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Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792.

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für Mütter mittleren Standes, wenn eine Haus-
capelle weinender und heulender Kleinen ihre
Geduld prüft, und die Kinderfragen heran-
wachsender neugieriger, verschämter Mädchen
und dreister Buben sie in Verlegenheit setzen!
Jch begreife nicht, wie manches treffliche
Weib so heterogene Angelegenheiten zu be-
streiten vermag -- Dort windet sie dem klei-
nen Feldmarschall Jakob Gabel, Messer und
Scheere aus der Hand; hier reisst sie dem viel-
frässigen Domherrn Peter schädliche Dinge aus
dem Munde; bald verscheucht sie von der
kleinen schlafenden Jette die Fliegen; und wie
schwer ist der Wildfang Karl zu befriedigen,
der von Einem Zeitvertreibe zum andern ab-
springt! Wie viele Vigilien und wie viele
Tageslasten sind ihr Theil und Erbe bei den
ihr obliegenden Familiensorgen! -- Ist nun
gleich die Dame höheren Standes, die nach
Landes-Sitte und Brauch das strenge Recht
für sich hat, ihre Kleinen wie Findelkinder
zu behandeln, bei weitem so beschäftiget nicht;
ist sie es indess nicht immer weit mehr, als ihr
geschäftiger Müssiggänger von Gemahl, der,

für Mütter mittleren Standes, wenn eine Haus-
capelle weinender und heulender Kleinen ihre
Geduld prüft, und die Kinderfragen heran-
wachsender neugieriger, verschämter Mädchen
und dreister Buben sie in Verlegenheit setzen!
Jch begreife nicht, wie manches treffliche
Weib so heterogene Angelegenheiten zu be-
streiten vermag — Dort windet sie dem klei-
nen Feldmarschall Jakob Gabel, Messer und
Scheere aus der Hand; hier reiſst sie dem viel-
fräſsigen Domherrn Peter schädliche Dinge aus
dem Munde; bald verscheucht sie von der
kleinen schlafenden Jette die Fliegen; und wie
schwer ist der Wildfang Karl zu befriedigen,
der von Einem Zeitvertreibe zum andern ab-
springt! Wie viele Vigilien und wie viele
Tageslasten sind ihr Theil und Erbe bei den
ihr obliegenden Familiensorgen! — Ist nun
gleich die Dame höheren Standes, die nach
Landes-Sitte und Brauch das strenge Recht
für sich hat, ihre Kleinen wie Findelkinder
zu behandeln, bei weitem so beschäftiget nicht;
ist sie es indeſs nicht immer weit mehr, als ihr
geschäftiger Müſsiggänger von Gemahl, der,

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[223/0231] für Mütter mittleren Standes, wenn eine Haus- capelle weinender und heulender Kleinen ihre Geduld prüft, und die Kinderfragen heran- wachsender neugieriger, verschämter Mädchen und dreister Buben sie in Verlegenheit setzen! Jch begreife nicht, wie manches treffliche Weib so heterogene Angelegenheiten zu be- streiten vermag — Dort windet sie dem klei- nen Feldmarschall Jakob Gabel, Messer und Scheere aus der Hand; hier reiſst sie dem viel- fräſsigen Domherrn Peter schädliche Dinge aus dem Munde; bald verscheucht sie von der kleinen schlafenden Jette die Fliegen; und wie schwer ist der Wildfang Karl zu befriedigen, der von Einem Zeitvertreibe zum andern ab- springt! Wie viele Vigilien und wie viele Tageslasten sind ihr Theil und Erbe bei den ihr obliegenden Familiensorgen! — Ist nun gleich die Dame höheren Standes, die nach Landes-Sitte und Brauch das strenge Recht für sich hat, ihre Kleinen wie Findelkinder zu behandeln, bei weitem so beschäftiget nicht; ist sie es indeſs nicht immer weit mehr, als ihr geschäftiger Müſsiggänger von Gemahl, der,

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/231>, abgerufen am 25.11.2024.