setzgeber verfahren, um nicht mehr zu ver- derben als zu bessern? Kann der Dichter wenigstens jetzt -- und hatten die Alten so ganz ein Recht, sich von dieser Weise aus- zunehmen? -- viele Dinge nach der Natur mahlen? oder muss er nicht vielmehr seine Ge- mählde unter einer conventionellen Maske, und mithin um vieles sittlicher als die Menschen pro tempore sind, anlegen und halten? und der Gesetzgeber, so ein Prosaist er auch sonst ist -- muss er nicht eben den Weg wandeln, wenn er nicht mehr Schaden als Nutzen stif- ten will? Die Menge der Römischen Gesetze würde vielleicht mehr abgeschreckt haben; in- dess brachte das System, wonach sie gezim- mert waren, (das nicht bloss die Rechtsgelehr- ten, sondern, wohl zu merken, auch der Bürger, studieren musste, wenn er nicht alle Augenblicke an einer Fiktion und einer Fein- heit oder dess etwas sich Kopf und Herz stossen wollte) die Römische Gesetzkunst in Umlauf. Der grösste Haufe lernte sie halb kennen, und eben diese Halbkenntniss erwarb ihr, nach wohlhergebrachter Gewohnheit, ei-
setzgeber verfahren, um nicht mehr zu ver- derben als zu bessern? Kann der Dichter wenigstens jetzt — und hatten die Alten so ganz ein Recht, sich von dieser Weise aus- zunehmen? — viele Dinge nach der Natur mahlen? oder muſs er nicht vielmehr seine Ge- mählde unter einer conventionellen Maske, und mithin um vieles sittlicher als die Menschen pro tempore sind, anlegen und halten? und der Gesetzgeber, so ein Prosaist er auch sonst ist — muſs er nicht eben den Weg wandeln, wenn er nicht mehr Schaden als Nutzen stif- ten will? Die Menge der Römischen Gesetze würde vielleicht mehr abgeschreckt haben; in- deſs brachte das System, wonach sie gezim- mert waren, (das nicht bloſs die Rechtsgelehr- ten, sondern, wohl zu merken, auch der Bürger, studieren muſste, wenn er nicht alle Augenblicke an einer Fiktion und einer Fein- heit oder deſs etwas sich Kopf und Herz stoſsen wollte) die Römische Gesetzkunst in Umlauf. Der gröſste Haufe lernte sie halb kennen, und eben diese Halbkenntniſs erwarb ihr, nach wohlhergebrachter Gewohnheit, ei-
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setzgeber verfahren, um nicht mehr zu ver-
derben als zu bessern? Kann der Dichter
wenigstens jetzt — und hatten die Alten so
ganz ein Recht, sich von dieser Weise aus-
zunehmen? — viele Dinge nach der Natur
mahlen? oder muſs er nicht vielmehr seine Ge-
mählde unter einer conventionellen Maske, und
mithin um vieles sittlicher als die Menschen
pro tempore sind, anlegen und halten? und
der Gesetzgeber, so ein Prosaist er auch sonst
ist — muſs er nicht eben den Weg wandeln,
wenn er nicht mehr Schaden als Nutzen stif-
ten will? Die Menge der Römischen Gesetze
würde vielleicht mehr abgeschreckt haben; in-
deſs brachte das System, wonach sie gezim-
mert waren, (das nicht bloſs die Rechtsgelehr-
ten, sondern, wohl zu merken, auch der
Bürger, studieren muſste, wenn er nicht alle
Augenblicke an einer Fiktion und einer Fein-
heit oder deſs etwas sich Kopf und Herz
stoſsen wollte) die Römische Gesetzkunst in
Umlauf. Der gröſste Haufe lernte sie halb
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/146>, abgerufen am 23.11.2024.
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