verwirrt noch verflochten ſeyn.

Außer der Abaͤnderung, welche die Kruͤmmung des Weges ſelbſt giebt, kann
er noch mehr Abwechſelung gewinnen, indem er zuweilen in kleine Grasplaͤtze, zwi-
ſchen den Baͤumen und Gebuͤſchen auslaͤuft, bald ſich ſenket, bald ſich wieder erhebt,
bald breiter, bald enger wird, bald umpflanzt, oder vom uͤberhaͤngenden Gebuͤſch be-
deckt, bald frey und offen iſt. Zu einer Huͤtte oder kunſtloſen Einſiedeley mag ein
enger Pfad ablaufen; ein gerader, breiter, freyer Gang fuͤhre zu einem Tempel oder
einem andern glaͤnzenden Auftritte; und ein von Laub und Schatten uͤberwoͤlbter Weg
ſchlaͤngele ſich zur melancholiſchen Scene im Thale hinab. Die groͤßere oder gerin-
gere Bearbeitung der Wege richte ſich allemal nach den Auftritten, zwiſchen welchen
ſie liegen, oder zu welchen ſie hinleiten.

3.

Zur Verzierung der Gaͤnge dienen kleine Straͤucher und Blumen; doch iſt auch
hier Ruͤckſicht auf die Gegend und ihre Scenen zu nehmen. Der Weg in einem ein-
faͤltig laͤndlichen Bezirk bedarf keines beſondern Schmuckes; Gras und wilde Blu-
men ſind genug zu ſeiner Einfaſſung. Wo man an heitern Abenden unter dem Sil-
berſchein des freundlich herablaͤchelnden Mondes gerne luſtwandelt, da ſey der Gang
mit Straͤuchern voll duftender Bluͤhten und mit wohlriechenden Kraͤutern beſetzt. Auf
Wegen, die zu edlen und praͤchtigen Auftritten fuͤhren, moͤgen ſchoͤne Gebuͤſche und
Blumen von ſchimmernden Farben zur Seite ihre ſtolzen Haͤupter erheben. Hier
hat man beſonders auf Mannichfaltigkeit des Gruͤns und auf Lebhaftigkeit der Farben
zu ſehen; die Naͤhe dieſer Gegenſtaͤnde locket den Beobachter herbey, haͤlt ihn auf, be-
ſchaͤftigt ihn, und er findet Unterhaltung, wo er nur einen Durchgang ſuchte.

Wenn Gaͤnge nur die noͤthige Bequemlichkeit haben, ſo duͤrfen ſie nicht unter
einem ſo aͤngſtlichen Ausputz, der ſchon durch das kleinſte emporſprießende Graͤschen
beleidigt wird, gehalten werden. Sie ſollen nicht den ſaubern Boͤden in unſern
Prunkzimmern gleichen, ſondern vielmehr einen Theil von dem Sorgloſen und Nach-

laͤſſigen
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[133/0137] Von Wegen und Gaͤngen. Unterſchied machen, der es nicht gleichguͤltig laͤßt, ob der Weg auf dieſer oder auf jener Seite dahin laͤuft. Die Wendungen der Gaͤnge muͤſſen nicht ploͤtzlich gebrochen ſeyn, es ſey denn an einzelnen Stellen, wo man eine Ueberraſchung des Wandelnden zur Abſicht hat, ihn auf eine Scene, auf eine Ausſicht fallen laſſen will, die er nicht erwarten ſollte. Im uͤbrigen muͤſſen die Wendungen ſich ſanft dahin ſchmiegen, ohne Ziererey und ohne Zwang, und weder ſcharf abgeſchnitten, noch verwirrt noch verflochten ſeyn. Außer der Abaͤnderung, welche die Kruͤmmung des Weges ſelbſt giebt, kann er noch mehr Abwechſelung gewinnen, indem er zuweilen in kleine Grasplaͤtze, zwi- ſchen den Baͤumen und Gebuͤſchen auslaͤuft, bald ſich ſenket, bald ſich wieder erhebt, bald breiter, bald enger wird, bald umpflanzt, oder vom uͤberhaͤngenden Gebuͤſch be- deckt, bald frey und offen iſt. Zu einer Huͤtte oder kunſtloſen Einſiedeley mag ein enger Pfad ablaufen; ein gerader, breiter, freyer Gang fuͤhre zu einem Tempel oder einem andern glaͤnzenden Auftritte; und ein von Laub und Schatten uͤberwoͤlbter Weg ſchlaͤngele ſich zur melancholiſchen Scene im Thale hinab. Die groͤßere oder gerin- gere Bearbeitung der Wege richte ſich allemal nach den Auftritten, zwiſchen welchen ſie liegen, oder zu welchen ſie hinleiten. 3. Zur Verzierung der Gaͤnge dienen kleine Straͤucher und Blumen; doch iſt auch hier Ruͤckſicht auf die Gegend und ihre Scenen zu nehmen. Der Weg in einem ein- faͤltig laͤndlichen Bezirk bedarf keines beſondern Schmuckes; Gras und wilde Blu- men ſind genug zu ſeiner Einfaſſung. Wo man an heitern Abenden unter dem Sil- berſchein des freundlich herablaͤchelnden Mondes gerne luſtwandelt, da ſey der Gang mit Straͤuchern voll duftender Bluͤhten und mit wohlriechenden Kraͤutern beſetzt. Auf Wegen, die zu edlen und praͤchtigen Auftritten fuͤhren, moͤgen ſchoͤne Gebuͤſche und Blumen von ſchimmernden Farben zur Seite ihre ſtolzen Haͤupter erheben. Hier hat man beſonders auf Mannichfaltigkeit des Gruͤns und auf Lebhaftigkeit der Farben zu ſehen; die Naͤhe dieſer Gegenſtaͤnde locket den Beobachter herbey, haͤlt ihn auf, be- ſchaͤftigt ihn, und er findet Unterhaltung, wo er nur einen Durchgang ſuchte. Wenn Gaͤnge nur die noͤthige Bequemlichkeit haben, ſo duͤrfen ſie nicht unter einem ſo aͤngſtlichen Ausputz, der ſchon durch das kleinſte emporſprießende Graͤschen beleidigt wird, gehalten werden. Sie ſollen nicht den ſaubern Boͤden in unſern Prunkzimmern gleichen, ſondern vielmehr einen Theil von dem Sorgloſen und Nach- laͤſſigen R 3

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 2. Leipzig, 1780, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst2_1780/137>, abgerufen am 24.11.2024.