Nicht allein? Lieber! wenn die Einsam- keit gemahlt werden soll, muss ein Weib sit- zen, oder sie ist nicht getroffen.
Oder nichts allein überlegen.
Und doch ziehen Männer sie alle Augen- blicke zu Rath; und wohl ihnen, und dem Collegio und dem Staate, wenn Männer es thun! O! wie gern wälzen die Männer ihre Bürde von ihrem Herzen auf ihre Weiber, denen sie ihre Geheimnisse anvertrauen! und wie viel haben Weiber zu tragen! o, wie viel! Von Weibern dagegen ist fast keine einzige, die nicht etwas hätte, was nur Gott und sie weiss, was kein Beichtvater erfährt, und wo- mit sie der Zeit und Ewigkeit unerschrocken entgegen geht -- Unsere Geheimnisse verflie- gen oft, gleich einem flüchtigen Geiste; die ihrigen sind ihnen in Herz und Seele geätzt -- Wenn Gedanken ihren Schöpfern entkommen, die sich bei aller oft widerlichen Anstrengung nicht zurückbringen lassen -- ihren Schöpfern, die nur selten Gedankenerhalter sind; so ver- statten Weiber ihren Gedanken nicht so viel
B b 3
Weiber können nicht allein seyn —
Nicht allein? Lieber! wenn die Einsam- keit gemahlt werden soll, muſs ein Weib sit- zen, oder sie ist nicht getroffen.
Oder nichts allein überlegen.
Und doch ziehen Männer sie alle Augen- blicke zu Rath; und wohl ihnen, und dem Collegio und dem Staate, wenn Männer es thun! O! wie gern wälzen die Männer ihre Bürde von ihrem Herzen auf ihre Weiber, denen sie ihre Geheimnisse anvertrauen! und wie viel haben Weiber zu tragen! o, wie viel! Von Weibern dagegen ist fast keine einzige, die nicht etwas hätte, was nur Gott und sie weiſs, was kein Beichtvater erfährt, und wo- mit sie der Zeit und Ewigkeit unerschrocken entgegen geht — Unsere Geheimnisse verflie- gen oft, gleich einem flüchtigen Geiste; die ihrigen sind ihnen in Herz und Seele geätzt — Wenn Gedanken ihren Schöpfern entkommen, die sich bei aller oft widerlichen Anstrengung nicht zurückbringen lassen — ihren Schöpfern, die nur selten Gedankenerhalter sind; so ver- statten Weiber ihren Gedanken nicht so viel
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Weiber können nicht allein seyn —
Nicht allein? Lieber! wenn die Einsam-
keit gemahlt werden soll, muſs ein Weib sit-
zen, oder sie ist nicht getroffen.
Oder nichts allein überlegen.
Und doch ziehen Männer sie alle Augen-
blicke zu Rath; und wohl ihnen, und dem
Collegio und dem Staate, wenn Männer es
thun! O! wie gern wälzen die Männer ihre
Bürde von ihrem Herzen auf ihre Weiber,
denen sie ihre Geheimnisse anvertrauen! und
wie viel haben Weiber zu tragen! o, wie viel!
Von Weibern dagegen ist fast keine einzige,
die nicht etwas hätte, was nur Gott und sie
weiſs, was kein Beichtvater erfährt, und wo-
mit sie der Zeit und Ewigkeit unerschrocken
entgegen geht — Unsere Geheimnisse verflie-
gen oft, gleich einem flüchtigen Geiste; die
ihrigen sind ihnen in Herz und Seele geätzt —
Wenn Gedanken ihren Schöpfern entkommen,
die sich bei aller oft widerlichen Anstrengung
nicht zurückbringen lassen — ihren Schöpfern,
die nur selten Gedankenerhalter sind; so ver-
statten Weiber ihren Gedanken nicht so viel
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792, S. 389. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/397>, abgerufen am 24.11.2024.
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