Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 1. Leipzig, 1779.Erster Abschnitt. Aussicht in die Gärten mit ihren grauen felsigten Höhen, gebrochenen Absätzen und Wasserfällen, mit ihrenDörfern und bebaueten Plätzen; die Seen und Flüsse in den Ebenen; die Viehtrif- ten; die einzeln zerstreuten Hütten der Freyheit; die größtentheils kühnen Lagen der Städte und alter Schlösser; die reizenden Fluren voll Obstbäume und Weingärten -- alles dieses vereinigt sich, eine so unendliche Mannigfaltigkeit von schönen Prospecten zu bilden, deren sich nur wenige Weltgegenden rühmen können. Der Freund des Landlebens hat hier also einen wesentlichen Theil seines Vergnügens, eine Menge zau- berischer Aussichten, die er aus seinem Garten genießen kann, und deren froher Ge- nuß mich ehemals zu einigen Schilderungen derselben belebte. *) Die sanften Ab- hänge der Berge bieten ihm die schönsten Lagen für Landhäuser an, und von den Höhen herab eilt ihm das reinste Wasser freywillig entgegen. Weil die Natur sich so mild gegen die Schweizer beweiset, so folgen sie auch Und wie viele reizende Gegenden dieses Landes sind nicht mit Landhäusern und zingeln, *) Das Landleben. Vierte Aufl. 8. Leipzig 1776. und Briefe, die Schweiz betreffend.
Neue Ausgabe, 8. Leipzig, 1776. Erſter Abſchnitt. Ausſicht in die Gaͤrten mit ihren grauen felſigten Hoͤhen, gebrochenen Abſaͤtzen und Waſſerfaͤllen, mit ihrenDoͤrfern und bebaueten Plaͤtzen; die Seen und Fluͤſſe in den Ebenen; die Viehtrif- ten; die einzeln zerſtreuten Huͤtten der Freyheit; die groͤßtentheils kuͤhnen Lagen der Staͤdte und alter Schloͤſſer; die reizenden Fluren voll Obſtbaͤume und Weingaͤrten — alles dieſes vereinigt ſich, eine ſo unendliche Mannigfaltigkeit von ſchoͤnen Proſpecten zu bilden, deren ſich nur wenige Weltgegenden ruͤhmen koͤnnen. Der Freund des Landlebens hat hier alſo einen weſentlichen Theil ſeines Vergnuͤgens, eine Menge zau- beriſcher Ausſichten, die er aus ſeinem Garten genießen kann, und deren froher Ge- nuß mich ehemals zu einigen Schilderungen derſelben belebte. *) Die ſanften Ab- haͤnge der Berge bieten ihm die ſchoͤnſten Lagen fuͤr Landhaͤuſer an, und von den Hoͤhen herab eilt ihm das reinſte Waſſer freywillig entgegen. Weil die Natur ſich ſo mild gegen die Schweizer beweiſet, ſo folgen ſie auch Und wie viele reizende Gegenden dieſes Landes ſind nicht mit Landhaͤuſern und zingeln, *) Das Landleben. Vierte Aufl. 8. Leipzig 1776. und Briefe, die Schweiz betreffend.
