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Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792.

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de Jortin, einem Geistlichen, mit dem er über
natürliche und geoffenbarte Religion einen
Wortwechsel gehabt hatte; und da der Phi-
losoph nicht zugeben wollte, dass der Geist-
liche ihn begleitete, fiel er. Der Geistliche,
der ihn fallen hörte, kam ihm mit seinem
Lichte zu Hülfe, und machte ihn mit den
Worten verdriesslich: "Habe ich Ihnen nicht
"oft gesagt, lieber Freund, dass Sie Sich nicht
"zu viel auf eigene Kräfte verlassen sollen,
"und dass das natürliche Licht nicht hinreicht?"
Die natürliche Religion verlor durch diesen
Fall Hume'ns nur eben so viel, wie die geof-
fenbarte durch das Licht Jortin's gewann; al-
lein die Justiz verliert durch den Umstand,
dass auch die ersten ihrer Officianten sehr oft
nicht wissen, wie sie mit ihr daran sind --
Sie fallen mit und ohne Licht, mit und ohne
Begleitung; und ich weiss nicht, woran es
liegt, dass Niemand recht weiss, was Rechtens
ist. Ihre Sentenzen, welche die Sache lösen
wollen und sollen, sind gemeiniglich neue
Räthsel, die sie aufgeben; und doch gehören
viele Sächsische Fristen und viele doppelte

de Jortin, einem Geistlichen, mit dem er über
natürliche und geoffenbarte Religion einen
Wortwechsel gehabt hatte; und da der Phi-
losoph nicht zugeben wollte, daſs der Geist-
liche ihn begleitete, fiel er. Der Geistliche,
der ihn fallen hörte, kam ihm mit seinem
Lichte zu Hülfe, und machte ihn mit den
Worten verdrieſslich: »Habe ich Ihnen nicht
»oft gesagt, lieber Freund, daſs Sie Sich nicht
»zu viel auf eigene Kräfte verlassen sollen,
»und daſs das natürliche Licht nicht hinreicht?»
Die natürliche Religion verlor durch diesen
Fall Hume’ns nur eben so viel, wie die geof-
fenbarte durch das Licht Jortin’s gewann; al-
lein die Justiz verliert durch den Umstand,
daſs auch die ersten ihrer Officianten sehr oft
nicht wissen, wie sie mit ihr daran sind —
Sie fallen mit und ohne Licht, mit und ohne
Begleitung; und ich weiſs nicht, woran es
liegt, daſs Niemand recht weiſs, was Rechtens
ist. Ihre Sentenzen, welche die Sache lösen
wollen und sollen, sind gemeiniglich neue
Räthsel, die sie aufgeben; und doch gehören
viele Sächsische Fristen und viele doppelte

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[318/0326] de Jortin, einem Geistlichen, mit dem er über natürliche und geoffenbarte Religion einen Wortwechsel gehabt hatte; und da der Phi- losoph nicht zugeben wollte, daſs der Geist- liche ihn begleitete, fiel er. Der Geistliche, der ihn fallen hörte, kam ihm mit seinem Lichte zu Hülfe, und machte ihn mit den Worten verdrieſslich: »Habe ich Ihnen nicht »oft gesagt, lieber Freund, daſs Sie Sich nicht »zu viel auf eigene Kräfte verlassen sollen, »und daſs das natürliche Licht nicht hinreicht?» Die natürliche Religion verlor durch diesen Fall Hume’ns nur eben so viel, wie die geof- fenbarte durch das Licht Jortin’s gewann; al- lein die Justiz verliert durch den Umstand, daſs auch die ersten ihrer Officianten sehr oft nicht wissen, wie sie mit ihr daran sind — Sie fallen mit und ohne Licht, mit und ohne Begleitung; und ich weiſs nicht, woran es liegt, daſs Niemand recht weiſs, was Rechtens ist. Ihre Sentenzen, welche die Sache lösen wollen und sollen, sind gemeiniglich neue Räthsel, die sie aufgeben; und doch gehören viele Sächsische Fristen und viele doppelte

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/326>, abgerufen am 25.11.2024.