Mit keiner von ihnen steht sie in einer so nahen Verwandtschaft, als mit der Malerey. Gleichwohl hat man, durch Vorurtheil verblendet, diese so genaue und natürliche Verbindung lange verkennen können, indem man die Baukunst als ihre nächste Verwandtinn unterschob. Wenn es indessen, wie oben gezeiget worden, nicht die Baukunst ist, deren Gesetzen die Gartenkunst unterworfen seyn kann; wenn beyde Künste in ihrer Natur und Bestimmung zu weit von einander entfernt liegen, als daß sie sich zur Befolgung einerley Regeln und Maximen vereinigen könnten: so ist unter allen übrigen schönen Künsten unstreitig keine mehr mit der Gartenkunst ver- wandt, als die Malerey, und besonders die Landschaftmalerey.
Zwar haben beyde sowohl ihre bestimmten Gränzlinien, wo ihre wesentliche Abweichung von einander anhebt, als auch ihre einzelne Stellen, wo die eine mit dem Vorzug einer größern Leichtigkeit oder höhern Kraft hervortritt, die andere einge- schränkter zurücksteht. So entgehen der Kunst des Gärtners die Schönheiten der Wölken und des Regenbogens, die lieblichen Erscheinungen bey dem Aufgang und Untergang der Sonne, die Wirkungen des Lichts zwischen Felsen und Bergen, die Anmuth zufälliger Beleuchtungen und Verdunkelungen, der sanfte Reiz duftiger Ent- fernungen, u. s. w. die er nicht, wie der Maler, zur Darstellung anhalten kann, die er blos als Geschenke der freygebigen Natur zur Verschönerung seines Werks abwar- ten muß. -- Handlungen sind das Eigenthum des Malers, nicht des Gartenkünst- lers. So viel Kraft jener seinen Werken durch die Schilderung interessanter Hand- lungen einprägen kann, so viel geht für diesen verloren. In der Malerey scheint die Landschaft nur wegen der darin vorgestellten Handlung da zu seyn; in der Gartenkunst ist die Landschaft ohne Handlung und blos ihrer selbst wegen da. Um ihr mehr Leben und Interesse mitzutheilen, schlägt Watelet vor, bey Tempeln, Altären, Triumph- bögen Pantomimen erscheinen zu lassen, die, nach dem Costume gekleidet, Ceremonien nachahmten, opferten, tanzten. Wenn diese Idee vielleicht zu spitzfindig und von der Bestimmung eines Gartens zu entfernt scheint; so möchte dagegen die Anstellung arkadischer Beschäftigungen und Feste mehr gartenmäßig seyn. Allein solche Auf- tritte von Handlungen, so sehr sie auch beleben, lassen sich doch nur zu gewissen Zeiten hervorbringen; sie sind zufällige Erscheinungen, nicht ein beständiges Zugehör. -- Die Leinwand nimmt willig alle Arten von Zusammensetzungen an, die nur immer die Phantasie des Malers entwerfen mag. Der Gartenkünstler ist oft durch die Wider- spenstigkeit des Bodens, den Eigensinn der Lagen und Formen in der Gegend, worin er bauet, eingeschränkt. Er kann nicht überall bezwingen. Er kann nicht mit der Freyheit, nicht mit der Leichtigkeit eines Landschaftmalers schaffen. Er muß oft der Natur blos nachgehen, und sich von ihren eigenen Bildungen leiten lassen.
