Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 1. Leipzig, 1779.Vierter Abschnitt. Von der Bestimmung etc. Die Gartenkunst ahmet nicht nur die Natur nach, indem sie den Wohnplatz des [Abbildung]
Theorie
Vierter Abſchnitt. Von der Beſtimmung ꝛc. Die Gartenkunſt ahmet nicht nur die Natur nach, indem ſie den Wohnplatz des [Abbildung]
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Vierter Abſchnitt. Von der Beſtimmung ꝛc.
Die Gartenkunſt ahmet nicht nur die Natur nach, indem ſie den Wohnplatz des
Menſchen verſchoͤnert; ſie erhoͤht auch ſein Gefuͤhl von der Guͤte der Gottheit, ſie be-
foͤrdert die Froͤhlichkeit und Anmuthigkeit ſeines Geiſtes, und ſelbſt das Wohlwollen
gegen ſeine Nebengeſchoͤpfe, ſo wie die Bewohner ſchoͤner Laͤnder davon mehr haben,
als die, welche das Schickſal in elenden Gegenden verkerkert haͤlt. Die oͤden Wuͤſten
Laplands und Sibiriens ermuͤden und ſchrecken nicht nur den Reiſenden; ſie ver-
graben auch den Geiſt und die Empfindungskraft des Einwohners, indem ſie Unthaͤtig-
keit, Misvergnuͤgen, ein muͤrriſches und niedergeſchlagenes Weſen einfloͤßen. In Ge-
genden, die wohl bebauet und mit anmuthigen Gaͤrten bepflanzt ſind, wird man den
Menſchen ſich viel eher an die anſtaͤndigen und ſtillern Ergoͤtzungen der Natur gewoͤh-
nen ſehen, die ihn allmaͤhlig die groben und koſtbaren Arten von Zeitvertreiben ver-
ſchmaͤhen lehren. Sein Geiſt wird unter ſo vielen reizenden Gegenſtaͤnden Heiterkeit
und ein aufgewecktes Weſen, ſeine Gefuͤhle werden mehr Milde, mehr Verfeinerung
annehmen. Er wird ſeine ganze Natur belebter fuͤhlen, ſich in allen ihren ſchoͤnen Faͤ-
higkeiten geſchwinder und gluͤcklicher zu entwickeln. Gewiß wichtiger, als dem gemei-
nen Verſtande begreiflich iſt, ſind die Einwirkungen der ſchoͤnen Auftritte des Landes
und der Gaͤrten auf die Einbildungskraft und die Empfindſamkeit des Menſchen.
Die Phantaſie, die ſich aus ihnen erweitert und bereichert, wird nicht mit den unbe-
lebten Gegenſtaͤnden in der Tiefe bleiben; ſie wird mit einem erleichterten Flug von ei-
ner Reihe neuer Bilder zu der andern ſich erheben lernen, bis ſie uͤber die bekannten
veranlaſſenden Vorwuͤrfe hinaus, durch eine geiftige Betrachtung der urſpruͤnglichen
Schoͤnheit und Groͤße, in Entzuͤckungen dahinſchwebt, die uͤber die gewoͤhnlichen Ein-
druͤcke der Natur auf die Organe der Empfindung unendlich erhaben ſind.
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