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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 1. Leipzig, 1779.

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Erster Abschnitt. Aussicht in die Gärten
hat. Auch geben Thevenot, Tournefort und andere Reisebeschreiber keinen gro-
ßen Begriff von Kunst oder Schönheit in den morgenländischen Gärten.

Von den Gärten der heutigen Perser geben uns Thevenot *) und Bruin **)
keine so vollkommene Nachricht, als Chardin. ***) Nach dem Bericht des The-
venot
bestand der königliche Garten bey Ispahan blos in einer Menge junger Frucht-
bäume und großer Ahornbäume, die, alle nach der Linie gepflanzt, die ganze Verzierung
ausmachten. Alle Gärten sind in Einem Geschmack. Ihre Schönheit bestehet
blos in großen geraden Alleen, in einer Menge von Ahorn, Rosenstöcken und Frucht-
bäumen; und vornehmlich ist es zur Zeit der Früchte ein Vergnügen, sie zu besu-
chen. -- Bruin schränkt sich auf die königlichen Gärten zu Casian und zu Perse-
polis
ein; lobt darin Blumen, Canäle, Fontainen, Gebäude, Cypressen, Granat-
bäume; sagt, daß alles groß und schön angelegt sey; und doch giebt seine Beschrei-
bung von diesen Anlagen keinen hinlänglichen Begriff. -- Nach Chardins Erzäh-
lung bestehen die Gärten der Perser gewöhnlicher Weise in einer großen Allee, die
den Garten theilt, die nach der Linie gezogen und von Ahorn gesetzt ist; mit einem
Wasserbehältnisse in der Mitte, von einer dem Garten angemessenen Größe; auf den
Seiten zwey kleinere Baßins. Der Raum zwischen beyden ist mit allerhand Blu-
men besäet, mit Fruchtbäumen und Rosensträuchen bepflanzt; und hierin besteht die
ganze Verzierung. Man weiß nichts von Parterren, grünen Lauben, Labyrinthen
und Terrassen, und von den übrigen Zierden der europäischen Gärten. Dieses
kommt besonders daher, daß die Perser nicht, wie wir, in ihren Gärten spazieren,
sondern sich begnügen, darin die Aussicht und die frische Luft zu genießen; sie setzen
sich daher bey ihrer Ankunft in den Garten an einem Orte nieder, und halten sich da
so lange auf, bis sie wieder weggehen. -- Nach dem Zeugniß eben dieses beobach-
tenden Reisenden ist die Gegend von Hyrkanien, die nach Morgen liegt, der
schönste Sammelplatz von Blumen, und eine immer blühende Flur, vornehmlich vom
September bis zu Ende des April. Das ganze Land ist alsdenn mit Blumen be-
deckt, und diese Zeit ist auch die beste in Ansehung der Früchte; denn in den andern
Monaten wütet eine außerordentliche Hitze und eine böse Luft. Nach Medien und
Arabien zu bringen die Felder von selbst Tulpen, Anemonen, Ranunkeln von dem
schönsten Roth und Kaiserkronen hervor. In andern Gegenden, als um Ispahan,
wachsen die Jonquillen und Hyacinthen von selbst; und man hat da Blumen wäh-
rend des ganzen Winters, viele Arten von Narcissen, Lilien, Violen von allen Far-

ben,
*) Suite du Voyage an Levant, II Part. S. 285. Paris 1689. 8.
**) Reizen over Moscovie door Persie &c. fol. Amsterdam 1711. S. 131 u. 323.
***) Voyage en Perse &c. 4. Amsterdam 1735. Tom. 3. S. 27. 28.

Erſter Abſchnitt. Ausſicht in die Gaͤrten
hat. Auch geben Thevenot, Tournefort und andere Reiſebeſchreiber keinen gro-
ßen Begriff von Kunſt oder Schoͤnheit in den morgenlaͤndiſchen Gaͤrten.