Aber
Dritter Abſchnitt. Von der Gartenkunſt,
Mit keiner von ihnen ſteht ſie in einer ſo nahen Verwandtſchaft, als mit der Malerey. Gleichwohl hat man, durch Vorurtheil verblendet, dieſe ſo genaue und natuͤrliche Verbindung lange verkennen koͤnnen, indem man die Baukunſt als ihre naͤchſte Verwandtinn unterſchob. Wenn es indeſſen, wie oben gezeiget worden, nicht die Baukunſt iſt, deren Geſetzen die Gartenkunſt unterworfen ſeyn kann; wenn beyde Kuͤnſte in ihrer Natur und Beſtimmung zu weit von einander entfernt liegen, als daß ſie ſich zur Befolgung einerley Regeln und Maximen vereinigen koͤnnten: ſo iſt unter allen uͤbrigen ſchoͤnen Kuͤnſten unſtreitig keine mehr mit der Gartenkunſt ver- wandt, als die Malerey, und beſonders die Landſchaftmalerey.
Zwar haben beyde ſowohl ihre beſtimmten Graͤnzlinien, wo ihre weſentliche Abweichung von einander anhebt, als auch ihre einzelne Stellen, wo die eine mit dem Vorzug einer groͤßern Leichtigkeit oder hoͤhern Kraft hervortritt, die andere einge- ſchraͤnkter zuruͤckſteht. So entgehen der Kunſt des Gaͤrtners die Schoͤnheiten der Woͤlken und des Regenbogens, die lieblichen Erſcheinungen bey dem Aufgang und Untergang der Sonne, die Wirkungen des Lichts zwiſchen Felſen und Bergen, die Anmuth zufaͤlliger Beleuchtungen und Verdunkelungen, der ſanfte Reiz duftiger Ent- fernungen, u. ſ. w. die er nicht, wie der Maler, zur Darſtellung anhalten kann, die er blos als Geſchenke der freygebigen Natur zur Verſchoͤnerung ſeines Werks abwar- ten muß. — Handlungen ſind das Eigenthum des Malers, nicht des Gartenkuͤnſt- lers. So viel Kraft jener ſeinen Werken durch die Schilderung intereſſanter Hand- lungen einpraͤgen kann, ſo viel geht fuͤr dieſen verloren. In der Malerey ſcheint die Landſchaft nur wegen der darin vorgeſtellten Handlung da zu ſeyn; in der Gartenkunſt iſt die Landſchaft ohne Handlung und blos ihrer ſelbſt wegen da. Um ihr mehr Leben und Intereſſe mitzutheilen, ſchlaͤgt Watelet vor, bey Tempeln, Altaͤren, Triumph- boͤgen Pantomimen erſcheinen zu laſſen, die, nach dem Coſtume gekleidet, Ceremonien nachahmten, opferten, tanzten. Wenn dieſe Idee vielleicht zu ſpitzfindig und von der Beſtimmung eines Gartens zu entfernt ſcheint; ſo moͤchte dagegen die Anſtellung arkadiſcher Beſchaͤftigungen und Feſte mehr gartenmaͤßig ſeyn. Allein ſolche Auf- tritte von Handlungen, ſo ſehr ſie auch beleben, laſſen ſich doch nur zu gewiſſen Zeiten hervorbringen; ſie ſind zufaͤllige Erſcheinungen, nicht ein beſtaͤndiges Zugehoͤr. — Die Leinwand nimmt willig alle Arten von Zuſammenſetzungen an, die nur immer die Phantaſie des Malers entwerfen mag. Der Gartenkuͤnſtler iſt oft durch die Wider- ſpenſtigkeit des Bodens, den Eigenſinn der Lagen und Formen in der Gegend, worin er bauet, eingeſchraͤnkt. Er kann nicht uͤberall bezwingen. Er kann nicht mit der Freyheit, nicht mit der Leichtigkeit eines Landſchaftmalers ſchaffen. Er muß oft der Natur blos nachgehen, und ſich von ihren eigenen Bildungen leiten laſſen.
