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Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792.

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angenommen, und die entrüsteten Sabiner be-
ruhigt hätten. Was wär' aus Coriolan's Vater-
stadt geworden, wenn die Mutter den Sohn
nicht besänftigte? Ohne den Römischen Stolz
und die edle Aufforderung eines Weibes
(Margarethe Herlobig) wäre der Schweizerbund
vielleicht nie zu Stande gekommen -- Die
Überredungsgabe eines Weibes übertrifft Al-
les, was Kunst je geleistet hat. Und ihre
Lehrmethode? In Wahrheit, Weiber sind
äusserst lehrreich: sie sind so grosse Lehre-
rinnen, als Erzieherinnen. Wer Weiber bloss
auf Gefühle und Empfindungen reducirt, kennt
weder Gefühle, noch Empfindungen, noch die
Weiber. Oder wie? lehrt das Herz etwa den
Kopf? verleihet das Gefühlsvermögen dem Er-
kenntnissvermögen evidente Gefühle zum Ver-
gleichen und zum Entscheiden? Stammt das
moralische Gefühl, wenn es anders ein wirk-
liches Etwas seyn soll, nicht aus der Ver-
nunft? Muss nicht der Kopf dem Herzen
Grundsätze so eigen machen, dass es die Ach-
tung für das Gesetz als Gewohnheit, als Ge-
fühl ansieht? -- Das Herz, unbelehrt von

angenommen, und die entrüsteten Sabiner be-
ruhigt hätten. Was wär’ aus Coriolan’s Vater-
stadt geworden, wenn die Mutter den Sohn
nicht besänftigte? Ohne den Römischen Stolz
und die edle Aufforderung eines Weibes
(Margarethe Herlobig) wäre der Schweizerbund
vielleicht nie zu Stande gekommen — Die
Überredungsgabe eines Weibes übertrifft Al-
les, was Kunst je geleistet hat. Und ihre
Lehrmethode? In Wahrheit, Weiber sind
äuſserst lehrreich: sie sind so groſse Lehre-
rinnen, als Erzieherinnen. Wer Weiber bloſs
auf Gefühle und Empfindungen reducirt, kennt
weder Gefühle, noch Empfindungen, noch die
Weiber. Oder wie? lehrt das Herz etwa den
Kopf? verleihet das Gefühlsvermögen dem Er-
kenntniſsvermögen evidente Gefühle zum Ver-
gleichen und zum Entscheiden? Stammt das
moralische Gefühl, wenn es anders ein wirk-
liches Etwas seyn soll, nicht aus der Ver-
nunft? Muſs nicht der Kopf dem Herzen
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[254/0262] angenommen, und die entrüsteten Sabiner be- ruhigt hätten. Was wär’ aus Coriolan’s Vater- stadt geworden, wenn die Mutter den Sohn nicht besänftigte? Ohne den Römischen Stolz und die edle Aufforderung eines Weibes (Margarethe Herlobig) wäre der Schweizerbund vielleicht nie zu Stande gekommen — Die Überredungsgabe eines Weibes übertrifft Al- les, was Kunst je geleistet hat. Und ihre Lehrmethode? In Wahrheit, Weiber sind äuſserst lehrreich: sie sind so groſse Lehre- rinnen, als Erzieherinnen. Wer Weiber bloſs auf Gefühle und Empfindungen reducirt, kennt weder Gefühle, noch Empfindungen, noch die Weiber. Oder wie? lehrt das Herz etwa den Kopf? verleihet das Gefühlsvermögen dem Er- kenntniſsvermögen evidente Gefühle zum Ver- gleichen und zum Entscheiden? Stammt das moralische Gefühl, wenn es anders ein wirk- liches Etwas seyn soll, nicht aus der Ver- nunft? Muſs nicht der Kopf dem Herzen Grundsätze so eigen machen, daſs es die Ach- tung für das Gesetz als Gewohnheit, als Ge- fühl ansieht? — Das Herz, unbelehrt von

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/262>, abgerufen am 24.11.2024.