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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 1. Leipzig, 1779.

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der schönen ländlichen Natur überhaupt.
Schauspiel darbietet, das man sich nur vorstellen kann; die große und reiche Stadt
Neapel mit ihren drey Castellen, ihrem mit Schiffen von allen Nationen angefüllten
Hafen, ihren Palästen, Kirchen und unzähligen Klöstern; der prächtige Landstrich
von hier nach Portici, der mit schönen Landhäusern und Gärten bedeckt ist, und
nichts anders, als eine Fortsetzung der Stadt, zu seyn scheint; der Palast des Kö-
nigs mit vielen andern, die ihn umgeben, alle über den Dächern der vormaligen Pa-
läste von Herkulaneum erbauet, die durch die Ausbrüche des Vesuvs beynahe
hundert Fuß tief begraben worden; die schwarzen Felder von Lava, mit Gärten,
Weinbergen und Baumgärten untermischt; der Vesuv selbst in dem hintern Grunde
des Schauplatzes, der Bündel von Feuer und Rauch auswirft, die in der Luft über
unsern Häuptern breite Striche machen, welche sich, ohne gebrochen oder zerstreut
zu werden, bis an den äußersten Rand des Horizonts erstrecken; eine Menge von
schönen Städten und Dörfern rund um den Fuß des Berges, unbekümmert wegen
des über ihnen hängenden Verderbens, unter ihnen zum Theil die geheiligten Woh-
nungen der alten Römer. An den Berg stößt die ausgedehnte und romantische Kü-
ste von Castello Mare, Sorrentum und Mola, wo sich alle malerische Gegen-
stände der Natur in der größten Mannigfaltigkeit zeigen." -- Man stelle sich diese
Aussichten vor, wie sie Brydone genoß, aus der Mitte des Meerbusens, bey einer
Windstille, an einem heitern Nachmittage des Maymonats, in Stunden, wo die
Sonne sich allmählig ihrem Untergange nähert und allen Scenen ein schöneres Licht
zuwirft; diese Aussichten in eine solche ausgebreitete und mit dem größten Contrast
so vieler Gegenstände erfüllte Landschaft -- und man fasse, so weit es die Phantasie
vermag, den ganzen Genuß der Bewegungen, die sie hervorbringen mußten.

Die Natur zeigt wenig Landschaften, in welchen der Contrast so hervorstechend ist,
als in der eben angezeigten. Allein dem ohngeachtet ergötzt sie in allen Revieren von
einigem Umfang durch gewisse Grade des Contrastes; und so wie der Landschaftmaler
dieser Anleitung folgt, so soll auch der Gartenkünstler sie nicht aus der Acht lassen.

Zuvörderst sind in Ansehung der Hervorbringung des Contrastes diese allgemei-
nen Bemerkungen wahrzunehmen.

1) Nur in größern Landschaften, und nicht in einer abgezirkelten ländlichen
Gegend, ergötzt eigentlich die Natur durch den Contrast der Gegenstände. Der
Garten, worin Bewegungen dieser Art hervorgebracht werden sollen, muß daher
von einem nicht geringen Umfang seyn, wobey entweder schon die Natur vorgear-
beitet hat, oder doch die nöthigen Anlagen sich mit Bequemlichkeit machen lassen.
Auf einem kleinen Platz Contrast suchen, würde Ueberladung und also Verwirrung
werden.
2) Man
Z 3

der ſchoͤnen laͤndlichen Natur uͤberhaupt.
Schauſpiel darbietet, das man ſich nur vorſtellen kann; die große und reiche Stadt
Neapel mit ihren drey Caſtellen, ihrem mit Schiffen von allen Nationen angefuͤllten
Hafen, ihren Palaͤſten, Kirchen und unzaͤhligen Kloͤſtern; der praͤchtige Landſtrich
von hier nach Portici, der mit ſchoͤnen Landhaͤuſern und Gaͤrten bedeckt iſt, und
nichts anders, als eine Fortſetzung der Stadt, zu ſeyn ſcheint; der Palaſt des Koͤ-
nigs mit vielen andern, die ihn umgeben, alle uͤber den Daͤchern der vormaligen Pa-
laͤſte von Herkulaneum erbauet, die durch die Ausbruͤche des Veſuvs beynahe
hundert Fuß tief begraben worden; die ſchwarzen Felder von Lava, mit Gaͤrten,
Weinbergen und Baumgaͤrten untermiſcht; der Veſuv ſelbſt in dem hintern Grunde
des Schauplatzes, der Buͤndel von Feuer und Rauch auswirft, die in der Luft uͤber
unſern Haͤuptern breite Striche machen, welche ſich, ohne gebrochen oder zerſtreut
zu werden, bis an den aͤußerſten Rand des Horizonts erſtrecken; eine Menge von
ſchoͤnen Staͤdten und Doͤrfern rund um den Fuß des Berges, unbekuͤmmert wegen
des uͤber ihnen haͤngenden Verderbens, unter ihnen zum Theil die geheiligten Woh-
nungen der alten Roͤmer. An den Berg ſtoͤßt die ausgedehnte und romantiſche Kuͤ-
ſte von Caſtello Mare, Sorrentum und Mola, wo ſich alle maleriſche Gegen-
ſtaͤnde der Natur in der groͤßten Mannigfaltigkeit zeigen.“ — Man ſtelle ſich dieſe
Ausſichten vor, wie ſie Brydone genoß, aus der Mitte des Meerbuſens, bey einer
Windſtille, an einem heitern Nachmittage des Maymonats, in Stunden, wo die
Sonne ſich allmaͤhlig ihrem Untergange naͤhert und allen Scenen ein ſchoͤneres Licht
zuwirft; dieſe Ausſichten in eine ſolche ausgebreitete und mit dem groͤßten Contraſt
ſo vieler Gegenſtaͤnde erfuͤllte Landſchaft — und man faſſe, ſo weit es die Phantaſie
vermag, den ganzen Genuß der Bewegungen, die ſie hervorbringen mußten.

