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Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792.

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stand, dass die Hälfte des menschlichen Ge-
schlechtes entweder ohne alle Erziehung blieb,
oder verzogen ward, und dass gerade dieser
Hälfte der wichtigste Theil der Erziehung
überlasen war; so ist es fast noch Wunder,
dass wir Menschen sind. Ohne allen Zweifel
bestimmte die Natur das andere Geschlecht
zu diesem grossen Erziehungsgeschäfte, und
versah es mit den nöthigen Anlagen und Fä-
higkeiten, mit den empfänglichsten Sinnen,
mit den feinsten Empfindungen, in der edelsten
Sprache, selbst im Kleinen und Zufälligen das
Wahre vom Falschen, das Ächte vom Schein-
baren zu unterscheiden -- um jene grosse
Bestimmung zu erfüllen --. Die Sokratik,
die Sokrates von seiner Mutter, einer Weise-
mutter (sage femme), lernte, indem er auf
Seelenentbindungen ausging und ein weiser
Mann (homme sage) ward, ist wahrlich dem
andern Geschlecht eigen, welches nie, auch
beim Heisshunger, den Magen der Wissbegier-
de der Kinder mit Kentnissen überstopft, son-
dern jeden neuen Begriff ihnen einzeln zu
denken giebt und ihn so viel wie möglich in

stand, daſs die Hälfte des menschlichen Ge-
schlechtes entweder ohne alle Erziehung blieb,
oder verzogen ward, und daſs gerade dieser
Hälfte der wichtigste Theil der Erziehung
überlasen war; so ist es fast noch Wunder,
daſs wir Menschen sind. Ohne allen Zweifel
bestimmte die Natur das andere Geschlecht
zu diesem groſsen Erziehungsgeschäfte, und
versah es mit den nöthigen Anlagen und Fä-
higkeiten, mit den empfänglichsten Sinnen,
mit den feinsten Empfindungen, in der edelsten
Sprache, selbst im Kleinen und Zufälligen das
Wahre vom Falschen, das Ächte vom Schein-
baren zu unterscheiden — um jene groſse
Bestimmung zu erfüllen —. Die Sokratik,
die Sokrates von seiner Mutter, einer Weise-
mutter (sage femme), lernte, indem er auf
Seelenentbindungen ausging und ein weiser
Mann (homme sage) ward, ist wahrlich dem
andern Geschlecht eigen, welches nie, auch
beim Heiſshunger, den Magen der Wiſsbegier-
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[216/0224] stand, daſs die Hälfte des menschlichen Ge- schlechtes entweder ohne alle Erziehung blieb, oder verzogen ward, und daſs gerade dieser Hälfte der wichtigste Theil der Erziehung überlasen war; so ist es fast noch Wunder, daſs wir Menschen sind. Ohne allen Zweifel bestimmte die Natur das andere Geschlecht zu diesem groſsen Erziehungsgeschäfte, und versah es mit den nöthigen Anlagen und Fä- higkeiten, mit den empfänglichsten Sinnen, mit den feinsten Empfindungen, in der edelsten Sprache, selbst im Kleinen und Zufälligen das Wahre vom Falschen, das Ächte vom Schein- baren zu unterscheiden — um jene groſse Bestimmung zu erfüllen —. Die Sokratik, die Sokrates von seiner Mutter, einer Weise- mutter (sage femme), lernte, indem er auf Seelenentbindungen ausging und ein weiser Mann (homme sage) ward, ist wahrlich dem andern Geschlecht eigen, welches nie, auch beim Heiſshunger, den Magen der Wiſsbegier- de der Kinder mit Kentnissen überstopft, son- dern jeden neuen Begriff ihnen einzeln zu denken giebt und ihn so viel wie möglich in

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/224>, abgerufen am 25.11.2024.