Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 1. Leipzig, 1779.Vierter Abschnitt. Von der Bestimmung Garten stark die Einbildungskraft und die Empfindung, stärker als eine blosnatürlich schöne Gegend bewegen kann. Rufe daher natürliche Schönheit der Landschaft herbey; rufe aber auch die Kunst, damit sie jene durch ihre Einwirkung mehr erhöhe. So viel verschiedene Gattungen von Gärten es giebt, so viel besondere Bestim- Diese höhere Bestimmung der Gärten erweitert und veredelt den Gesichtspunkt, Es erhellet leicht bey dem ersten Anblick dieser Wendung, daß Gärten, die die- In dieser Richtung wird die Gartenkunst Philosophie über die mannigfaltigen In gewisser Absicht kann die Gartenkunst sich mit Recht eines merklichen Vor- nicht
Vierter Abſchnitt. Von der Beſtimmung Garten ſtark die Einbildungskraft und die Empfindung, ſtaͤrker als eine blosnatuͤrlich ſchoͤne Gegend bewegen kann. Rufe daher natuͤrliche Schoͤnheit der Landſchaft herbey; rufe aber auch die Kunſt, damit ſie jene durch ihre Einwirkung mehr erhoͤhe. So viel verſchiedene Gattungen von Gaͤrten es giebt, ſo viel beſondere Beſtim- Dieſe hoͤhere Beſtimmung der Gaͤrten erweitert und veredelt den Geſichtspunkt, Es erhellet leicht bey dem erſten Anblick dieſer Wendung, daß Gaͤrten, die die- In dieſer Richtung wird die Gartenkunſt Philoſophie uͤber die mannigfaltigen In gewiſſer Abſicht kann die Gartenkunſt ſich mit Recht eines merklichen Vor- nicht
<TEI> <text> <body> <div n="2"> <p><pb facs="#f0170" n="156"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Vierter Abſchnitt. Von der Beſtimmung</hi></fw><lb/><hi rendition="#fr">Garten ſtark die Einbildungskraft und die Empfindung, ſtaͤrker als eine blos<lb/> natuͤrlich ſchoͤne Gegend bewegen kann.</hi> Rufe daher natuͤrliche Schoͤnheit der<lb/> Landſchaft herbey; rufe aber auch die Kunſt, damit ſie jene durch ihre Einwirkung<lb/> mehr erhoͤhe.</p><lb/> <p>So viel verſchiedene Gattungen von Gaͤrten es giebt, ſo viel beſondere Beſtim-<lb/> mungen laſſen ſich gedenken, die eine Quelle der Regeln fuͤr ihre Einrichtung werden.<lb/> Man kann bey Gartenanlagen mannigfaltige Abſichten haben, mehrere von ihnen ver-<lb/> binden; aber uͤberall muß doch Bildung im Geſchmack der Natur herrſchen, uͤberall<lb/> Plan zur Ergoͤtzung und Unterhaltung des Menſchen ſeyn.</p><lb/> <p>Dieſe hoͤhere Beſtimmung der Gaͤrten erweitert und veredelt den Geſichtspunkt,<lb/> aus welchem ſie betrachtet werden koͤnnen, erhebt ſie in die Claſſe wuͤrdiger Kunſtwerke<lb/> und unterwirft ſie daher den Regeln des Geſchmacks und der Schoͤnheit, denen ſie nicht<lb/> unterworfen waren, ſo lange ſie unter den Haͤnden gemeiner Gaͤrtner blieben.</p><lb/> <p>Es erhellet leicht bey dem erſten Anblick dieſer Wendung, daß Gaͤrten, die die-<lb/> ſen Namen verdienen ſollen, der Mode und dem bloßen Willkuͤhr entriſſen werden.<lb/> Es iſt nicht mehr die Frage, was ſie geweſen ſind oder noch ſind, ſondern was ſie ſeyn<lb/> muͤſſen, wenn ſie ganz die gluͤckliche Wirkung thun ſollen, deren ſie bey einer verſtaͤn-<lb/> digen Anlage faͤhig ſind. Man ſpiele mit den kleinen Kunſtgaͤrten in Staͤdten und<lb/> Vorſtaͤdten, ſo lange man will. Aber Gaͤrten in der wahren Bedeutung erheben<lb/> ſich uͤber blinden Einfall und phantaſtiſche Kuͤnſteley, und folgen nur dem Zuruf der<lb/> Vernunft und des Geſchmacks.</p><lb/> <p>In dieſer Richtung wird die Gartenkunſt Philoſophie uͤber die mannigfaltigen<lb/> Gegenſtaͤnde der Natur, ihre Kraͤfte und Einwirkungen auf den Menſchen, uͤber die<lb/> Verſtaͤrkung der Eindruͤcke, die er davon empfangen ſoll; nicht bloße Beluſtigung des<lb/> aͤußern Sinnes, ſondern innere wahre Aufheiterung der Seele, Bereicherung der<lb/> Phantaſie, Verfeinerung der Gefuͤhle; Erweiterung des Bezirks fuͤr Geſchmack und<lb/> Kunſt; Beſchaͤftigung des menſchlichen Schoͤpfungsgeiſtes auf einem Platze, worauf<lb/> er noch wenig wirkſam war; Veredelung der Werke der Natur und Verſchoͤnerung<lb/> einer Erde, die auf eine Zeit unſere Wohnung iſt. Wenigſtens reicht ſo weit ihr<lb/> Umfang, ſo weit die hohe Beſtimmung, wornach ſie ſtreben ſoll.