Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 2. Leipzig, 1780.Vom Gartenplatz. Zeichnung wagen darf. Daher immer nur aufs Papier und nie auf dasLand gesehen; daher die ewige Einförmigkeit, die überall ihr trauriges Anse- hen über die europäischen Gärten verbreitete, weil man es nie sich einfallen ließ, den zu Rathe zu ziehen, der am besten unterrichten konnte, den Genius des Erd- bodens. Nicht genug kann es eingeschärft werden, daß man der Natur folgen, nicht Man kann Plätze bereichern, die arm sind; man kann Theile trennen ten, *) S. Theorie der Gartenkunst, 1. B. S. 214 u. f. 220 u. s. w. II Band. B
Vom Gartenplatz. Zeichnung wagen darf. Daher immer nur aufs Papier und nie auf dasLand geſehen; daher die ewige Einfoͤrmigkeit, die uͤberall ihr trauriges Anſe- hen uͤber die europaͤiſchen Gaͤrten verbreitete, weil man es nie ſich einfallen ließ, den zu Rathe zu ziehen, der am beſten unterrichten konnte, den Genius des Erd- bodens. Nicht genug kann es eingeſchaͤrft werden, daß man der Natur folgen, nicht Man kann Plaͤtze bereichern, die arm ſind; man kann Theile trennen ten, *) S. Theorie der Gartenkunſt, 1. B. S. 214 u. f. 220 u. ſ. w. II Band. B
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Vom Gartenplatz.
Zeichnung wagen darf. Daher immer nur aufs Papier und nie auf das
Land geſehen; daher die ewige Einfoͤrmigkeit, die uͤberall ihr trauriges Anſe-
hen uͤber die europaͤiſchen Gaͤrten verbreitete, weil man es nie ſich einfallen ließ,
den zu Rathe zu ziehen, der am beſten unterrichten konnte, den Genius des Erd-
bodens.
Nicht genug kann es eingeſchaͤrft werden, daß man der Natur folgen, nicht
aber ſie mit gemisbrauchter Arbeit und Koſten verderben, nicht, in der Abſicht zu
verſchoͤnern, ſeltſame Verunſtaltungen erzwingen ſoll; daß man den Plan zur Anle-
gung eines Gartens nicht nach einem einzelnen Modell, das gefallen hat, ent-
werfen, ſondern allemal Ruͤckſicht auf die beſondere Beſchaffenheit der Gegend
nehmen ſoll, worin man bauet. Bey dieſem Verfahren wird man mehr der
Natur getreu bleiben; mehrere Gaͤrten werden ſchoͤn ſeyn, ohne genaue Copien zu
werden.
Man kann Plaͤtze bereichern, die arm ſind; man kann Theile trennen
und ſie wieder verbinden; man kann oͤffnen und verſchließen, Licht oder Dunkel-
heit, Freude oder Trauer in eine Gegend bringen; man kann den Charakter
verſtaͤrken oder ſchwaͤchen, die Wirkungen beſtimmter, feiner, intereſſanter und
eindringender machen. Allein bey dieſen Kraͤften ſoll die Kunſt nie zu ver-
wegenen Verſuchen ſich verirren, die Natur ganz umzukehren; ſie ſoll mehr
zur Ausbildung, als zur gaͤnzlichen Umſchaffung ſie anzuwenden ſuchen. Der
Zwang verdraͤngt oft die eigenthuͤmlichen Vorzuͤge eines Orts; er arbeitet wi-
der den Charakter der Gegend Schoͤnheiten hinein, die es hier nicht mehr ſind,
und zerſtoͤrt das Original durch die Bemuͤhung, eine Nachahmung daraus zu
machen. — Die Natur hat einige Gegenden, die ſich eben ſo wenig durch die
Kunſt umbilden, als durch ſie hervorbringen laſſen, wie die romantiſche und
die feyerliche Gegend. *) Wie will die Kunſt alle dieſe ſeltſamen, dieſe großen
Gegenſtaͤnde und ihre Verbindungen, dieſe Gebuͤrge, dieſe Felſen, dieſe Ge-
waͤſſer, dieſe Ausſichten ſchaffen? — Auch in unbedeutenden Gegenden, die
keinen Charakter haben, in Gegenden von einer Beſchaffenheit, die der Beſtim-
mung der Gaͤrten gerade entgegen geſetzt iſt, darf die Kunſt ihre Kraͤfte nicht
verſchwenden; ſie wird nachhelfen, ſie wird veraͤndern koͤnnen; aber ſie wird nur ſel-
ten,
*) S. Theorie der Gartenkunſt, 1. B. S. 214 u. f. 220 u. ſ. w.
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Zitationshilfe: | Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 2. Leipzig, 1780, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst2_1780/13>, abgerufen am 21.07.2024. |