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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 1. Leipzig, 1779.

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Erster Abschnitt. Aussicht in die Gärten
Rinde gegraben ist. Einer davon drückt sich in der Ungewißheit über die Verfassung,
worin sich der, zu welchem geredet wird, befinden kann, also aus:

De ce riant sejour, de ce paisible ombrage
Eprouvez les charmes secrets.
Infortunes, retrouvez -- y la paix;
Heureux, soyez -- le davantage!

Ein anderer nimmt mehr den Ton der Ueberlegung an:

Consacrer dans l'obscurite
Ses loisirs a l'etude, a l'amitie sa vie,
Voila des jours dignes d'envie.
Etre cheri, vaut mieux qu'etre vante.

Wenn Sie voll Nachdenken über diese Maxime, wovon das Herz besser urtheilt,
als der Verstand, auf diesem Wege umherzuschweifen fortfahren, so werden Sie
bald eine von den Brücken, wovon ich geredet habe, gewahr werden.

Zwölf kleine Fahrzeuge halten einige Zolle über der Oberfläche des Wassers
einen Fußboden, hundert Fuß lang, und breit genug, daß zwo Personen darauf Platz
haben. Auf beyden Seiten stehen Kasten mit Blumen. Die Zwischenräume sind mit
rautenförmigem Gitterwerke erfüllt, durch welches die Blicke das Wasser gewahr werden.
Die Brücke, die weiß gemalt und mit Blumen geschmückt ist, ladet Sie ein, hinab-
zusteigen. Die Ansichten sind bey jedem Schritte verschieden, und in der Mitte, wo
sich der Raum erweitert, stehen Sitze. Man verweilt sich, um das ländliche Gemälde
zu betrachten, das man auf allen Seiten erblickt. Man genießt den Duft der Blumen
mit der Kühlung des Wassers, das man unter dem Fußboden, auf welchem man sitzt,
hinwegfließen sieht. Hier bringen Ihre Freunde einige angenehme Abende zu, indem
sie sich von ihren Beschäftigungen, von den Gegenständen ihres Geschmacks, von
ihren Reisen unterhalten; und einer von ihnen hat da diese Verse hingeschrieben.

Des jours heureux, voici l'image.
Les Dieux sur nous versent-ils leurs faveurs?
Ils offrent sur notre passage
Quelques afpects riants du repos & des Fleurs.

Aber wir wollen zu unserm Spaziergang zurückkehren und uns an das äußerste
Ende der größten Insel begeben, davon wir schon einige Theile durchgewandelt haben.
Man geht mitten durch einen Wald von Weiden, und gelangt auf gewundenen und
schattigten Gängen zu dem Orte, wo der Fluß zween Canäle bildet, die diesen Platz
einfassen, ehe sie wieder in den Fluß zurückfallen.

An

Erſter Abſchnitt. Ausſicht in die Gaͤrten
Rinde gegraben iſt. Einer davon druͤckt ſich in der Ungewißheit uͤber die Verfaſſung,
worin ſich der, zu welchem geredet wird, befinden kann, alſo aus:

De ce riant ſéjour, de ce paiſible ombrage
Eprouvez les charmes ſecrets.
Infortunés, retrouvez — y la paix;
Heureux, ſoyez — le davantage!

Ein anderer nimmt mehr den Ton der Ueberlegung an:

Conſacrer dans l’obſcurité
Ses loiſirs à l’étude, à l’amitié ſa vie,
Voilà des jours dignes d’envie.
Etre chéri, vaut mieux qu’être vanté.

Wenn Sie voll Nachdenken uͤber dieſe Maxime, wovon das Herz beſſer urtheilt,
als der Verſtand, auf dieſem Wege umherzuſchweifen fortfahren, ſo werden Sie
bald eine von den Bruͤcken, wovon ich geredet habe, gewahr werden.

Zwoͤlf kleine Fahrzeuge halten einige Zolle uͤber der Oberflaͤche des Waſſers
einen Fußboden, hundert Fuß lang, und breit genug, daß zwo Perſonen darauf Platz
haben. Auf beyden Seiten ſtehen Kaſten mit Blumen. Die Zwiſchenraͤume ſind mit
rautenfoͤrmigem Gitterwerke erfuͤllt, durch welches die Blicke das Waſſer gewahr werden.
Die Bruͤcke, die weiß gemalt und mit Blumen geſchmuͤckt iſt, ladet Sie ein, hinab-
zuſteigen. Die Anſichten ſind bey jedem Schritte verſchieden, und in der Mitte, wo
ſich der Raum erweitert, ſtehen Sitze. Man verweilt ſich, um das laͤndliche Gemaͤlde
zu betrachten, das man auf allen Seiten erblickt. Man genießt den Duft der Blumen
mit der Kuͤhlung des Waſſers, das man unter dem Fußboden, auf welchem man ſitzt,
hinwegfließen ſieht. Hier bringen Ihre Freunde einige angenehme Abende zu, indem
ſie ſich von ihren Beſchaͤftigungen, von den Gegenſtaͤnden ihres Geſchmacks, von
ihren Reiſen unterhalten; und einer von ihnen hat da dieſe Verſe hingeſchrieben.

