Wer ist aber im Stande, den Weibern Über- legung hierzu, kalte Schätzung des Gegenstan- des, Feinheit, zuvorkommendes Wohlwollen und Aufopferung abzusprechen --? Schon jetzt giebt es Freundschaften unter ihnen, die den unsrigen nicht weichen -- Nur das Vor- urtheil der Männer hat ihnen die Anlagen zur Freundschaft abgesprochen. Sind sie nicht zarter, treuer, unüberwindlicher, unbestech- barer, als viele Männer, wo Neid und Riva- lität von so vieler Art die Triebe des Herzens verfälschen, und die Freundschaft zum Con- trakt do ut des, facio ut facias, nicht zum Herzens-, sondern zum Sachentausche machen? -- Damon- und Pythias-Freundschaften sind Fälle, die zu den seltenen gehören, und die bei dem Einerlei der Weiber, bei ihrem All- tagsleben um so weniger zu erwarten stehen, da Proben und Situationen zu dergleichen Freundschaften durchaus unentbehrlich nöthig sind -- Und wie verschieden sind jene Da- mon- und Pythias-Freundschaften vom Dienst- gleichgewichte, das durch ein gewisses Ein- verständniss bewirkt wird. Weiber müssen
Wer ist aber im Stande, den Weibern Über- legung hierzu, kalte Schätzung des Gegenstan- des, Feinheit, zuvorkommendes Wohlwollen und Aufopferung abzusprechen —? Schon jetzt giebt es Freundschaften unter ihnen, die den unsrigen nicht weichen — Nur das Vor- urtheil der Männer hat ihnen die Anlagen zur Freundschaft abgesprochen. Sind sie nicht zarter, treuer, unüberwindlicher, unbestech- barer, als viele Männer, wo Neid und Riva- lität von so vieler Art die Triebe des Herzens verfälschen, und die Freundschaft zum Con- trakt do ut des, facio ut facias, nicht zum Herzens-, sondern zum Sachentausche machen? — Damon- und Pythias-Freundschaften sind Fälle, die zu den seltenen gehören, und die bei dem Einerlei der Weiber, bei ihrem All- tagsleben um so weniger zu erwarten stehen, da Proben und Situationen zu dergleichen Freundschaften durchaus unentbehrlich nöthig sind — Und wie verschieden sind jene Da- mon- und Pythias-Freundschaften vom Dienst- gleichgewichte, das durch ein gewisses Ein- verständniſs bewirkt wird. Weiber müssen
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Wer ist aber im Stande, den Weibern Über-
legung hierzu, kalte Schätzung des Gegenstan-
des, Feinheit, zuvorkommendes Wohlwollen
und Aufopferung abzusprechen —? Schon
jetzt giebt es Freundschaften unter ihnen, die
den unsrigen nicht weichen — Nur das Vor-
urtheil der Männer hat ihnen die Anlagen zur
Freundschaft abgesprochen. Sind sie nicht
zarter, treuer, unüberwindlicher, unbestech-
barer, als viele Männer, wo Neid und Riva-
lität von so vieler Art die Triebe des Herzens
verfälschen, und die Freundschaft zum Con-
trakt do ut des, facio ut facias, nicht zum
Herzens-, sondern zum Sachentausche machen?
— Damon- und Pythias-Freundschaften sind
Fälle, die zu den seltenen gehören, und die
bei dem Einerlei der Weiber, bei ihrem All-
tagsleben um so weniger zu erwarten stehen,
da Proben und Situationen zu dergleichen
Freundschaften durchaus unentbehrlich nöthig
sind — Und wie verschieden sind jene Da-
mon- und Pythias-Freundschaften vom Dienst-
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792, S. 372. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/380>, abgerufen am 25.11.2024.
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