Neue Ausgabe, 8. Leipzig, 1776. <TEI> <text> <body> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0048" n="34"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Erſter Abſchnitt. Ausſicht in die Gaͤrten</hi></fw><lb/> mit ihren grauen felſigten Hoͤhen, gebrochenen Abſaͤtzen und Waſſerfaͤllen, mit ihren<lb/> Doͤrfern und bebaueten Plaͤtzen; die Seen und Fluͤſſe in den Ebenen; die Viehtrif-<lb/> ten; die einzeln zerſtreuten Huͤtten der Freyheit; die groͤßtentheils kuͤhnen Lagen der<lb/> Staͤdte und alter Schloͤſſer; die reizenden Fluren voll Obſtbaͤume und Weingaͤrten —<lb/> alles dieſes vereinigt ſich, eine ſo unendliche Mannigfaltigkeit von ſchoͤnen Proſpecten<lb/> zu bilden, deren ſich nur wenige Weltgegenden ruͤhmen koͤnnen. Der Freund des<lb/> Landlebens hat hier alſo einen weſentlichen Theil ſeines Vergnuͤgens, eine Menge zau-<lb/> beriſcher Ausſichten, die er aus ſeinem Garten genießen kann, und deren froher Ge-<lb/> nuß mich ehemals zu einigen Schilderungen derſelben belebte. <note place="foot" n="*)">Das Landleben. Vierte Aufl. 8. Leipzig 1776. und Briefe, die Schweiz betreffend.<lb/> Neue Ausgabe, 8. Leipzig, 1776.</note> Die ſanften Ab-<lb/> haͤnge der Berge bieten ihm die ſchoͤnſten Lagen fuͤr Landhaͤuſer an, und von den Hoͤhen<lb/> herab eilt ihm das reinſte Waſſer freywillig entgegen.</p><lb/> <p>Weil die Natur ſich ſo mild gegen die <hi rendition="#fr">Schweizer</hi> beweiſet, ſo folgen ſie auch<lb/> ihrem Wink. Ihre Gaͤrten ſind faſt durchgehends Schauplaͤtze wahrer natuͤrlicher<lb/> Schoͤnheiten, entfernt von leeren Zierrathen und kleinen Kuͤnſteleyen. Ausgedehnte<lb/> Ausſichten, die ſchoͤnſten Wieſen in der Naͤhe rings umher, viel ſpringendes Gewaͤſſer,<lb/> Fruchtbaͤume, Weinreben, zuweilen ein Blumenbeet, erhoͤhete Raſenſitze, von wel-<lb/> chen das Auge frey in die umherliegende Gegend ſchweifen kann, einige ſchattigte<lb/> Lauben, nur ſehr ſelten eine Statue. — Indem Natur und Fleiß die Landſchaft<lb/> umher zu verſchoͤnern wetteifern, ſo begnuͤgt man ſich mit dem Genuß dieſer Reizun-<lb/> gen, und verachtet die eiteln Bemuͤhungen, den Gartenplatz mit Taͤndeleyen zu fuͤllen.<lb/> In ihren Landhaͤuſern iſt keine Pracht, nur Bequemlichkeit; ſie empfehlen ſich mehr<lb/> durch die geſunde und herrliche Lage, als durch die Architektur.</p><lb/> <p>Und wie viele reizende Gegenden dieſes Landes ſind nicht mit Landhaͤuſern und<lb/> Gaͤrten bebauet! Die beyden Ufer des <hi rendition="#fr">Zuͤrcher Sees,</hi> deſſen Schoͤnheit nur ein<lb/><hi rendition="#fr">Geßner</hi> in der Idylle, nur ein <hi rendition="#fr">Aberli</hi> im Gemaͤlde nachbilden kann, ſind zwiſchen<lb/> einer Menge reicher Doͤrfer mit Landguͤtern und Luſtgaͤrten bepflanzt. Hinter ihnen<lb/> erhebt ſich ein langes Gebirge voll der fruchtbarſten Weinſtoͤcke; noch hoͤher erſcheinen<lb/> Felder und Wieſen in der anmuthigſten Abwechſelung, und Tannenwaͤlder ſchließen<lb/> den dunklern Geſichtskreis. Nicht weniger iſt die Gegend um den <hi rendition="#fr">Genferſee</hi> mit<lb/> Landhaͤuſern beſaͤet, die ſich unter ſo mancherley ſchoͤnen Ausſichten mit einem male-<lb/> riſchen Reiz heben, und in der Ferne auf das Auge des Reiſenden eine bezaubernde<lb/> Wirkung thun. Wohin ſich der <hi rendition="#fr">Blick</hi> wendet, wird er durch die Ausſicht entzuͤcket,<lb/> bald nach dem praͤchtigen See hin und den Segeln, die ihn beleben, bald nach den<lb/> Luſtgefilden, Weinbergen, Wieſen, Waͤldchen, Hirtenhuͤtten, die ſeine Ufer um-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">zingeln,</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [34/0048]
