Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

dadurch, wenn einige ihrer Meister nicht Weis-
heitsbeflissene sind?) Hat der Rektor der
grossen Römischen Universität, Cicero, so
ganz Unrecht, wenn er dem Studieren den
Preis über Alles zuerkennt, was sonst beschäf-
tigen kann und mag? Wie kann man mit
grösserem und bleibenderem Gewinne seine
Zeit benutzen? Der Handarbeiter, sagt man,
wendet sie an; der Gelehrte vertreibt sie. Ei,
Lieber! müssen denn nicht Feldherren seyn,
wo es Krieger giebt? müssen nicht Officiere
überlegen, was gemeine Soldaten ausführen? --
Durch tiefes Denken gewöhnen wir unsere
Seele zu einer Art von Existenz ausserhalb des
Körpers; sie bereitet sich durch eine kleine
Reise nach Rekahn zu einer Cookschen vor,
durch einen Weg über Feld zu einem andern
-- der uns Allen bevorsteht. Wenn Cicero
es nicht ungeneigt nehmen wollte, dass ich
seinen guten Geist bei dieser Gelegenheit
schon wieder citire; so sollt' es seinen Aus-
spruch gelten, dass das ganze Leben des den-
kenden Mannes eine Todesbetrachtung sei. --
Darf bei diesen Umständen das schöne Ge-

S 3

dadurch, wenn einige ihrer Meister nicht Weis-
heitsbeflissene sind?) Hat der Rektor der
groſsen Römischen Universität, Cicero, so
ganz Unrecht, wenn er dem Studieren den
Preis über Alles zuerkennt, was sonst beschäf-
tigen kann und mag? Wie kann man mit
gröſserem und bleibenderem Gewinne seine
Zeit benutzen? Der Handarbeiter, sagt man,
wendet sie an; der Gelehrte vertreibt sie. Ei,
Lieber! müssen denn nicht Feldherren seyn,
wo es Krieger giebt? müssen nicht Officiere
überlegen, was gemeine Soldaten ausführen? —
Durch tiefes Denken gewöhnen wir unsere
Seele zu einer Art von Existenz auſserhalb des
Körpers; sie bereitet sich durch eine kleine
Reise nach Rekahn zu einer Cookschen vor,
durch einen Weg über Feld zu einem andern
— der uns Allen bevorsteht. Wenn Cicero
es nicht ungeneigt nehmen wollte, daſs ich
seinen guten Geist bei dieser Gelegenheit
schon wieder citire; so sollt’ es seinen Aus-
spruch gelten, daſs das ganze Leben des den-
kenden Mannes eine Todesbetrachtung sei. —
Darf bei diesen Umständen das schöne Ge-

S 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0285" n="277"/>
dadurch, wenn einige ihrer Meister nicht Weis-<lb/>
heitsbeflissene sind?) Hat der Rektor der<lb/>
gro&#x017F;sen Römischen Universität, <hi rendition="#i">Cicero</hi>, so<lb/>
ganz Unrecht, wenn er dem Studieren den<lb/>
Preis über Alles zuerkennt, was sonst beschäf-<lb/>
tigen kann und mag? Wie kann man mit<lb/>
grö&#x017F;serem und bleibenderem Gewinne seine<lb/>
Zeit benutzen? Der Handarbeiter, sagt man,<lb/>
wendet sie an; der Gelehrte vertreibt sie. Ei,<lb/>
Lieber! müssen denn nicht Feldherren seyn,<lb/>
wo es Krieger giebt? müssen nicht Officiere<lb/>
überlegen, was gemeine Soldaten ausführen? &#x2014;<lb/>
Durch tiefes Denken gewöhnen wir unsere<lb/>
Seele zu einer Art von Existenz au&#x017F;serhalb des<lb/>
Körpers; sie bereitet sich durch eine kleine<lb/>
Reise nach <hi rendition="#i">Rekahn</hi> zu einer <hi rendition="#i">Cookschen</hi> vor,<lb/>
durch einen Weg über Feld zu einem andern<lb/>
&#x2014; der uns Allen bevorsteht. Wenn <hi rendition="#i">Cicero</hi><lb/>
es nicht ungeneigt nehmen wollte, da&#x017F;s ich<lb/>
seinen guten Geist bei dieser Gelegenheit<lb/>
schon wieder citire; so sollt&#x2019; es seinen Aus-<lb/>
spruch gelten, da&#x017F;s das ganze Leben des den-<lb/>
kenden Mannes eine Todesbetrachtung sei. &#x2014;<lb/>
Darf bei diesen Umständen das schöne Ge-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">S 3</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[277/0285] dadurch, wenn einige ihrer Meister nicht Weis- heitsbeflissene sind?) Hat der Rektor der groſsen Römischen Universität, Cicero, so ganz Unrecht, wenn er dem Studieren den Preis über Alles zuerkennt, was sonst beschäf- tigen kann und mag? Wie kann man mit gröſserem und bleibenderem Gewinne seine Zeit benutzen? Der Handarbeiter, sagt man, wendet sie an; der Gelehrte vertreibt sie. Ei, Lieber! müssen denn nicht Feldherren seyn, wo es Krieger giebt? müssen nicht Officiere überlegen, was gemeine Soldaten ausführen? — Durch tiefes Denken gewöhnen wir unsere Seele zu einer Art von Existenz auſserhalb des Körpers; sie bereitet sich durch eine kleine Reise nach Rekahn zu einer Cookschen vor, durch einen Weg über Feld zu einem andern — der uns Allen bevorsteht. Wenn Cicero es nicht ungeneigt nehmen wollte, daſs ich seinen guten Geist bei dieser Gelegenheit schon wieder citire; so sollt’ es seinen Aus- spruch gelten, daſs das ganze Leben des den- kenden Mannes eine Todesbetrachtung sei. — Darf bei diesen Umständen das schöne Ge- S 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/285
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/285>, abgerufen am 24.11.2024.