Die Natur zeigt wenig Landſchaften, in welchen der Contraſt ſo hervorſtechend iſt,
als in der eben angezeigten. Allein dem ohngeachtet ergoͤtzt ſie in allen Revieren von
einigem Umfang durch gewiſſe Grade des Contraſtes; und ſo wie der Landſchaftmaler
dieſer Anleitung folgt, ſo ſoll auch der Gartenkuͤnſtler ſie nicht aus der Acht laſſen.

Zuvoͤrderſt ſind in Anſehung der Hervorbringung des Contraſtes dieſe allgemei-
nen Bemerkungen wahrzunehmen.

1) Nur in groͤßern Landſchaften, und nicht in einer abgezirkelten laͤndlichen
Gegend, ergoͤtzt eigentlich die Natur durch den Contraſt der Gegenſtaͤnde. Der
Garten, worin Bewegungen dieſer Art hervorgebracht werden ſollen, muß daher
von einem nicht geringen Umfang ſeyn, wobey entweder ſchon die Natur vorgear-
beitet hat, oder doch die noͤthigen Anlagen ſich mit Bequemlichkeit machen laſſen.
Auf einem kleinen Platz Contraſt ſuchen, wuͤrde Ueberladung und alſo Verwirrung
werden.
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Z 3
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[181/0195] der ſchoͤnen laͤndlichen Natur uͤberhaupt. Schauſpiel darbietet, das man ſich nur vorſtellen kann; die große und reiche Stadt Neapel mit ihren drey Caſtellen, ihrem mit Schiffen von allen Nationen angefuͤllten Hafen, ihren Palaͤſten, Kirchen und unzaͤhligen Kloͤſtern; der praͤchtige Landſtrich von hier nach Portici, der mit ſchoͤnen Landhaͤuſern und Gaͤrten bedeckt iſt, und nichts anders, als eine Fortſetzung der Stadt, zu ſeyn ſcheint; der Palaſt des Koͤ- nigs mit vielen andern, die ihn umgeben, alle uͤber den Daͤchern der vormaligen Pa- laͤſte von Herkulaneum erbauet, die durch die Ausbruͤche des Veſuvs beynahe hundert Fuß tief begraben worden; die ſchwarzen Felder von Lava, mit Gaͤrten, Weinbergen und Baumgaͤrten untermiſcht; der Veſuv ſelbſt in dem hintern Grunde des Schauplatzes, der Buͤndel von Feuer und Rauch auswirft, die in der Luft uͤber unſern Haͤuptern breite Striche machen, welche ſich, ohne gebrochen oder zerſtreut zu werden, bis an den aͤußerſten Rand des Horizonts erſtrecken; eine Menge von ſchoͤnen Staͤdten und Doͤrfern rund um den Fuß des Berges, unbekuͤmmert wegen des uͤber ihnen haͤngenden Verderbens, unter ihnen zum Theil die geheiligten Woh- nungen der alten Roͤmer. An den Berg ſtoͤßt die ausgedehnte und romantiſche Kuͤ- ſte von Caſtello Mare, Sorrentum und Mola, wo ſich alle maleriſche Gegen- ſtaͤnde der Natur in der groͤßten Mannigfaltigkeit zeigen.“ — Man ſtelle ſich dieſe Ausſichten vor, wie ſie Brydone genoß, aus der Mitte des Meerbuſens, bey einer Windſtille, an einem heitern Nachmittage des Maymonats, in Stunden, wo die Sonne ſich allmaͤhlig ihrem Untergange naͤhert und allen Scenen ein ſchoͤneres Licht zuwirft; dieſe Ausſichten in eine ſolche ausgebreitete und mit dem groͤßten Contraſt ſo vieler Gegenſtaͤnde erfuͤllte Landſchaft — und man faſſe, ſo weit es die Phantaſie vermag, den ganzen Genuß der Bewegungen, die ſie hervorbringen mußten. Die Natur zeigt wenig Landſchaften, in welchen der Contraſt ſo hervorſtechend iſt, als in der eben angezeigten. Allein dem ohngeachtet ergoͤtzt ſie in allen Revieren von einigem Umfang durch gewiſſe Grade des Contraſtes; und ſo wie der Landſchaftmaler dieſer Anleitung folgt, ſo ſoll auch der Gartenkuͤnſtler ſie nicht aus der Acht laſſen. Zuvoͤrderſt ſind in Anſehung der Hervorbringung des Contraſtes dieſe allgemei- nen Bemerkungen wahrzunehmen. 1) Nur in groͤßern Landſchaften, und nicht in einer abgezirkelten laͤndlichen Gegend, ergoͤtzt eigentlich die Natur durch den Contraſt der Gegenſtaͤnde. Der Garten, worin Bewegungen dieſer Art hervorgebracht werden ſollen, muß daher von einem nicht geringen Umfang ſeyn, wobey entweder ſchon die Natur vorgear- beitet hat, oder doch die noͤthigen Anlagen ſich mit Bequemlichkeit machen laſſen. Auf einem kleinen Platz Contraſt ſuchen, wuͤrde Ueberladung und alſo Verwirrung werden. 2) Man Z 3

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 1. Leipzig, 1779, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst1_1779/195>, abgerufen am 23.11.2024.