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Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792.

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meiniglich, wie mit einem Instrument, auf das
wir uns verstehen. Haben wir bei dem Sy-
stem, wovon hier die Rede oder die Frage
ist, den gewissen Vortheil unwiderlegbar be-
rechnet? oder ist es eins wie viele andere sei-
ner Brüder, bei denen nichts weiter als
Sprachverwirrung obwaltet, wie bei dem
Thurm zu Babel, dessen Spitze bis in den
Himmel reichen wollte? Nimmt man den
meisten Systemen die Sprachverwirrung, was
bleibt übrig? -- Noch behauptet die Erfah-
rungsseelenkunde unter den Wissenschaften
nur einen precären Rang; sie stehe indess oder
falle, die Wahrheit verliert nichts, die vor
ihr war und nach ihr seyn wird. Stärke der
Seele, Muth, Überlegenheit des Verstandes,
ein grösseres Maass von Urtheilskraft, Festig-
keit des Willens, eine grössere Stärke des Ge-
fühls und andere dergleichen Seelenvorzüge
der Menschen sind es, die sich die Männer
auf Kosten des weiblichen Geschlechtes als
Erstgeburtsrechte zueignen. Sie sind mit dem
Erdenall, das man zuweilen Erdenball heisst,
von Gott belehnt -- die edlen Lehnsträger! --

meiniglich, wie mit einem Instrument, auf das
wir uns verstehen. Haben wir bei dem Sy-
stem, wovon hier die Rede oder die Frage
ist, den gewissen Vortheil unwiderlegbar be-
rechnet? oder ist es eins wie viele andere sei-
ner Brüder, bei denen nichts weiter als
Sprachverwirrung obwaltet, wie bei dem
Thurm zu Babel, dessen Spitze bis in den
Himmel reichen wollte? Nimmt man den
meisten Systemen die Sprachverwirrung, was
bleibt übrig? — Noch behauptet die Erfah-
rungsseelenkunde unter den Wissenschaften
nur einen precären Rang; sie stehe indeſs oder
falle, die Wahrheit verliert nichts, die vor
ihr war und nach ihr seyn wird. Stärke der
Seele, Muth, Überlegenheit des Verstandes,
ein gröſseres Maaſs von Urtheilskraft, Festig-
keit des Willens, eine gröſsere Stärke des Ge-
fühls und andere dergleichen Seelenvorzüge
der Menschen sind es, die sich die Männer
auf Kosten des weiblichen Geschlechtes als
Erstgeburtsrechte zueignen. Sie sind mit dem
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von Gott belehnt — die edlen Lehnsträger! —

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[54/0062] meiniglich, wie mit einem Instrument, auf das wir uns verstehen. Haben wir bei dem Sy- stem, wovon hier die Rede oder die Frage ist, den gewissen Vortheil unwiderlegbar be- rechnet? oder ist es eins wie viele andere sei- ner Brüder, bei denen nichts weiter als Sprachverwirrung obwaltet, wie bei dem Thurm zu Babel, dessen Spitze bis in den Himmel reichen wollte? Nimmt man den meisten Systemen die Sprachverwirrung, was bleibt übrig? — Noch behauptet die Erfah- rungsseelenkunde unter den Wissenschaften nur einen precären Rang; sie stehe indeſs oder falle, die Wahrheit verliert nichts, die vor ihr war und nach ihr seyn wird. Stärke der Seele, Muth, Überlegenheit des Verstandes, ein gröſseres Maaſs von Urtheilskraft, Festig- keit des Willens, eine gröſsere Stärke des Ge- fühls und andere dergleichen Seelenvorzüge der Menschen sind es, die sich die Männer auf Kosten des weiblichen Geschlechtes als Erstgeburtsrechte zueignen. Sie sind mit dem Erdenall, das man zuweilen Erdenball heiſst, von Gott belehnt — die edlen Lehnsträger! —

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/62>, abgerufen am 23.11.2024.