Von den Gaͤrten der heutigen Perſer geben uns Thevenot *) und Bruin **)
keine ſo vollkommene Nachricht, als Chardin. ***) Nach dem Bericht des The-
venot
beſtand der koͤnigliche Garten bey Iſpahan blos in einer Menge junger Frucht-
baͤume und großer Ahornbaͤume, die, alle nach der Linie gepflanzt, die ganze Verzierung
ausmachten. Alle Gaͤrten ſind in Einem Geſchmack. Ihre Schoͤnheit beſtehet
blos in großen geraden Alleen, in einer Menge von Ahorn, Roſenſtoͤcken und Frucht-
baͤumen; und vornehmlich iſt es zur Zeit der Fruͤchte ein Vergnuͤgen, ſie zu beſu-
chen. — Bruin ſchraͤnkt ſich auf die koͤniglichen Gaͤrten zu Caſian und zu Perſe-
polis
ein; lobt darin Blumen, Canaͤle, Fontainen, Gebaͤude, Cypreſſen, Granat-
baͤume; ſagt, daß alles groß und ſchoͤn angelegt ſey; und doch giebt ſeine Beſchrei-
bung von dieſen Anlagen keinen hinlaͤnglichen Begriff. — Nach Chardins Erzaͤh-
lung beſtehen die Gaͤrten der Perſer gewoͤhnlicher Weiſe in einer großen Allee, die
den Garten theilt, die nach der Linie gezogen und von Ahorn geſetzt iſt; mit einem
Waſſerbehaͤltniſſe in der Mitte, von einer dem Garten angemeſſenen Groͤße; auf den
Seiten zwey kleinere Baßins. Der Raum zwiſchen beyden iſt mit allerhand Blu-
men beſaͤet, mit Fruchtbaͤumen und Roſenſtraͤuchen bepflanzt; und hierin beſteht die
ganze Verzierung. Man weiß nichts von Parterren, gruͤnen Lauben, Labyrinthen
und Terraſſen, und von den uͤbrigen Zierden der europaͤiſchen Gaͤrten. Dieſes
kommt beſonders daher, daß die Perſer nicht, wie wir, in ihren Gaͤrten ſpazieren,
ſondern ſich begnuͤgen, darin die Ausſicht und die friſche Luft zu genießen; ſie ſetzen
ſich daher bey ihrer Ankunft in den Garten an einem Orte nieder, und halten ſich da
ſo lange auf, bis ſie wieder weggehen. — Nach dem Zeugniß eben dieſes beobach-
tenden Reiſenden iſt die Gegend von Hyrkanien, die nach Morgen liegt, der
ſchoͤnſte Sammelplatz von Blumen, und eine immer bluͤhende Flur, vornehmlich vom
September bis zu Ende des April. Das ganze Land iſt alsdenn mit Blumen be-
deckt, und dieſe Zeit iſt auch die beſte in Anſehung der Fruͤchte; denn in den andern
Monaten wuͤtet eine außerordentliche Hitze und eine boͤſe Luft. Nach Medien und
Arabien zu bringen die Felder von ſelbſt Tulpen, Anemonen, Ranunkeln von dem
ſchoͤnſten Roth und Kaiſerkronen hervor. In andern Gegenden, als um Iſpahan,
wachſen die Jonquillen und Hyacinthen von ſelbſt; und man hat da Blumen waͤh-
rend des ganzen Winters, viele Arten von Narciſſen, Lilien, Violen von allen Far-

