unverwandtes Seelenauge mit strenger Auf- merksamkeit auf einen andern Gegenstand hef- tet, spielt dem Schmerz einen Streich, dass er nicht weiss, wie er daran ist. In allen diesen Rücksichten ist vom andern Geschlechte mehr, unendlich mehr, als vom unsrigen zu erwarten -- Ein gewisses Segensprechen, ein gewisses Hohnsprechen, ist ihm eigen -- Man seh' es leiden, man seh' es mitleiden, und Beileid bezeigen -- man hör' es Trost und Muth zureden --
Wie viel eine vernünftige Lebensordnung zur Erhaltung der Gesundheit beiträgt, und welch ein bedeutendes Hauptstück hier Speise und Trank ausmachen; wie vieles dabei auf wahre Zubereitung ankommt: das sind Um- stände, von denen jeder überzeugt ist; und doch wird dieser wichtigste und eigentlichste Theil der Arzeneikunst ganz dem weiblichen Geschlecht überlassen, ohne ihm die geringste Kenntniss von dem zu lehren, was es zuberei- tet, noch wie es dasselbe zubereiten muss, wenn die thierische Maschine unterhalten und nicht zerstöret werden soll -- Vielleicht wür-
unverwandtes Seelenauge mit strenger Auf- merksamkeit auf einen andern Gegenstand hef- tet, spielt dem Schmerz einen Streich, daſs er nicht weiſs, wie er daran ist. In allen diesen Rücksichten ist vom andern Geschlechte mehr, unendlich mehr, als vom unsrigen zu erwarten — Ein gewisses Segensprechen, ein gewisses Hohnsprechen, ist ihm eigen — Man seh’ es leiden, man seh’ es mitleiden, und Beileid bezeigen — man hör’ es Trost und Muth zureden —
Wie viel eine vernünftige Lebensordnung zur Erhaltung der Gesundheit beiträgt, und welch ein bedeutendes Hauptstück hier Speise und Trank ausmachen; wie vieles dabei auf wahre Zubereitung ankommt: das sind Um- stände, von denen jeder überzeugt ist; und doch wird dieser wichtigste und eigentlichste Theil der Arzeneikunst ganz dem weiblichen Geschlecht überlassen, ohne ihm die geringste Kenntniſs von dem zu lehren, was es zuberei- tet, noch wie es dasselbe zubereiten muſs, wenn die thierische Maschine unterhalten und nicht zerstöret werden soll — Vielleicht wür-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0343"n="335"/>
unverwandtes Seelenauge mit strenger Auf-<lb/>
merksamkeit auf einen andern Gegenstand hef-<lb/>
tet, spielt dem Schmerz einen Streich, daſs<lb/>
er nicht weiſs, wie er daran ist. In allen<lb/>
diesen Rücksichten ist vom andern Geschlechte<lb/>
mehr, unendlich mehr, als vom unsrigen zu<lb/>
erwarten — Ein gewisses Segensprechen, ein<lb/>
gewisses Hohnsprechen, ist ihm eigen — Man<lb/>
seh’ es leiden, man seh’ es mitleiden, und<lb/>
Beileid bezeigen — man hör’ es Trost und<lb/>
Muth zureden —</p><lb/><p>Wie viel eine vernünftige Lebensordnung<lb/>
zur Erhaltung der Gesundheit beiträgt, und<lb/>
welch ein bedeutendes Hauptstück hier Speise<lb/>
und Trank ausmachen; wie vieles dabei auf<lb/>
wahre Zubereitung ankommt: das sind Um-<lb/>
stände, von denen jeder überzeugt ist; und<lb/>
doch wird dieser wichtigste und eigentlichste<lb/>
Theil der Arzeneikunst ganz dem weiblichen<lb/>
Geschlecht überlassen, ohne ihm die geringste<lb/>
Kenntniſs von dem zu lehren, was es zuberei-<lb/>
tet, noch wie es dasselbe zubereiten muſs,<lb/>
wenn die thierische Maschine unterhalten und<lb/>
nicht zerstöret werden soll — Vielleicht wür-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[335/0343]
unverwandtes Seelenauge mit strenger Auf-
merksamkeit auf einen andern Gegenstand hef-
tet, spielt dem Schmerz einen Streich, daſs
er nicht weiſs, wie er daran ist. In allen
diesen Rücksichten ist vom andern Geschlechte
mehr, unendlich mehr, als vom unsrigen zu
erwarten — Ein gewisses Segensprechen, ein
gewisses Hohnsprechen, ist ihm eigen — Man
seh’ es leiden, man seh’ es mitleiden, und
Beileid bezeigen — man hör’ es Trost und
Muth zureden —
Wie viel eine vernünftige Lebensordnung
zur Erhaltung der Gesundheit beiträgt, und
welch ein bedeutendes Hauptstück hier Speise
und Trank ausmachen; wie vieles dabei auf
wahre Zubereitung ankommt: das sind Um-
stände, von denen jeder überzeugt ist; und
doch wird dieser wichtigste und eigentlichste
Theil der Arzeneikunst ganz dem weiblichen
Geschlecht überlassen, ohne ihm die geringste
Kenntniſs von dem zu lehren, was es zuberei-
tet, noch wie es dasselbe zubereiten muſs,
wenn die thierische Maschine unterhalten und
nicht zerstöret werden soll — Vielleicht wür-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/343>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.