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Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792.

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Weibern Gerechtigkeit zu erweisen? Über-
haupt ist selbst unser Leben nur halb, da wir
die Weiber nicht zu leben berechtigen; und
wie leben sie denn?

Ob sie gleich heut zu Tage noch zu sehr
der Sinnlichkeit fröhnen, woran sie weniger
Schuld sind, als unsere Härte; obgleich noch
bei weitem nicht an ihnen erschienen ist, was
sie seyn können und seyn werden: so zeigen
sie doch bei so vieler Gelegenheit eine Selbst-
beständigkeit, eine Fassung, die uns so oft
beschämt. -- Ihre Ausschweifungen, die wir
so schrecklich vergrössern, entstehen mehr aus
Befriedigung der Eitelkeit als der Begierde.
Sie haben keine andere Olympische Bahn, als
Männer zu fahen; man öffne ihnen andere,
und sie werden Wunder thun. Das Prome-
moria, welches jener Kaufmann in sein Denk-
buch trug: "Ja nicht zu vergessen, mich in
Hamburg zu verheirathen!" ist ins Herz der
Frauenzimmer verzeichnet -- Darum das Wer-
ben ihrer Augen -- Gemeiniglich haben sie
hierbei keine Absicht; sie treiben das Mienen-
spiel der Mode halben, und weil keine kluge

Weibern Gerechtigkeit zu erweisen? Über-
haupt ist selbst unser Leben nur halb, da wir
die Weiber nicht zu leben berechtigen; und
wie leben sie denn?

Ob sie gleich heut zu Tage noch zu sehr
der Sinnlichkeit fröhnen, woran sie weniger
Schuld sind, als unsere Härte; obgleich noch
bei weitem nicht an ihnen erschienen ist, was
sie seyn können und seyn werden: so zeigen
sie doch bei so vieler Gelegenheit eine Selbst-
beständigkeit, eine Fassung, die uns so oft
beschämt. — Ihre Ausschweifungen, die wir
so schrecklich vergröſsern, entstehen mehr aus
Befriedigung der Eitelkeit als der Begierde.
Sie haben keine andere Olympische Bahn, als
Männer zu fahen; man öffne ihnen andere,
und sie werden Wunder thun. Das Prome-
moria, welches jener Kaufmann in sein Denk-
buch trug: »Ja nicht zu vergessen, mich in
Hamburg zu verheirathen!» ist ins Herz der
Frauenzimmer verzeichnet — Darum das Wer-
ben ihrer Augen — Gemeiniglich haben sie
hierbei keine Absicht; sie treiben das Mienen-
spiel der Mode halben, und weil keine kluge

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[299/0307] Weibern Gerechtigkeit zu erweisen? Über- haupt ist selbst unser Leben nur halb, da wir die Weiber nicht zu leben berechtigen; und wie leben sie denn? Ob sie gleich heut zu Tage noch zu sehr der Sinnlichkeit fröhnen, woran sie weniger Schuld sind, als unsere Härte; obgleich noch bei weitem nicht an ihnen erschienen ist, was sie seyn können und seyn werden: so zeigen sie doch bei so vieler Gelegenheit eine Selbst- beständigkeit, eine Fassung, die uns so oft beschämt. — Ihre Ausschweifungen, die wir so schrecklich vergröſsern, entstehen mehr aus Befriedigung der Eitelkeit als der Begierde. Sie haben keine andere Olympische Bahn, als Männer zu fahen; man öffne ihnen andere, und sie werden Wunder thun. Das Prome- moria, welches jener Kaufmann in sein Denk- buch trug: »Ja nicht zu vergessen, mich in Hamburg zu verheirathen!» ist ins Herz der Frauenzimmer verzeichnet — Darum das Wer- ben ihrer Augen — Gemeiniglich haben sie hierbei keine Absicht; sie treiben das Mienen- spiel der Mode halben, und weil keine kluge

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/307>, abgerufen am 25.11.2024.