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Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792.

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schwindelig -- Man mache mit Weibern
den Versuch, und wir werden finden, dass
es keine Wahrheit giebt, die ihr Kopf nicht
ertragen könnte; sie wollen so weit wie mög-
lich -- Wir glauben zu leicht, dass unser
Plan regelmässig organisirt sey; die Weiber
sind leichtgläubiger bei der Ausführung --
Sie fürchten nichts Hohes, nichts Niedriges,
nichts was Unwissenheit oder Gelehrsamkeit,
Witz und Unwitz, Verstand und Unverstand
vermögen; wäre ihnen die ausübende Gewalt
anvertrauet -- sie würden sicher mehr leisten
als wir, und, wenn sie sänken, es wie der
sterbende Sokrates machen, der, als er seine
Füsse durch Gift schon in Leichnam verwan-
delt fühlte, sie streichelte und mit lachender
Stirne sagte: so nahe gränzen Vergnügen und
Schmerz an einander; -- oder wie Seneca, der
Wasser mit seinem Blute vermischt, Jupiter
dem Befreier
weihete. Ach, wie oft, wenn
mich so mancher Dienst-Nero bis aufs Blut
verfolgte und die Wuth blödsinniger Tyran-
nen mir zwar nicht die Ader öffnen liess, wohl
aber mir weit härter fiel, stärkte mich dieses

Weih-

schwindelig — Man mache mit Weibern
den Versuch, und wir werden finden, daſs
es keine Wahrheit giebt, die ihr Kopf nicht
ertragen könnte; sie wollen so weit wie mög-
lich — Wir glauben zu leicht, daſs unser
Plan regelmäſsig organisirt sey; die Weiber
sind leichtgläubiger bei der Ausführung —
Sie fürchten nichts Hohes, nichts Niedriges,
nichts was Unwissenheit oder Gelehrsamkeit,
Witz und Unwitz, Verstand und Unverstand
vermögen; wäre ihnen die ausübende Gewalt
anvertrauet — sie würden sicher mehr leisten
als wir, und, wenn sie sänken, es wie der
sterbende Sokrates machen, der, als er seine
Füſse durch Gift schon in Leichnam verwan-
delt fühlte, sie streichelte und mit lachender
Stirne sagte: so nahe gränzen Vergnügen und
Schmerz an einander; — oder wie Seneca, der
Wasser mit seinem Blute vermischt, Jupiter
dem Befreier
weihete. Ach, wie oft, wenn
mich so mancher Dienst-Nero bis aufs Blut
verfolgte und die Wuth blödsinniger Tyran-
nen mir zwar nicht die Ader öffnen lieſs, wohl
aber mir weit härter fiel, stärkte mich dieses

Weih-
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[288/0296] schwindelig — Man mache mit Weibern den Versuch, und wir werden finden, daſs es keine Wahrheit giebt, die ihr Kopf nicht ertragen könnte; sie wollen so weit wie mög- lich — Wir glauben zu leicht, daſs unser Plan regelmäſsig organisirt sey; die Weiber sind leichtgläubiger bei der Ausführung — Sie fürchten nichts Hohes, nichts Niedriges, nichts was Unwissenheit oder Gelehrsamkeit, Witz und Unwitz, Verstand und Unverstand vermögen; wäre ihnen die ausübende Gewalt anvertrauet — sie würden sicher mehr leisten als wir, und, wenn sie sänken, es wie der sterbende Sokrates machen, der, als er seine Füſse durch Gift schon in Leichnam verwan- delt fühlte, sie streichelte und mit lachender Stirne sagte: so nahe gränzen Vergnügen und Schmerz an einander; — oder wie Seneca, der Wasser mit seinem Blute vermischt, Jupiter dem Befreier weihete. Ach, wie oft, wenn mich so mancher Dienst-Nero bis aufs Blut verfolgte und die Wuth blödsinniger Tyran- nen mir zwar nicht die Ader öffnen lieſs, wohl aber mir weit härter fiel, stärkte mich dieses Weih-

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/296>, abgerufen am 23.11.2024.