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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 1. Leipzig, 1779.

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Erster Abschnitt. Aussicht in die Gärten
selung und Folge so vieler, die in jedem herrschende Einförmigkeit und ermüdende
Regelmäßigkeit nicht bemerken kann.

Vorzüglich zeichnen sich auch die Gegenden von Harlem nach Amsterdam,
und von Catwic nach Woerden durch schöne Landhäuser aus. -- Diese Gebäude,
die oft in die Canäle hineingeführt zu seyn scheinen, sind zierlich, ohne prächtig zu
seyn. Die reichsten Besitzer leben darin mit einem Anstande, der vom Uebermaaß
entfernt ist, und sich mit der Bequemlichkeit begnügt.

Die Gärten der Holländer sind übrigens im alten französischen Geschmack,
mit geraden Linien und einem Ueberfluß von Ordnung und Regelmäßigkeit. Denn
ob man gleich zuweilen einen eigenen holländischen Gartengeschmack hat annehmen
wollen, so lassen sich doch wohl die Gränzlinien, wo er von dem französischen sich
unterscheiden sollte, nicht leicht entdecken. Symmetrie und Ueberfluß der Verzierung
ist beyden eigen, oder machen vielmehr aus beyden nur eins. Wenn indessen noch
irgend ein Unterschied bemerkbar seyn sollte, so möchte er in der engern Zusammen-
ziehung, in der Menge kleiner Spielwerke von Zierrathen, und in dem tiefen, stehen-
den oder dahin schleichenden Wasser liegen, welches alles man mehr in den hollän-
dischen
Gärten wahrnimmt. -- Sonst sind selbst die berühmten Gärten bey den
Lustschlössern zu Ryswik, Houslaerdick, Sorguliet voll von zierlichen Abmessun-
gen und gekünstelten Anlagen.

Ein sonderbarer Geschmack der Holländer ist es, daß sie ihre Gartenplätze so
gerne mit Canälen und Graben durchschneiden, worin das stehende Wasser, das tief,
dunkel und ohne alle Schönheit ist, aus Mangel der Bewegung und des Abflusses
noch dazu ungesunde Dünste verbreitet. Dieser Geschmack, den die Gothen nicht
schlechter hätten einführen können, scheint aus der Natur ihres Landes entstanden,
und durch die Gewohnheit ihnen ehrwürdig geworden zu seyn, so sehr er auch gegen
alle Vernunft ist. Selbst nach Ostindien haben sie ihn ausgebreitet. Auf der
Landseite um Batavia her sind die Gegenden wohl auf einige Meilen weit voll Land-
häuser und Gärten. Allein auch hier haben sie alles mit Canälen durchwässert, um
die böse Luft noch giftiger zu machen; jeder Garten, jedes Stück Feld ist mit einem
besondern Graben durchschnitten, der die unreinen Pfützen und Moräste vermehren
hilft. Man hat sogar oft Kosten verschwendet, um ein Lusthaus oder einen Garten
selbst auf einer Anhöhe mit einem Graben einzufassen.

Man weiß übrigens, daß lange Zeit die vortrefflichen Blumenarten den
holländischen Gärten einen eigenen Vorzug gaben. Ihre Besitzer glaubten sie

nicht

Erſter Abſchnitt. Ausſicht in die Gaͤrten
ſelung und Folge ſo vieler, die in jedem herrſchende Einfoͤrmigkeit und ermuͤdende
Regelmaͤßigkeit nicht bemerken kann.

Vorzuͤglich zeichnen ſich auch die Gegenden von Harlem nach Amſterdam,
und von Catwic nach Woerden durch ſchoͤne Landhaͤuſer aus. — Dieſe Gebaͤude,
die oft in die Canaͤle hineingefuͤhrt zu ſeyn ſcheinen, ſind zierlich, ohne praͤchtig zu
ſeyn. Die reichſten Beſitzer leben darin mit einem Anſtande, der vom Uebermaaß
entfernt iſt, und ſich mit der Bequemlichkeit begnuͤgt.

Die Gaͤrten der Hollaͤnder ſind uͤbrigens im alten franzoͤſiſchen Geſchmack,
mit geraden Linien und einem Ueberfluß von Ordnung und Regelmaͤßigkeit. Denn
ob man gleich zuweilen einen eigenen hollaͤndiſchen Gartengeſchmack hat annehmen
wollen, ſo laſſen ſich doch wohl die Graͤnzlinien, wo er von dem franzoͤſiſchen ſich
unterſcheiden ſollte, nicht leicht entdecken. Symmetrie und Ueberfluß der Verzierung
iſt beyden eigen, oder machen vielmehr aus beyden nur eins. Wenn indeſſen noch
irgend ein Unterſchied bemerkbar ſeyn ſollte, ſo moͤchte er in der engern Zuſammen-
ziehung, in der Menge kleiner Spielwerke von Zierrathen, und in dem tiefen, ſtehen-
den oder dahin ſchleichenden Waſſer liegen, welches alles man mehr in den hollaͤn-
diſchen
Gaͤrten wahrnimmt. — Sonſt ſind ſelbſt die beruͤhmten Gaͤrten bey den
Luſtſchloͤſſern zu Ryswik, Houslaerdick, Sorguliet voll von zierlichen Abmeſſun-
gen und gekuͤnſtelten Anlagen.

