die Gesellschaft, kommt es an, ob jener Krafts- anwendung freier Lauf zu lassen oder ob sie ein- zuschränken sei; nie aber kann der Staat sich herausnehmen, sie ganz unterdrücken zu wol- len. Und wie? er wollte ein Räuber der Frei- heit seyn, welche zu befördern die Hauptab- sicht seiner Existenz ist?
Wenn Stände nur durch ihres Gleichen repräsentirt werden können; wenn so gar un- sere Vorfahren durch Ebenbürtige sich die Gesetze zumessen und Recht sprechen liessen: wie kann man Weiber vom Staatsdienste aus- schliessen, in so weit er sich mit der Gesetz- gebung oder Gesetzausübung beschäftiget? Will man etwa den Weibern die Weihe zu diesen Mysterien abschlagen, um sie nicht un- sere Schwäche da sehen zu lassen, wo wir den höchsten Grad unserer Stärke hierogly- phisch vorgeben? Man kann dreissig Jahre dienen und nur Ein Jahr leben, wie weiland M. Plautius, welcher nur von der Zeit an sein Leben zählte, als er aufhörte für das Öffent- liche, und anfing für sich zu leben -- Ein lehrreiches Zeugniss auf Kosten des Staats-
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die Gesellschaft, kommt es an, ob jener Krafts- anwendung freier Lauf zu lassen oder ob sie ein- zuschränken sei; nie aber kann der Staat sich herausnehmen, sie ganz unterdrücken zu wol- len. Und wie? er wollte ein Räuber der Frei- heit seyn, welche zu befördern die Hauptab- sicht seiner Existenz ist?
Wenn Stände nur durch ihres Gleichen repräsentirt werden können; wenn so gar un- sere Vorfahren durch Ebenbürtige sich die Gesetze zumessen und Recht sprechen lieſsen: wie kann man Weiber vom Staatsdienste aus- schlieſsen, in so weit er sich mit der Gesetz- gebung oder Gesetzausübung beschäftiget? Will man etwa den Weibern die Weihe zu diesen Mysterien abschlagen, um sie nicht un- sere Schwäche da sehen zu lassen, wo wir den höchsten Grad unserer Stärke hierogly- phisch vorgeben? Man kann dreiſsig Jahre dienen und nur Ein Jahr leben, wie weiland M. Plautius, welcher nur von der Zeit an sein Leben zählte, als er aufhörte für das Öffent- liche, und anfing für sich zu leben — Ein lehrreiches Zeugniſs auf Kosten des Staats-
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die Gesellschaft, kommt es an, ob jener Krafts-
anwendung freier Lauf zu lassen oder ob sie ein-
zuschränken sei; nie aber kann der Staat sich
herausnehmen, sie ganz unterdrücken zu wol-
len. Und wie? er wollte ein Räuber der Frei-
heit seyn, welche zu befördern die Hauptab-
sicht seiner Existenz ist?
Wenn Stände nur durch ihres Gleichen
repräsentirt werden können; wenn so gar un-
sere Vorfahren durch Ebenbürtige sich die
Gesetze zumessen und Recht sprechen lieſsen:
wie kann man Weiber vom Staatsdienste aus-
schlieſsen, in so weit er sich mit der Gesetz-
gebung oder Gesetzausübung beschäftiget?
Will man etwa den Weibern die Weihe zu
diesen Mysterien abschlagen, um sie nicht un-
sere Schwäche da sehen zu lassen, wo wir
den höchsten Grad unserer Stärke hierogly-
phisch vorgeben? Man kann dreiſsig Jahre
dienen und nur Ein Jahr leben, wie weiland
M. Plautius, welcher nur von der Zeit an sein
Leben zählte, als er aufhörte für das Öffent-
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/207>, abgerufen am 23.11.2024.
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