erwacht, so mahlen wir aus dem Spiegel der Zurückerinnerung, und die Natur hat nicht Ursache, diese Copien für viel weniger als Originale zu halten -- Es sieht wie aus der ersten Hand aus, ob es gleich eigentlich aus der zweiten ist. Weiber können im vollen Genusse der Natur diesen Genuss beschreiben; auf das innigste in sie verwebt, verlieren sie den Ausdruck nie; sie scheinen Ein Herz und Eine Seele mit der Natur zu seyn, und da sie weder zu hoch gespannt sind, noch in süssen Schlummer versinken, so gebricht es ihnen bloss an Dreistigkeit, um ihren Naturgenuss auch Andere durch Darstellung geniessen zu lassen. -- Sie können im ersten Feuer arbeiten, wenn wir uns zuvor abkühlen müssen. Gewiss hät- ten wir manche weibliche Ossiane, wenn wir es wollten; und was wäre unsere Karschin geworden, wenn man ihr nicht die Flügel der Morgenröthe durch den Unterricht in der My- thologie beschnitten hätte! Die Originalität gedeihet nur im Schoosse der Freiheit; und kann wohl die Natur durch Weiber vernehm- bar seyn, ehe Männer aufhören, die Weiber
erwacht, so mahlen wir aus dem Spiegel der Zurückerinnerung, und die Natur hat nicht Ursache, diese Copien für viel weniger als Originale zu halten — Es sieht wie aus der ersten Hand aus, ob es gleich eigentlich aus der zweiten ist. Weiber können im vollen Genusse der Natur diesen Genuſs beschreiben; auf das innigste in sie verwebt, verlieren sie den Ausdruck nie; sie scheinen Ein Herz und Eine Seele mit der Natur zu seyn, und da sie weder zu hoch gespannt sind, noch in süſsen Schlummer versinken, so gebricht es ihnen bloſs an Dreistigkeit, um ihren Naturgenuſs auch Andere durch Darstellung genieſsen zu lassen. — Sie können im ersten Feuer arbeiten, wenn wir uns zuvor abkühlen müssen. Gewiſs hät- ten wir manche weibliche Ossiane, wenn wir es wollten; und was wäre unsere Karschin geworden, wenn man ihr nicht die Flügel der Morgenröthe durch den Unterricht in der My- thologie beschnitten hätte! Die Originalität gedeihet nur im Schooſse der Freiheit; und kann wohl die Natur durch Weiber vernehm- bar seyn, ehe Männer aufhören, die Weiber
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erwacht, so mahlen wir aus dem Spiegel der
Zurückerinnerung, und die Natur hat nicht
Ursache, diese Copien für viel weniger als
Originale zu halten — Es sieht wie aus der
ersten Hand aus, ob es gleich eigentlich aus
der zweiten ist. Weiber können im vollen
Genusse der Natur diesen Genuſs beschreiben;
auf das innigste in sie verwebt, verlieren sie
den Ausdruck nie; sie scheinen Ein Herz und
Eine Seele mit der Natur zu seyn, und da sie
weder zu hoch gespannt sind, noch in süſsen
Schlummer versinken, so gebricht es ihnen bloſs
an Dreistigkeit, um ihren Naturgenuſs auch
Andere durch Darstellung genieſsen zu lassen.
— Sie können im ersten Feuer arbeiten, wenn
wir uns zuvor abkühlen müssen. Gewiſs hät-
ten wir manche weibliche Ossiane, wenn wir
es wollten; und was wäre unsere Karschin
geworden, wenn man ihr nicht die Flügel der
Morgenröthe durch den Unterricht in der My-
thologie beschnitten hätte! Die Originalität
gedeihet nur im Schooſse der Freiheit; und
kann wohl die Natur durch Weiber vernehm-
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/275>, abgerufen am 24.11.2024.
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