</p><lb/> <p>In gewiſſer Abſicht kann die Gartenkunſt ſich mit Recht eines merklichen Vor-<lb/> zugs vor den uͤbrigen ſchoͤnen Kuͤnſten ruͤhmen. Sie iſt Kunſt, und doch iſt keine<lb/> ihrer Geſchwiſter gleichſam mehr in die Natur ſelbſt eingeflochten, als eben ſie. Sie<lb/> giebt das mannigfaltige und große Vergnuͤgen laͤndlicher Scenen ganz, was die Land-<lb/> ſchaftmalerey nur theilweiſe gewaͤhrt; ſie giebt es auf einmal, was die ſchildernde Poe-<lb/> ſie nur durch eine fortſchreitende Folge ihrer Bilder nach und nach erweckt. Sie ruͤhrt<lb/> <fw place="bottom" type="catch">nicht</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [156/0170]
Vierter Abſchnitt. Von der Beſtimmung
Garten ſtark die Einbildungskraft und die Empfindung, ſtaͤrker als eine blos
natuͤrlich ſchoͤne Gegend bewegen kann. Rufe daher natuͤrliche Schoͤnheit der
Landſchaft herbey; rufe aber auch die Kunſt, damit ſie jene durch ihre Einwirkung
mehr erhoͤhe.
So viel verſchiedene Gattungen von Gaͤrten es giebt, ſo viel beſondere Beſtim-
mungen laſſen ſich gedenken, die eine Quelle der Regeln fuͤr ihre Einrichtung werden.
Man kann bey Gartenanlagen mannigfaltige Abſichten haben, mehrere von ihnen ver-
binden; aber uͤberall muß doch Bildung im Geſchmack der Natur herrſchen, uͤberall
Plan zur Ergoͤtzung und Unterhaltung des Menſchen ſeyn.
Dieſe hoͤhere Beſtimmung der Gaͤrten erweitert und veredelt den Geſichtspunkt,
aus welchem ſie betrachtet werden koͤnnen, erhebt ſie in die Claſſe wuͤrdiger Kunſtwerke
und unterwirft ſie daher den Regeln des Geſchmacks und der Schoͤnheit, denen ſie nicht
unterworfen waren, ſo lange ſie unter den Haͤnden gemeiner Gaͤrtner blieben.
Es erhellet leicht bey dem erſten Anblick dieſer Wendung, daß Gaͤrten, die die-
ſen Namen verdienen ſollen, der Mode und dem bloßen Willkuͤhr entriſſen werden.
Es iſt nicht mehr die Frage, was ſie geweſen ſind oder noch ſind, ſondern was ſie ſeyn
muͤſſen, wenn ſie ganz die gluͤckliche Wirkung thun ſollen, deren ſie bey einer verſtaͤn-
digen Anlage faͤhig ſind. Man ſpiele mit den kleinen Kunſtgaͤrten in Staͤdten und
Vorſtaͤdten, ſo lange man will. Aber Gaͤrten in der wahren Bedeutung erheben
ſich uͤber blinden Einfall und phantaſtiſche Kuͤnſteley, und folgen nur dem Zuruf der
Vernunft und des Geſchmacks.
In dieſer Richtung wird die Gartenkunſt Philoſophie uͤber die mannigfaltigen
Gegenſtaͤnde der Natur, ihre Kraͤfte und Einwirkungen auf den Menſchen, uͤber die
Verſtaͤrkung der Eindruͤcke, die er davon empfangen ſoll; nicht bloße Beluſtigung des
aͤußern Sinnes, ſondern innere wahre Aufheiterung der Seele, Bereicherung der
Phantaſie, Verfeinerung der Gefuͤhle; Erweiterung des Bezirks fuͤr Geſchmack und
Kunſt; Beſchaͤftigung des menſchlichen Schoͤpfungsgeiſtes auf einem Platze, worauf
er noch wenig wirkſam war; Veredelung der Werke der Natur und Verſchoͤnerung
einer Erde, die auf eine Zeit unſere Wohnung iſt. Wenigſtens reicht ſo weit ihr
Umfang, ſo weit die hohe Beſtimmung, wornach ſie ſtreben ſoll.
In gewiſſer Abſicht kann die Gartenkunſt ſich mit Recht eines merklichen Vor-
zugs vor den uͤbrigen ſchoͤnen Kuͤnſten ruͤhmen. Sie iſt Kunſt, und doch iſt keine
ihrer Geſchwiſter gleichſam mehr in die Natur ſelbſt eingeflochten, als eben ſie. Sie
giebt das mannigfaltige und große Vergnuͤgen laͤndlicher Scenen ganz, was die Land-
ſchaftmalerey nur theilweiſe gewaͤhrt; ſie giebt es auf einmal, was die ſchildernde Poe-
ſie nur durch eine fortſchreitende Folge ihrer Bilder nach und nach erweckt. Sie ruͤhrt
nicht
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |