geschichte nicht eine Menge von Weibern, die mit Heldenmuth ihren Glauben bekannten, und sich weder durch Martern noch Verhei- ssungen in ihrem Bekenntnisse wankend ma- chen liessen? die bei dem Verzicht auf alle Hoheit, auf Ehre und Überfluss, unter Verach- tung, Hohn, Mangel und Verfolgung ihrer Überzeugung mit unerschütterlicher Standhaf- tigkeit anhingen? Der Stifter der christlichen Religion bewundert so oft das gläubige Zu- trauen des andern Geschlechtes zu seiner Leh- re, und hat dasselbe so wenig von der Theil- nahme an den Vorzügen der vernünftigen lau- [ - 1 Zeichen fehlt]eren Milch seines Unterrichtes ausgeschlossen, [d]ass er es vielmehr mit auf die Erhebung des- [s]elben und auf Befreiung von den Ketten, die es trug, angelegt zu haben scheint. Und in der That, wenn diese Religion in ihrer reit- zenden kindlichen Gestalt erscheinen will -- zeigt sie sich nicht in Kindern und ihren Pfle- gerinnen, den Weibern? Weibliche Herzen sind, wenn ich so reden darf, mit den Leh- [r]en dieser Religion gleichsam amalgamirt; denn in Wahrheit, die höchste Stufe der
Q
geschichte nicht eine Menge von Weibern, die mit Heldenmuth ihren Glauben bekannten, und sich weder durch Martern noch Verhei- ſsungen in ihrem Bekenntnisse wankend ma- chen lieſsen? die bei dem Verzicht auf alle Hoheit, auf Ehre und Überfluſs, unter Verach- tung, Hohn, Mangel und Verfolgung ihrer Überzeugung mit unerschütterlicher Standhaf- tigkeit anhingen? Der Stifter der christlichen Religion bewundert so oft das gläubige Zu- trauen des andern Geschlechtes zu seiner Leh- re, und hat dasselbe so wenig von der Theil- nahme an den Vorzügen der vernünftigen lau- [ – 1 Zeichen fehlt]eren Milch seines Unterrichtes ausgeschlossen, [d]aſs er es vielmehr mit auf die Erhebung des- [s]elben und auf Befreiung von den Ketten, die es trug, angelegt zu haben scheint. Und in der That, wenn diese Religion in ihrer reit- zenden kindlichen Gestalt erscheinen will — zeigt sie sich nicht in Kindern und ihren Pfle- gerinnen, den Weibern? Weibliche Herzen sind, wenn ich so reden darf, mit den Leh- [r]en dieser Religion gleichsam amalgamirt; denn in Wahrheit, die höchste Stufe der
Q
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0249"n="241"/>
geschichte nicht eine Menge von Weibern,<lb/>
die mit Heldenmuth ihren Glauben bekannten,<lb/>
und sich weder durch Martern noch Verhei-<lb/>ſsungen in ihrem Bekenntnisse wankend ma-<lb/>
chen lieſsen? die bei dem Verzicht auf alle<lb/>
Hoheit, auf Ehre und Überfluſs, unter Verach-<lb/>
tung, Hohn, Mangel und Verfolgung ihrer<lb/>
Überzeugung mit unerschütterlicher Standhaf-<lb/>
tigkeit anhingen? Der Stifter der christlichen<lb/>
Religion bewundert so oft das gläubige Zu-<lb/>
trauen des andern Geschlechtes zu seiner Leh-<lb/>
re, und hat dasselbe so wenig von der Theil-<lb/>
nahme an den Vorzügen der vernünftigen lau-<lb/><gapunit="chars"quantity="1"/>eren Milch seines Unterrichtes ausgeschlossen,<lb/><supplied>d</supplied>aſs er es vielmehr mit auf die Erhebung des-<lb/><supplied>s</supplied>elben und auf Befreiung von den Ketten, die<lb/>
es trug, angelegt zu haben scheint. Und in<lb/>
der That, wenn diese Religion in ihrer reit-<lb/>
zenden kindlichen Gestalt erscheinen will —<lb/>
zeigt sie sich nicht in Kindern und ihren Pfle-<lb/>
gerinnen, den Weibern? Weibliche Herzen<lb/>
sind, wenn ich so reden darf, mit den Leh-<lb/><supplied>r</supplied>en dieser Religion gleichsam amalgamirt;<lb/>
denn in Wahrheit, die höchste Stufe der<lb/><fwplace="bottom"type="sig">Q</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[241/0249]
geschichte nicht eine Menge von Weibern,
die mit Heldenmuth ihren Glauben bekannten,
und sich weder durch Martern noch Verhei-
ſsungen in ihrem Bekenntnisse wankend ma-
chen lieſsen? die bei dem Verzicht auf alle
Hoheit, auf Ehre und Überfluſs, unter Verach-
tung, Hohn, Mangel und Verfolgung ihrer
Überzeugung mit unerschütterlicher Standhaf-
tigkeit anhingen? Der Stifter der christlichen
Religion bewundert so oft das gläubige Zu-
trauen des andern Geschlechtes zu seiner Leh-
re, und hat dasselbe so wenig von der Theil-
nahme an den Vorzügen der vernünftigen lau-
_eren Milch seines Unterrichtes ausgeschlossen,
daſs er es vielmehr mit auf die Erhebung des-
selben und auf Befreiung von den Ketten, die
es trug, angelegt zu haben scheint. Und in
der That, wenn diese Religion in ihrer reit-
zenden kindlichen Gestalt erscheinen will —
zeigt sie sich nicht in Kindern und ihren Pfle-
gerinnen, den Weibern? Weibliche Herzen
sind, wenn ich so reden darf, mit den Leh-
ren dieser Religion gleichsam amalgamirt;
denn in Wahrheit, die höchste Stufe der
Q
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/249>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.