Nahmen-Wuth anzuheben pflegt, sicher ihr Lebenlang -- machen sich aus Litteratur-Kin- dern und philosophischen Säuglingen eine Macht, und kommen nicht selten in die Ge- fahr jenes Menschenkenners, der einen treff- lichen Mann fragte: Ist der Herr nicht der Küster aus **? "Nein, ich bin der General- Superintendent **, und wer Sie sind, mag ich nicht wissen." -- Wer leugnet es, dass durch Gelehrte von Profession, z. B. durch Kant und Heyne, die Wissenschaften grosse Fortschritte machten? Gewiss würde der Mei- ster der Philosophie Kant in seinen patriar- chalischen Jahren nicht so kraftvolle Arbeiten liefern, und durch einen wohlgestalteten See- lenerben nach dem andern der Welt ein La- chen bereiten, wenn er nicht in der Blüthe seines Lebens mit diesen Gegenständen ver- traut geworden, und bei seinem Unterrichte zu denken von Anbeginn gewohnt gewesen wäre. Seine Vorlesungen waren die Goldwa- gen seiner Grundsätze -- Solch eine Pflege kann kein Geschäftsmann seinem Buche geben; noch nie aber haben verdienstvolle akademische
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Nahmen-Wuth anzuheben pflegt, sicher ihr Lebenlang — machen sich aus Litteratur-Kin- dern und philosophischen Säuglingen eine Macht, und kommen nicht selten in die Ge- fahr jenes Menschenkenners, der einen treff- lichen Mann fragte: Ist der Herr nicht der Küster aus **? »Nein, ich bin der General- Superintendent **, und wer Sie sind, mag ich nicht wissen.» — Wer leugnet es, daſs durch Gelehrte von Profession, z. B. durch Kant und Heyne, die Wissenschaften groſse Fortschritte machten? Gewiſs würde der Mei- ster der Philosophie Kant in seinen patriar- chalischen Jahren nicht so kraftvolle Arbeiten liefern, und durch einen wohlgestalteten See- lenerben nach dem andern der Welt ein La- chen bereiten, wenn er nicht in der Blüthe seines Lebens mit diesen Gegenständen ver- traut geworden, und bei seinem Unterrichte zu denken von Anbeginn gewohnt gewesen wäre. Seine Vorlesungen waren die Goldwa- gen seiner Grundsätze — Solch eine Pflege kann kein Geschäftsmann seinem Buche geben; noch nie aber haben verdienstvolle akademische
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Nahmen-Wuth anzuheben pflegt, sicher ihr
Lebenlang — machen sich aus Litteratur-Kin-
dern und philosophischen Säuglingen eine
Macht, und kommen nicht selten in die Ge-
fahr jenes Menschenkenners, der einen treff-
lichen Mann fragte: Ist der Herr nicht der
Küster aus **? »Nein, ich bin der General-
Superintendent **, und wer Sie sind, mag
ich nicht wissen.» — Wer leugnet es, daſs
durch Gelehrte von Profession, z. B. durch
Kant und Heyne, die Wissenschaften groſse
Fortschritte machten? Gewiſs würde der Mei-
ster der Philosophie Kant in seinen patriar-
chalischen Jahren nicht so kraftvolle Arbeiten
liefern, und durch einen wohlgestalteten See-
lenerben nach dem andern der Welt ein La-
chen bereiten, wenn er nicht in der Blüthe
seines Lebens mit diesen Gegenständen ver-
traut geworden, und bei seinem Unterrichte
zu denken von Anbeginn gewohnt gewesen
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gen seiner Grundsätze — Solch eine Pflege
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792, S. 423. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/431>, abgerufen am 24.11.2024.
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