sundheit und Leben! -- Gesetzt Weiber ver- ständen die Kunst nicht, ihren Zorn äusserlich zu zähmen, und eine gewisse Ruhe zu schwarz- künsteln -- sind nicht die unversteckten Feh- ler die leichtesten und gemeiniglich Schwach- heitssünden, von denen sich auch fromme gottgefällige Seelen nicht lossagen können? Die Heiligen sind in dieser Rücksicht nicht ohne Fehl vor Gott; -- vor Menschen es zur Scheinheiligkeit zu bringen, kann nicht schwer fallen. Jene Fehler bleiben die gefährlichsten, die in Schafskleidern zu uns kommen, inwen- dig aber reissende Wölfe sind: an ihren Früch- ten sollt ihr sie erkennen -- Zürnet und sün- diget nicht -- Ist nicht der Zorn eine Art von Waffen, womit wir oft Gutes erweisen können, ohne zu schaden? Was würden Weiber ohne dies Hausmittel bei der Kinder- erziehung ausrichten? Giebt es nicht Unbe- schnittene an Herz und Ohren, denen man nachdrücklich und gewaltiglich andeuten muss, was zu ihrem Frieden dient? -- "Verziere das Nützliche," sagte die Weisheit; die Thor- heit, die alles umzukehren gewohnt ist, kehr-
sundheit und Leben! — Gesetzt Weiber ver- ständen die Kunst nicht, ihren Zorn äuſserlich zu zähmen, und eine gewisse Ruhe zu schwarz- künsteln — sind nicht die unversteckten Feh- ler die leichtesten und gemeiniglich Schwach- heitssünden, von denen sich auch fromme gottgefällige Seelen nicht lossagen können? Die Heiligen sind in dieser Rücksicht nicht ohne Fehl vor Gott; — vor Menschen es zur Scheinheiligkeit zu bringen, kann nicht schwer fallen. Jene Fehler bleiben die gefährlichsten, die in Schafskleidern zu uns kommen, inwen- dig aber reiſsende Wölfe sind: an ihren Früch- ten sollt ihr sie erkennen — Zürnet und sün- diget nicht — Ist nicht der Zorn eine Art von Waffen, womit wir oft Gutes erweisen können, ohne zu schaden? Was würden Weiber ohne dies Hausmittel bei der Kinder- erziehung ausrichten? Giebt es nicht Unbe- schnittene an Herz und Ohren, denen man nachdrücklich und gewaltiglich andeuten muſs, was zu ihrem Frieden dient? — »Verziere das Nützliche,» sagte die Weisheit; die Thor- heit, die alles umzukehren gewohnt ist, kehr-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0378"n="370"/>
sundheit und Leben! — Gesetzt Weiber ver-<lb/>
ständen die Kunst nicht, ihren Zorn äuſserlich<lb/>
zu zähmen, und eine gewisse Ruhe zu schwarz-<lb/>
künsteln — sind nicht die unversteckten Feh-<lb/>
ler die leichtesten und gemeiniglich Schwach-<lb/>
heitssünden, von denen sich auch fromme<lb/>
gottgefällige Seelen nicht lossagen können?<lb/>
Die Heiligen sind in dieser Rücksicht nicht<lb/>
ohne Fehl vor Gott; — vor Menschen es zur<lb/>
Scheinheiligkeit zu bringen, kann nicht schwer<lb/>
fallen. Jene Fehler bleiben die gefährlichsten,<lb/>
die in Schafskleidern zu uns kommen, inwen-<lb/>
dig aber reiſsende Wölfe sind: an ihren Früch-<lb/>
ten sollt ihr sie erkennen — Zürnet und sün-<lb/>
diget nicht — Ist nicht der Zorn eine Art<lb/>
von Waffen, womit wir oft Gutes erweisen<lb/>
können, ohne zu schaden? Was würden<lb/>
Weiber ohne dies Hausmittel bei der Kinder-<lb/>
erziehung ausrichten? Giebt es nicht Unbe-<lb/>
schnittene an Herz und Ohren, denen man<lb/>
nachdrücklich und gewaltiglich andeuten muſs,<lb/>
was zu ihrem Frieden dient? — »Verziere<lb/>
das Nützliche,» sagte die Weisheit; die Thor-<lb/>
heit, die alles umzukehren gewohnt ist, kehr-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[370/0378]
sundheit und Leben! — Gesetzt Weiber ver-
ständen die Kunst nicht, ihren Zorn äuſserlich
zu zähmen, und eine gewisse Ruhe zu schwarz-
künsteln — sind nicht die unversteckten Feh-
ler die leichtesten und gemeiniglich Schwach-
heitssünden, von denen sich auch fromme
gottgefällige Seelen nicht lossagen können?
Die Heiligen sind in dieser Rücksicht nicht
ohne Fehl vor Gott; — vor Menschen es zur
Scheinheiligkeit zu bringen, kann nicht schwer
fallen. Jene Fehler bleiben die gefährlichsten,
die in Schafskleidern zu uns kommen, inwen-
dig aber reiſsende Wölfe sind: an ihren Früch-
ten sollt ihr sie erkennen — Zürnet und sün-
diget nicht — Ist nicht der Zorn eine Art
von Waffen, womit wir oft Gutes erweisen
können, ohne zu schaden? Was würden
Weiber ohne dies Hausmittel bei der Kinder-
erziehung ausrichten? Giebt es nicht Unbe-
schnittene an Herz und Ohren, denen man
nachdrücklich und gewaltiglich andeuten muſs,
was zu ihrem Frieden dient? — »Verziere
das Nützliche,» sagte die Weisheit; die Thor-
heit, die alles umzukehren gewohnt ist, kehr-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792, S. 370. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/378>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.