Ein ſonderbarer Geſchmack der Hollaͤnder iſt es, daß ſie ihre Gartenplaͤtze ſo
gerne mit Canaͤlen und Graben durchſchneiden, worin das ſtehende Waſſer, das tief,
dunkel und ohne alle Schoͤnheit iſt, aus Mangel der Bewegung und des Abfluſſes
noch dazu ungeſunde Duͤnſte verbreitet. Dieſer Geſchmack, den die Gothen nicht
ſchlechter haͤtten einfuͤhren koͤnnen, ſcheint aus der Natur ihres Landes entſtanden,
und durch die Gewohnheit ihnen ehrwuͤrdig geworden zu ſeyn, ſo ſehr er auch gegen
alle Vernunft iſt. Selbſt nach Oſtindien haben ſie ihn ausgebreitet. Auf der
Landſeite um Batavia her ſind die Gegenden wohl auf einige Meilen weit voll Land-
haͤuſer und Gaͤrten. Allein auch hier haben ſie alles mit Canaͤlen durchwaͤſſert, um
die boͤſe Luft noch giftiger zu machen; jeder Garten, jedes Stuͤck Feld iſt mit einem
beſondern Graben durchſchnitten, der die unreinen Pfuͤtzen und Moraͤſte vermehren
hilft. Man hat ſogar oft Koſten verſchwendet, um ein Luſthaus oder einen Garten
ſelbſt auf einer Anhoͤhe mit einem Graben einzufaſſen.

Man weiß uͤbrigens, daß lange Zeit die vortrefflichen Blumenarten den
hollaͤndiſchen Gaͤrten einen eigenen Vorzug gaben. Ihre Beſitzer glaubten ſie

nicht
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[52/0066] Erſter Abſchnitt. Ausſicht in die Gaͤrten ſelung und Folge ſo vieler, die in jedem herrſchende Einfoͤrmigkeit und ermuͤdende Regelmaͤßigkeit nicht bemerken kann. Vorzuͤglich zeichnen ſich auch die Gegenden von Harlem nach Amſterdam, und von Catwic nach Woerden durch ſchoͤne Landhaͤuſer aus. — Dieſe Gebaͤude, die oft in die Canaͤle hineingefuͤhrt zu ſeyn ſcheinen, ſind zierlich, ohne praͤchtig zu ſeyn. Die reichſten Beſitzer leben darin mit einem Anſtande, der vom Uebermaaß entfernt iſt, und ſich mit der Bequemlichkeit begnuͤgt. Die Gaͤrten der Hollaͤnder ſind uͤbrigens im alten franzoͤſiſchen Geſchmack, mit geraden Linien und einem Ueberfluß von Ordnung und Regelmaͤßigkeit. Denn ob man gleich zuweilen einen eigenen hollaͤndiſchen Gartengeſchmack hat annehmen wollen, ſo laſſen ſich doch wohl die Graͤnzlinien, wo er von dem franzoͤſiſchen ſich unterſcheiden ſollte, nicht leicht entdecken. Symmetrie und Ueberfluß der Verzierung iſt beyden eigen, oder machen vielmehr aus beyden nur eins. Wenn indeſſen noch irgend ein Unterſchied bemerkbar ſeyn ſollte, ſo moͤchte er in der engern Zuſammen- ziehung, in der Menge kleiner Spielwerke von Zierrathen, und in dem tiefen, ſtehen- den oder dahin ſchleichenden Waſſer liegen, welches alles man mehr in den hollaͤn- diſchen Gaͤrten wahrnimmt. — Sonſt ſind ſelbſt die beruͤhmten Gaͤrten bey den Luſtſchloͤſſern zu Ryswik, Houslaerdick, Sorguliet voll von zierlichen Abmeſſun- gen und gekuͤnſtelten Anlagen. Ein ſonderbarer Geſchmack der Hollaͤnder iſt es, daß ſie ihre Gartenplaͤtze ſo gerne mit Canaͤlen und Graben durchſchneiden, worin das ſtehende Waſſer, das tief, dunkel und ohne alle Schoͤnheit iſt, aus Mangel der Bewegung und des Abfluſſes noch dazu ungeſunde Duͤnſte verbreitet. Dieſer Geſchmack, den die Gothen nicht ſchlechter haͤtten einfuͤhren koͤnnen, ſcheint aus der Natur ihres Landes entſtanden, und durch die Gewohnheit ihnen ehrwuͤrdig geworden zu ſeyn, ſo ſehr er auch gegen alle Vernunft iſt. Selbſt nach Oſtindien haben ſie ihn ausgebreitet. Auf der Landſeite um Batavia her ſind die Gegenden wohl auf einige Meilen weit voll Land- haͤuſer und Gaͤrten. Allein auch hier haben ſie alles mit Canaͤlen durchwaͤſſert, um die boͤſe Luft noch giftiger zu machen; jeder Garten, jedes Stuͤck Feld iſt mit einem beſondern Graben durchſchnitten, der die unreinen Pfuͤtzen und Moraͤſte vermehren hilft. Man hat ſogar oft Koſten verſchwendet, um ein Luſthaus oder einen Garten ſelbſt auf einer Anhoͤhe mit einem Graben einzufaſſen. Man weiß uͤbrigens, daß lange Zeit die vortrefflichen Blumenarten den hollaͤndiſchen Gaͤrten einen eigenen Vorzug gaben. Ihre Beſitzer glaubten ſie nicht

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 1. Leipzig, 1779, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst1_1779/66>, abgerufen am 25.11.2024.