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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 1. Leipzig, 1779.

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Erster Abschnitt. Aussicht in die Gärten

Wenn die Häuser in der Stadt gewöhnlich nur von zwey Stockwerken waren,
so hatten insgemein die Villen nur eine Etage, wiewohl sich bey den neuern Entde-
ckungen Ausnahmen gefunden. [Spaltenumbruch] *) Nach dem Bericht des Valerius Maximus **)
ward indessen M. Aemilius Porcina zu einer Geldstrafe verurtheilt, weil er ein
Landhaus in der Nachbarschaft von Rom zu hoch gebauet hatte.

Der Kühlung sowohl als der Zierde wegen wurden die innern Wände mit
Marmor von mancherley Farben ausgelegt. Selbst in die Zimmer ward springen-
des Wasser geleitet.

An picturata lucentia marmora vena
Mirer? an emissas per cuncta cubilia lymphas? ***)

Die Wohnzimmer waren nach den Jahrszeiten verschieden eingerichtet; und die
Speisesäle lagen gemeiniglich da, wo man während der Tafel die angenehmste Aus-
sicht haben konnte. Durch viele Fenster verschaffte man nicht allein den innern Thei-
len Heiterkeit und Glanz, sondern lockte auch Wärme oder Kühlung herein. Die
innern Verzierungen mit Marmor, mosaischer Arbeit, Elfenbein, Gold, Gemälden
und Statuen (die aber doch zum Theil Bildnisse berühmter Vorfahren und anderer
großen Männer vorstellten, deren Andenken Nacheiferer erwecken konnte,) wurden zu-
letzt so häufig, daß sie nicht mehr Gegenstände des Geschmacks und der Anmuth, son-
dern einer gesuchten Ueppigkeit waren. ****)

Nahe umher Hallen mit schönen Säulen, deren Schönheit von der Länge ver-
mehrt ward, und worunter sie bey Regen und Hitze einen bequemen Spaziergang
fanden; andere Gänge, einige offen, einige bedeckt, von Bäumen und Gebüsch
schattigt. In dem nähern und entferntern Bezirk umher Bäder, Vogelhäuser,
Thiergärten, Fischteiche und große Wasserbehältnisse, Weinberge, Schattengänge
Gärten. -- Zuweilen ward selbst die Natur gezwungen, sich dem Geschmack oder
Eigensinn zu unterwerfen.

Mons erat hic, vbi plana vides; haec lustra fuerunt,
Quae nunc tecta subis; vbi nunc nemora ardua cernis,
Hic
*) Winkelmanns Anmerk. über die Bau-
kunst der Alten S. 34. Einige neuerlich
entdeckte Villen beschreibt er im Sendschrei-
ben von den Herkulanischen Entdeckungen
S. 27-29. und in den Nachrichten von
den Herkulanischen Entdeckungen S. 24.
[Spaltenumbruch] 25. Andere Ruinen von römischen Villen
werden in Volkmanns Nachrichten von
Italien an ihrem Ort häufig angezeigt.
**) Lib. 8. cap. 1.
***) Statius in Tiburt. Manl. Vopis.
****) Senec. Epist. 86. Stat. 1. 3. sylv.
Erſter Abſchnitt. Ausſicht in die Gaͤrten

Wenn die Haͤuſer in der Stadt gewoͤhnlich nur von zwey Stockwerken waren,
ſo hatten insgemein die Villen nur eine Etage, wiewohl ſich bey den neuern Entde-
ckungen Ausnahmen gefunden. [Spaltenumbruch] *) Nach dem Bericht des Valerius Maximus **)
ward indeſſen M. Aemilius Porcina zu einer Geldſtrafe verurtheilt, weil er ein
Landhaus in der Nachbarſchaft von Rom zu hoch gebauet hatte.

Der Kuͤhlung ſowohl als der Zierde wegen wurden die innern Waͤnde mit
Marmor von mancherley Farben ausgelegt. Selbſt in die Zimmer ward ſpringen-
des Waſſer geleitet.

An picturata lucentia marmora vena
Mirer? an emiſſas per cuncta cubilia lymphas? ***)

Die Wohnzimmer waren nach den Jahrszeiten verſchieden eingerichtet; und die
Speiſeſaͤle lagen gemeiniglich da, wo man waͤhrend der Tafel die angenehmſte Aus-
ſicht haben konnte. Durch viele Fenſter verſchaffte man nicht allein den innern Thei-
len Heiterkeit und Glanz, ſondern lockte auch Waͤrme oder Kuͤhlung herein. Die
innern Verzierungen mit Marmor, moſaiſcher Arbeit, Elfenbein, Gold, Gemaͤlden
und Statuen (die aber doch zum Theil Bildniſſe beruͤhmter Vorfahren und anderer
großen Maͤnner vorſtellten, deren Andenken Nacheiferer erwecken konnte,) wurden zu-
letzt ſo haͤufig, daß ſie nicht mehr Gegenſtaͤnde des Geſchmacks und der Anmuth, ſon-
dern einer geſuchten Ueppigkeit waren. ****)