ben,
*) Suite du Voyage an Levant, II Part. S. 285. Paris 1689. 8.
**) Reizen over Moſcovie door Perſie &c. fol. Amſterdam 1711. S. 131 u. 323.
***) Voyage en Perſe &c. 4. Amſterdam 1735. Tom. 3. S. 27. 28.
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[106/0120] Erſter Abſchnitt. Ausſicht in die Gaͤrten hat. Auch geben Thevenot, Tournefort und andere Reiſebeſchreiber keinen gro- ßen Begriff von Kunſt oder Schoͤnheit in den morgenlaͤndiſchen Gaͤrten. Von den Gaͤrten der heutigen Perſer geben uns Thevenot *) und Bruin **) keine ſo vollkommene Nachricht, als Chardin. ***) Nach dem Bericht des The- venot beſtand der koͤnigliche Garten bey Iſpahan blos in einer Menge junger Frucht- baͤume und großer Ahornbaͤume, die, alle nach der Linie gepflanzt, die ganze Verzierung ausmachten. Alle Gaͤrten ſind in Einem Geſchmack. Ihre Schoͤnheit beſtehet blos in großen geraden Alleen, in einer Menge von Ahorn, Roſenſtoͤcken und Frucht- baͤumen; und vornehmlich iſt es zur Zeit der Fruͤchte ein Vergnuͤgen, ſie zu beſu- chen. — Bruin ſchraͤnkt ſich auf die koͤniglichen Gaͤrten zu Caſian und zu Perſe- polis ein; lobt darin Blumen, Canaͤle, Fontainen, Gebaͤude, Cypreſſen, Granat- baͤume; ſagt, daß alles groß und ſchoͤn angelegt ſey; und doch giebt ſeine Beſchrei- bung von dieſen Anlagen keinen hinlaͤnglichen Begriff. — Nach Chardins Erzaͤh- lung beſtehen die Gaͤrten der Perſer gewoͤhnlicher Weiſe in einer großen Allee, die den Garten theilt, die nach der Linie gezogen und von Ahorn geſetzt iſt; mit einem Waſſerbehaͤltniſſe in der Mitte, von einer dem Garten angemeſſenen Groͤße; auf den Seiten zwey kleinere Baßins. Der Raum zwiſchen beyden iſt mit allerhand Blu- men beſaͤet, mit Fruchtbaͤumen und Roſenſtraͤuchen bepflanzt; und hierin beſteht die ganze Verzierung. Man weiß nichts von Parterren, gruͤnen Lauben, Labyrinthen und Terraſſen, und von den uͤbrigen Zierden der europaͤiſchen Gaͤrten. Dieſes kommt beſonders daher, daß die Perſer nicht, wie wir, in ihren Gaͤrten ſpazieren, ſondern ſich begnuͤgen, darin die Ausſicht und die friſche Luft zu genießen; ſie ſetzen ſich daher bey ihrer Ankunft in den Garten an einem Orte nieder, und halten ſich da ſo lange auf, bis ſie wieder weggehen. — Nach dem Zeugniß eben dieſes beobach- tenden Reiſenden iſt die Gegend von Hyrkanien, die nach Morgen liegt, der ſchoͤnſte Sammelplatz von Blumen, und eine immer bluͤhende Flur, vornehmlich vom September bis zu Ende des April. Das ganze Land iſt alsdenn mit Blumen be- deckt, und dieſe Zeit iſt auch die beſte in Anſehung der Fruͤchte; denn in den andern Monaten wuͤtet eine außerordentliche Hitze und eine boͤſe Luft. Nach Medien und Arabien zu bringen die Felder von ſelbſt Tulpen, Anemonen, Ranunkeln von dem ſchoͤnſten Roth und Kaiſerkronen hervor. In andern Gegenden, als um Iſpahan, wachſen die Jonquillen und Hyacinthen von ſelbſt; und man hat da Blumen waͤh- rend des ganzen Winters, viele Arten von Narciſſen, Lilien, Violen von allen Far- ben, *) Suite du Voyage an Levant, II Part. S. 285. Paris 1689. 8. **) Reizen over Moſcovie door Perſie &c. fol. Amſterdam 1711. S. 131 u. 323. ***) Voyage en Perſe &c. 4. Amſterdam 1735. Tom. 3. S. 27. 28.

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 1. Leipzig, 1779, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst1_1779/120>, abgerufen am 22.11.2024.