druck. Auge und Sprache sind Ein Herz und Eine Seele, und Weiber haben nicht nur in ihrem Blick, in ihrem Auge und auf ihrer Zunge Hölle und Himmel, Leben und Tod, Wohl und Wehe; sondern selbst ihr Hören ist von der äussersten Bedeutung -- Sie hören anders als wir; und wer kann den Einfluss leugnen, den das Gehör auf unsere Rede be- hauptet? -- Ich kenne einen schwer beamte- ten vornehmen Mann, der in dem Rufe steht, dass er alle Menschen höre; auch hört er wirklich Alles, was sich in seinem Vorzimmer hören lassen will: und doch klagt alle Welt, dass er nicht höre; -- entweder ist er zer- streuet oder unfähig zu verstehen. Es giebt eine moralische Taubheit bei dem besten phy- sischen Gehör -- Man kann gütig und ge- recht, unfreundlich und zuvorkommend hö- ren -- Der schüchterne bescheidene Jüng- ling zieht aus dem geneigten Gehör seines Beschützers Muth und Leben, und man kann abhören, anhören, aufhören, aushören und beim Hören in eine Art von Horchen fallen, welches durch das Ohrenspitzen in Verlegen-
druck. Auge und Sprache sind Ein Herz und Eine Seele, und Weiber haben nicht nur in ihrem Blick, in ihrem Auge und auf ihrer Zunge Hölle und Himmel, Leben und Tod, Wohl und Wehe; sondern selbst ihr Hören ist von der äuſsersten Bedeutung — Sie hören anders als wir; und wer kann den Einfluſs leugnen, den das Gehör auf unsere Rede be- hauptet? — Ich kenne einen schwer beamte- ten vornehmen Mann, der in dem Rufe steht, daſs er alle Menschen höre; auch hört er wirklich Alles, was sich in seinem Vorzimmer hören lassen will: und doch klagt alle Welt, daſs er nicht höre; — entweder ist er zer- streuet oder unfähig zu verstehen. Es giebt eine moralische Taubheit bei dem besten phy- sischen Gehör — Man kann gütig und ge- recht, unfreundlich und zuvorkommend hö- ren — Der schüchterne bescheidene Jüng- ling zieht aus dem geneigten Gehör seines Beschützers Muth und Leben, und man kann abhören, anhören, aufhören, aushören und beim Hören in eine Art von Horchen fallen, welches durch das Ohrenspitzen in Verlegen-
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druck. Auge und Sprache sind Ein Herz und
Eine Seele, und Weiber haben nicht nur in
ihrem Blick, in ihrem Auge und auf ihrer
Zunge Hölle und Himmel, Leben und Tod,
Wohl und Wehe; sondern selbst ihr Hören
ist von der äuſsersten Bedeutung — Sie hören
anders als wir; und wer kann den Einfluſs
leugnen, den das Gehör auf unsere Rede be-
hauptet? — Ich kenne einen schwer beamte-
ten vornehmen Mann, der in dem Rufe steht,
daſs er alle Menschen höre; auch hört er
wirklich Alles, was sich in seinem Vorzimmer
hören lassen will: und doch klagt alle Welt,
daſs er nicht höre; — entweder ist er zer-
streuet oder unfähig zu verstehen. Es giebt
eine moralische Taubheit bei dem besten phy-
sischen Gehör — Man kann gütig und ge-
recht, unfreundlich und zuvorkommend hö-
ren — Der schüchterne bescheidene Jüng-
ling zieht aus dem geneigten Gehör seines
Beschützers Muth und Leben, und man kann
abhören, anhören, aufhören, aushören und
beim Hören in eine Art von Horchen fallen,
welches durch das Ohrenspitzen in Verlegen-
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/260>, abgerufen am 28.11.2024.
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