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[146/0160]
Dritter Abſchnitt. Von der Gartenkunſt,
Mit keiner von ihnen ſteht ſie in einer ſo nahen Verwandtſchaft, als mit der
Malerey. Gleichwohl hat man, durch Vorurtheil verblendet, dieſe ſo genaue und
natuͤrliche Verbindung lange verkennen koͤnnen, indem man die Baukunſt als ihre
naͤchſte Verwandtinn unterſchob. Wenn es indeſſen, wie oben gezeiget worden, nicht
die Baukunſt iſt, deren Geſetzen die Gartenkunſt unterworfen ſeyn kann; wenn beyde
Kuͤnſte in ihrer Natur und Beſtimmung zu weit von einander entfernt liegen, als
daß ſie ſich zur Befolgung einerley Regeln und Maximen vereinigen koͤnnten: ſo iſt
unter allen uͤbrigen ſchoͤnen Kuͤnſten unſtreitig keine mehr mit der Gartenkunſt ver-
wandt, als die Malerey, und beſonders die Landſchaftmalerey.
Zwar haben beyde ſowohl ihre beſtimmten Graͤnzlinien, wo ihre weſentliche
Abweichung von einander anhebt, als auch ihre einzelne Stellen, wo die eine mit dem
Vorzug einer groͤßern Leichtigkeit oder hoͤhern Kraft hervortritt, die andere einge-
ſchraͤnkter zuruͤckſteht. So entgehen der Kunſt des Gaͤrtners die Schoͤnheiten der
Woͤlken und des Regenbogens, die lieblichen Erſcheinungen bey dem Aufgang und
Untergang der Sonne, die Wirkungen des Lichts zwiſchen Felſen und Bergen, die
Anmuth zufaͤlliger Beleuchtungen und Verdunkelungen, der ſanfte Reiz duftiger Ent-
fernungen, u. ſ. w. die er nicht, wie der Maler, zur Darſtellung anhalten kann, die
er blos als Geſchenke der freygebigen Natur zur Verſchoͤnerung ſeines Werks abwar-
ten muß. — Handlungen ſind das Eigenthum des Malers, nicht des Gartenkuͤnſt-
lers. So viel Kraft jener ſeinen Werken durch die Schilderung intereſſanter Hand-
lungen einpraͤgen kann, ſo viel geht fuͤr dieſen verloren. In der Malerey ſcheint die
Landſchaft nur wegen der darin vorgeſtellten Handlung da zu ſeyn; in der Gartenkunſt
iſt die Landſchaft ohne Handlung und blos ihrer ſelbſt wegen da. Um ihr mehr Leben
und Intereſſe mitzutheilen, ſchlaͤgt Watelet vor, bey Tempeln, Altaͤren, Triumph-
boͤgen Pantomimen erſcheinen zu laſſen, die, nach dem Coſtume gekleidet, Ceremonien
nachahmten, opferten, tanzten. Wenn dieſe Idee vielleicht zu ſpitzfindig und von
der Beſtimmung eines Gartens zu entfernt ſcheint; ſo moͤchte dagegen die Anſtellung
arkadiſcher Beſchaͤftigungen und Feſte mehr gartenmaͤßig ſeyn. Allein ſolche Auf-
tritte von Handlungen, ſo ſehr ſie auch beleben, laſſen ſich doch nur zu gewiſſen Zeiten
hervorbringen; ſie ſind zufaͤllige Erſcheinungen, nicht ein beſtaͤndiges Zugehoͤr. —
Die Leinwand nimmt willig alle Arten von Zuſammenſetzungen an, die nur immer die
Phantaſie des Malers entwerfen mag. Der Gartenkuͤnſtler iſt oft durch die Wider-
ſpenſtigkeit des Bodens, den Eigenſinn der Lagen und Formen in der Gegend, worin
er bauet, eingeſchraͤnkt. Er kann nicht uͤberall bezwingen. Er kann nicht mit der
Freyheit, nicht mit der Leichtigkeit eines Landſchaftmalers ſchaffen. Er muß oft der
Natur blos nachgehen, und ſich von ihren eigenen Bildungen leiten laſſen.
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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 1. Leipzig, 1779, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst1_1779/160>, abgerufen am 16.02.2025.
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