Nahe umher Hallen mit ſchoͤnen Saͤulen, deren Schoͤnheit von der Laͤnge ver-
mehrt ward, und worunter ſie bey Regen und Hitze einen bequemen Spaziergang
fanden; andere Gaͤnge, einige offen, einige bedeckt, von Baͤumen und Gebuͤſch
ſchattigt. In dem naͤhern und entferntern Bezirk umher Baͤder, Vogelhaͤuſer,
Thiergaͤrten, Fiſchteiche und große Waſſerbehaͤltniſſe, Weinberge, Schattengaͤnge
Gaͤrten. — Zuweilen ward ſelbſt die Natur gezwungen, ſich dem Geſchmack oder
Eigenſinn zu unterwerfen.

Mons erat hic, vbi plana vides; haec luſtra fuerunt,
Quae nunc tecta ſubis; vbi nunc nemora ardua cernis,
Hic
*) Winkelmanns Anmerk. uͤber die Bau-
kunſt der Alten S. 34. Einige neuerlich
entdeckte Villen beſchreibt er im Sendſchrei-
ben von den Herkulaniſchen Entdeckungen
S. 27-29. und in den Nachrichten von
den Herkulaniſchen Entdeckungen S. 24.
[Spaltenumbruch] 25. Andere Ruinen von roͤmiſchen Villen
werden in Volkmanns Nachrichten von
Italien an ihrem Ort haͤufig angezeigt.
**) Lib. 8. cap. 1.
***) Statius in Tiburt. Manl. Vopiſ.
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[18/0032] Erſter Abſchnitt. Ausſicht in die Gaͤrten Wenn die Haͤuſer in der Stadt gewoͤhnlich nur von zwey Stockwerken waren, ſo hatten insgemein die Villen nur eine Etage, wiewohl ſich bey den neuern Entde- ckungen Ausnahmen gefunden. *) Nach dem Bericht des Valerius Maximus **) ward indeſſen M. Aemilius Porcina zu einer Geldſtrafe verurtheilt, weil er ein Landhaus in der Nachbarſchaft von Rom zu hoch gebauet hatte. Der Kuͤhlung ſowohl als der Zierde wegen wurden die innern Waͤnde mit Marmor von mancherley Farben ausgelegt. Selbſt in die Zimmer ward ſpringen- des Waſſer geleitet. An picturata lucentia marmora vena Mirer? an emiſſas per cuncta cubilia lymphas? ***) Die Wohnzimmer waren nach den Jahrszeiten verſchieden eingerichtet; und die Speiſeſaͤle lagen gemeiniglich da, wo man waͤhrend der Tafel die angenehmſte Aus- ſicht haben konnte. Durch viele Fenſter verſchaffte man nicht allein den innern Thei- len Heiterkeit und Glanz, ſondern lockte auch Waͤrme oder Kuͤhlung herein. Die innern Verzierungen mit Marmor, moſaiſcher Arbeit, Elfenbein, Gold, Gemaͤlden und Statuen (die aber doch zum Theil Bildniſſe beruͤhmter Vorfahren und anderer großen Maͤnner vorſtellten, deren Andenken Nacheiferer erwecken konnte,) wurden zu- letzt ſo haͤufig, daß ſie nicht mehr Gegenſtaͤnde des Geſchmacks und der Anmuth, ſon- dern einer geſuchten Ueppigkeit waren. ****) Nahe umher Hallen mit ſchoͤnen Saͤulen, deren Schoͤnheit von der Laͤnge ver- mehrt ward, und worunter ſie bey Regen und Hitze einen bequemen Spaziergang fanden; andere Gaͤnge, einige offen, einige bedeckt, von Baͤumen und Gebuͤſch ſchattigt. In dem naͤhern und entferntern Bezirk umher Baͤder, Vogelhaͤuſer, Thiergaͤrten, Fiſchteiche und große Waſſerbehaͤltniſſe, Weinberge, Schattengaͤnge Gaͤrten. — Zuweilen ward ſelbſt die Natur gezwungen, ſich dem Geſchmack oder Eigenſinn zu unterwerfen. Mons erat hic, vbi plana vides; haec luſtra fuerunt, Quae nunc tecta ſubis; vbi nunc nemora ardua cernis, Hic *) Winkelmanns Anmerk. uͤber die Bau- kunſt der Alten S. 34. Einige neuerlich entdeckte Villen beſchreibt er im Sendſchrei- ben von den Herkulaniſchen Entdeckungen S. 27-29. und in den Nachrichten von den Herkulaniſchen Entdeckungen S. 24. 25. Andere Ruinen von roͤmiſchen Villen werden in Volkmanns Nachrichten von Italien an ihrem Ort haͤufig angezeigt. **) Lib. 8. cap. 1. ***) Statius in Tiburt. Manl. Vopiſ. ****) Senec. Epiſt. 86. Stat. 1. 3. ſylv.

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 1. Leipzig, 1779, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst1_1779/32>, abgerufen am 24.11.2024.