wandelt sich die Raupe nicht in einen Schmet- terling, sondern in einen Zuchtmeister, und die entgötterte Frau wird seine Sklavin: der Bräutigam wird nicht Ehemann, sondern Ehe- vogt. So hörten Monarchen auf, Götter und Divi zu seyn, und hatten die Güte zu den Menschen herabzusteigen; doch würdigten sie, um über anderen Menschen zu seyn, diese an- deren eine Stufe unter die Menschen hinab -- Halbe Wahrheit ist gefährlicher, als eine gan- ze Lüge; diese ist leichter zu kennen, als je- ne, welche sich in Schein zu verkleiden pflegt, um doppelt zu betrügen. Männer, lasst doch Menschen seyn, die Gott zu Menschen schuf! Lasst uns Menschen machen, hiess es, ein Bild das uns gleich sei; und er schuf sie ein Männlein und ein Fräulein. Sie sind Bein von unserm Bein, und Fleisch von unserm Fleisch; und warum nicht Bürger wie wir? warum nicht, da ihnen weder Sinn noch Kraft zu Bürgertugenden gebricht, und es bloss dar- auf ankommt, dass sie zu Bürgerinnen er- zogen werden! Jetzt freilich, wie sie da sind, zum Spielzeug für Männer gemodelt; jetzt,
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wandelt sich die Raupe nicht in einen Schmet- terling, sondern in einen Zuchtmeister, und die entgötterte Frau wird seine Sklavin: der Bräutigam wird nicht Ehemann, sondern Ehe- vogt. So hörten Monarchen auf, Götter und Divi zu seyn, und hatten die Güte zu den Menschen herabzusteigen; doch würdigten sie, um über anderen Menschen zu seyn, diese an- deren eine Stufe unter die Menschen hinab — Halbe Wahrheit ist gefährlicher, als eine gan- ze Lüge; diese ist leichter zu kennen, als je- ne, welche sich in Schein zu verkleiden pflegt, um doppelt zu betrügen. Männer, laſst doch Menschen seyn, die Gott zu Menschen schuf! Laſst uns Menschen machen, hieſs es, ein Bild das uns gleich sei; und er schuf sie ein Männlein und ein Fräulein. Sie sind Bein von unserm Bein, und Fleisch von unserm Fleisch; und warum nicht Bürger wie wir? warum nicht, da ihnen weder Sinn noch Kraft zu Bürgertugenden gebricht, und es bloſs dar- auf ankommt, daſs sie zu Bürgerinnen er- zogen werden! Jetzt freilich, wie sie da sind, zum Spielzeug für Männer gemodelt; jetzt,
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wandelt sich die Raupe nicht in einen Schmet-
terling, sondern in einen Zuchtmeister, und
die entgötterte Frau wird seine Sklavin: der
Bräutigam wird nicht Ehemann, sondern Ehe-
vogt. So hörten Monarchen auf, Götter und
Divi zu seyn, und hatten die Güte zu den
Menschen herabzusteigen; doch würdigten sie,
um über anderen Menschen zu seyn, diese an-
deren eine Stufe unter die Menschen hinab —
Halbe Wahrheit ist gefährlicher, als eine gan-
ze Lüge; diese ist leichter zu kennen, als je-
ne, welche sich in Schein zu verkleiden pflegt,
um doppelt zu betrügen. Männer, laſst doch
Menschen seyn, die Gott zu Menschen schuf!
Laſst uns Menschen machen, hieſs es, ein
Bild das uns gleich sei; und er schuf sie ein
Männlein und ein Fräulein. Sie sind Bein
von unserm Bein, und Fleisch von unserm
Fleisch; und warum nicht Bürger wie wir?
warum nicht, da ihnen weder Sinn noch Kraft
zu Bürgertugenden gebricht, und es bloſs dar-
auf ankommt, daſs sie zu Bürgerinnen er-
zogen werden! Jetzt freilich, wie sie da sind,
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/219>, abgerufen am 24.11.2024.
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