Des jours heureux, voici l’image.
Les Dieux ſur nous verſent-ils leurs faveurs?
Ils offrent ſur notre paſſage
Quelques afpects riants du repos & des Fleurs.

Aber wir wollen zu unſerm Spaziergang zuruͤckkehren und uns an das aͤußerſte
Ende der groͤßten Inſel begeben, davon wir ſchon einige Theile durchgewandelt haben.
Man geht mitten durch einen Wald von Weiden, und gelangt auf gewundenen und
ſchattigten Gaͤngen zu dem Orte, wo der Fluß zween Canaͤle bildet, die dieſen Platz
einfaſſen, ehe ſie wieder in den Fluß zuruͤckfallen.

An
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[44/0058] Erſter Abſchnitt. Ausſicht in die Gaͤrten Rinde gegraben iſt. Einer davon druͤckt ſich in der Ungewißheit uͤber die Verfaſſung, worin ſich der, zu welchem geredet wird, befinden kann, alſo aus: De ce riant ſéjour, de ce paiſible ombrage Eprouvez les charmes ſecrets. Infortunés, retrouvez — y la paix; Heureux, ſoyez — le davantage! Ein anderer nimmt mehr den Ton der Ueberlegung an: Conſacrer dans l’obſcurité Ses loiſirs à l’étude, à l’amitié ſa vie, Voilà des jours dignes d’envie. Etre chéri, vaut mieux qu’être vanté. Wenn Sie voll Nachdenken uͤber dieſe Maxime, wovon das Herz beſſer urtheilt, als der Verſtand, auf dieſem Wege umherzuſchweifen fortfahren, ſo werden Sie bald eine von den Bruͤcken, wovon ich geredet habe, gewahr werden. Zwoͤlf kleine Fahrzeuge halten einige Zolle uͤber der Oberflaͤche des Waſſers einen Fußboden, hundert Fuß lang, und breit genug, daß zwo Perſonen darauf Platz haben. Auf beyden Seiten ſtehen Kaſten mit Blumen. Die Zwiſchenraͤume ſind mit rautenfoͤrmigem Gitterwerke erfuͤllt, durch welches die Blicke das Waſſer gewahr werden. Die Bruͤcke, die weiß gemalt und mit Blumen geſchmuͤckt iſt, ladet Sie ein, hinab- zuſteigen. Die Anſichten ſind bey jedem Schritte verſchieden, und in der Mitte, wo ſich der Raum erweitert, ſtehen Sitze. Man verweilt ſich, um das laͤndliche Gemaͤlde zu betrachten, das man auf allen Seiten erblickt. Man genießt den Duft der Blumen mit der Kuͤhlung des Waſſers, das man unter dem Fußboden, auf welchem man ſitzt, hinwegfließen ſieht. Hier bringen Ihre Freunde einige angenehme Abende zu, indem ſie ſich von ihren Beſchaͤftigungen, von den Gegenſtaͤnden ihres Geſchmacks, von ihren Reiſen unterhalten; und einer von ihnen hat da dieſe Verſe hingeſchrieben. Des jours heureux, voici l’image. Les Dieux ſur nous verſent-ils leurs faveurs? Ils offrent ſur notre paſſage Quelques afpects riants du repos & des Fleurs. Aber wir wollen zu unſerm Spaziergang zuruͤckkehren und uns an das aͤußerſte Ende der groͤßten Inſel begeben, davon wir ſchon einige Theile durchgewandelt haben. Man geht mitten durch einen Wald von Weiden, und gelangt auf gewundenen und ſchattigten Gaͤngen zu dem Orte, wo der Fluß zween Canaͤle bildet, die dieſen Platz einfaſſen, ehe ſie wieder in den Fluß zuruͤckfallen. An

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 1. Leipzig, 1779, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst1_1779/58>, abgerufen am 25.11.2024.