der Vernunft nichts übrig, um sich zu orien- tiren, und sie irret in dem unbegrenzten Mee- re der Möglichkeit, ohne zu wissen, woher und wohin? Was hier über Geschichte und Fabel hinausgeht, ist (da die ersten Sagen der Völker davon, als von einer Sache, die vor ihnen war, sprechen) derjenige Zustand des Menschen, wo jedes einzelne Individuum, ohne einige Verbindung mit andern seiner Art, in der vollkommensten Unabhängigkeit, bloss von den Früchten des Bodens den es durch- strich, lebte, ohne durch eine andere Zube- reitung, als die man von der Natur selbst er- hielt, ihr zu Hülfe zu kommen. Die Men- schen hingen vom Boden und sonst von nichts weiter ab -- Ob es einen dergleichen Zu- stand wirklich gegeben? ob je der Mensch (das geselligste unter allen bekannten Thieren, trotz jenen frommen Orang-Utangs in der Thebai- schen Wüste, und ihren jüngeren Brüdern, die es doch behaglicher gefunden haben, sich aus Eremiten zu Cönobiten umzuformen) in einem solchen Zustande war -- mag Hans Jakob verantworten, an dessen Grabe es heisst: Ici
der Vernunft nichts übrig, um sich zu orien- tiren, und sie irret in dem unbegrenzten Mee- re der Möglichkeit, ohne zu wissen, woher und wohin? Was hier über Geschichte und Fabel hinausgeht, ist (da die ersten Sagen der Völker davon, als von einer Sache, die vor ihnen war, sprechen) derjenige Zustand des Menschen, wo jedes einzelne Individuum, ohne einige Verbindung mit andern seiner Art, in der vollkommensten Unabhängigkeit, bloſs von den Früchten des Bodens den es durch- strich, lebte, ohne durch eine andere Zube- reitung, als die man von der Natur selbst er- hielt, ihr zu Hülfe zu kommen. Die Men- schen hingen vom Boden und sonst von nichts weiter ab — Ob es einen dergleichen Zu- stand wirklich gegeben? ob je der Mensch (das geselligste unter allen bekannten Thieren, trotz jenen frommen Orang-Utangs in der Thebai- schen Wüste, und ihren jüngeren Brüdern, die es doch behaglicher gefunden haben, sich aus Eremiten zu Cönobiten umzuformen) in einem solchen Zustande war — mag Hans Jakob verantworten, an dessen Grabe es heiſst: Ici
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0085"n="77"/>
der Vernunft nichts übrig, um sich zu orien-<lb/>
tiren, und sie irret in dem unbegrenzten Mee-<lb/>
re der Möglichkeit, ohne zu wissen, woher<lb/>
und wohin? Was hier über Geschichte und<lb/>
Fabel hinausgeht, ist (da die ersten Sagen<lb/>
der Völker davon, als von einer Sache, die<lb/>
vor ihnen war, sprechen) derjenige Zustand<lb/>
des Menschen, wo jedes einzelne Individuum,<lb/>
ohne einige Verbindung mit andern seiner Art,<lb/>
in der vollkommensten Unabhängigkeit, bloſs<lb/>
von den Früchten des Bodens den es durch-<lb/>
strich, lebte, ohne durch eine andere Zube-<lb/>
reitung, als die man von der Natur selbst er-<lb/>
hielt, ihr zu Hülfe zu kommen. Die Men-<lb/>
schen hingen vom Boden und sonst von nichts<lb/>
weiter ab — Ob es einen dergleichen Zu-<lb/>
stand wirklich gegeben? ob je der Mensch (das<lb/>
geselligste unter allen bekannten Thieren, trotz<lb/>
jenen frommen Orang-Utangs in der Thebai-<lb/>
schen Wüste, und ihren jüngeren Brüdern,<lb/>
die es doch behaglicher gefunden haben, sich<lb/>
aus Eremiten zu Cönobiten umzuformen) in<lb/>
einem solchen Zustande war — mag <hirendition="#i">Hans Jakob</hi><lb/>
verantworten, an dessen Grabe es heiſst: <hirendition="#i">Ici<lb/></hi></p></div></div></body></text></TEI>
[77/0085]
der Vernunft nichts übrig, um sich zu orien-
tiren, und sie irret in dem unbegrenzten Mee-
re der Möglichkeit, ohne zu wissen, woher
und wohin? Was hier über Geschichte und
Fabel hinausgeht, ist (da die ersten Sagen
der Völker davon, als von einer Sache, die
vor ihnen war, sprechen) derjenige Zustand
des Menschen, wo jedes einzelne Individuum,
ohne einige Verbindung mit andern seiner Art,
in der vollkommensten Unabhängigkeit, bloſs
von den Früchten des Bodens den es durch-
strich, lebte, ohne durch eine andere Zube-
reitung, als die man von der Natur selbst er-
hielt, ihr zu Hülfe zu kommen. Die Men-
schen hingen vom Boden und sonst von nichts
weiter ab — Ob es einen dergleichen Zu-
stand wirklich gegeben? ob je der Mensch (das
geselligste unter allen bekannten Thieren, trotz
jenen frommen Orang-Utangs in der Thebai-
schen Wüste, und ihren jüngeren Brüdern,
die es doch behaglicher gefunden haben, sich
aus Eremiten zu Cönobiten umzuformen) in
einem solchen Zustande war — mag Hans Jakob
verantworten, an dessen Grabe es heiſst: Ici
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/85>, abgerufen am 26.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.