Erſter Abſchnitt. Ausſicht in die Gaͤrten
mit ihren grauen felſigten Hoͤhen, gebrochenen Abſaͤtzen und Waſſerfaͤllen, mit ihren
Doͤrfern und bebaueten Plaͤtzen; die Seen und Fluͤſſe in den Ebenen; die Viehtrif-
ten; die einzeln zerſtreuten Huͤtten der Freyheit; die groͤßtentheils kuͤhnen Lagen der
Staͤdte und alter Schloͤſſer; die reizenden Fluren voll Obſtbaͤume und Weingaͤrten —
alles dieſes vereinigt ſich, eine ſo unendliche Mannigfaltigkeit von ſchoͤnen Proſpecten
zu bilden, deren ſich nur wenige Weltgegenden ruͤhmen koͤnnen. Der Freund des
Landlebens hat hier alſo einen weſentlichen Theil ſeines Vergnuͤgens, eine Menge zau-
beriſcher Ausſichten, die er aus ſeinem Garten genießen kann, und deren froher Ge-
nuß mich ehemals zu einigen Schilderungen derſelben belebte. *) Die ſanften Ab-
haͤnge der Berge bieten ihm die ſchoͤnſten Lagen fuͤr Landhaͤuſer an, und von den Hoͤhen
herab eilt ihm das reinſte Waſſer freywillig entgegen.
Weil die Natur ſich ſo mild gegen die Schweizer beweiſet, ſo folgen ſie auch
ihrem Wink. Ihre Gaͤrten ſind faſt durchgehends Schauplaͤtze wahrer natuͤrlicher
Schoͤnheiten, entfernt von leeren Zierrathen und kleinen Kuͤnſteleyen. Ausgedehnte
Ausſichten, die ſchoͤnſten Wieſen in der Naͤhe rings umher, viel ſpringendes Gewaͤſſer,
Fruchtbaͤume, Weinreben, zuweilen ein Blumenbeet, erhoͤhete Raſenſitze, von wel-
chen das Auge frey in die umherliegende Gegend ſchweifen kann, einige ſchattigte
Lauben, nur ſehr ſelten eine Statue. — Indem Natur und Fleiß die Landſchaft
umher zu verſchoͤnern wetteifern, ſo begnuͤgt man ſich mit dem Genuß dieſer Reizun-
gen, und verachtet die eiteln Bemuͤhungen, den Gartenplatz mit Taͤndeleyen zu fuͤllen.
In ihren Landhaͤuſern iſt keine Pracht, nur Bequemlichkeit; ſie empfehlen ſich mehr
durch die geſunde und herrliche Lage, als durch die Architektur.
Und wie viele reizende Gegenden dieſes Landes ſind nicht mit Landhaͤuſern und
Gaͤrten bebauet! Die beyden Ufer des Zuͤrcher Sees, deſſen Schoͤnheit nur ein
Geßner in der Idylle, nur ein Aberli im Gemaͤlde nachbilden kann, ſind zwiſchen
einer Menge reicher Doͤrfer mit Landguͤtern und Luſtgaͤrten bepflanzt. Hinter ihnen
erhebt ſich ein langes Gebirge voll der fruchtbarſten Weinſtoͤcke; noch hoͤher erſcheinen
Felder und Wieſen in der anmuthigſten Abwechſelung, und Tannenwaͤlder ſchließen
den dunklern Geſichtskreis. Nicht weniger iſt die Gegend um den Genferſee mit
Landhaͤuſern beſaͤet, die ſich unter ſo mancherley ſchoͤnen Ausſichten mit einem male-
riſchen Reiz heben, und in der Ferne auf das Auge des Reiſenden eine bezaubernde
Wirkung thun. Wohin ſich der Blick wendet, wird er durch die Ausſicht entzuͤcket,
bald nach dem praͤchtigen See hin und den Segeln, die ihn beleben, bald nach den
Luſtgefilden, Weinbergen, Wieſen, Waͤldchen, Hirtenhuͤtten, die ſeine Ufer um-
zingeln,
*) Das Landleben. Vierte Aufl. 8. Leipzig 1776. und Briefe, die Schweiz betreffend.
Neue Ausgabe, 8. Leipzig, 1776.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |