und vollkommene Gabe von oben herab be- sitzt, alle seine Bitterkeiten, deren es sich zu seinen Wehr und Waffen zu bedienen pflegt, so zu bezuckern, und ihren Ernst, vermittelst eines ihn lindernden Lächelns, so zu ermässi- gen, dass ich keinen Augenblick Bedenkzeit nehmen darf, diesem liebenswürdigen Bei- spiele zu huldigen und mich der beiden Ge- sichter des Janus mit patriotischer Freiheit zu erinnern. Auch scheint die Last, welche das schöne Geschlecht trägt, einem und bei wei- tem dem grösseren Theile desselben so sanft und sein Joch so leicht zu seyn, dass es viel- leicht im Diensthause Egyptens und bei den Fleischtöpfen eines gemächlichen wirklichen Alltags-Lebens zu verbleiben wünschen wird, ohne die beschwerliche Reise nach Kanaan, wo Milch und Honig der Natur fliesst, antre- ten zu wollen. Selbst Damen von Bedeutung scheinen oft nicht zu wissen, dass sie in ih- rem Prunk von Purpur und köstlicher Lein- wand Leid tragen, und dass ihr Leben in Herrlichkeit und Freude eine Leibes- und Le- bensstrafe ist, die man ihnen im heimlichen
und vollkommene Gabe von oben herab be- sitzt, alle seine Bitterkeiten, deren es sich zu seinen Wehr und Waffen zu bedienen pflegt, so zu bezuckern, und ihren Ernst, vermittelst eines ihn lindernden Lächelns, so zu ermäſsi- gen, daſs ich keinen Augenblick Bedenkzeit nehmen darf, diesem liebenswürdigen Bei- spiele zu huldigen und mich der beiden Ge- sichter des Janus mit patriotischer Freiheit zu erinnern. Auch scheint die Last, welche das schöne Geschlecht trägt, einem und bei wei- tem dem gröſseren Theile desselben so sanft und sein Joch so leicht zu seyn, daſs es viel- leicht im Diensthause Egyptens und bei den Fleischtöpfen eines gemächlichen wirklichen Alltags-Lebens zu verbleiben wünschen wird, ohne die beschwerliche Reise nach Kanaan, wo Milch und Honig der Natur flieſst, antre- ten zu wollen. Selbst Damen von Bedeutung scheinen oft nicht zu wissen, daſs sie in ih- rem Prunk von Purpur und köstlicher Lein- wand Leid tragen, und daſs ihr Leben in Herrlichkeit und Freude eine Leibes- und Le- bensstrafe ist, die man ihnen im heimlichen
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und vollkommene Gabe von oben herab be-
sitzt, alle seine Bitterkeiten, deren es sich zu
seinen Wehr und Waffen zu bedienen pflegt,
so zu bezuckern, und ihren Ernst, vermittelst
eines ihn lindernden Lächelns, so zu ermäſsi-
gen, daſs ich keinen Augenblick Bedenkzeit
nehmen darf, diesem liebenswürdigen Bei-
spiele zu huldigen und mich der beiden Ge-
sichter des Janus mit patriotischer Freiheit zu
erinnern. Auch scheint die Last, welche das
schöne Geschlecht trägt, einem und bei wei-
tem dem gröſseren Theile desselben so sanft
und sein Joch so leicht zu seyn, daſs es viel-
leicht im Diensthause Egyptens und bei den
Fleischtöpfen eines gemächlichen wirklichen
Alltags-Lebens zu verbleiben wünschen wird,
ohne die beschwerliche Reise nach Kanaan,
wo Milch und Honig der Natur flieſst, antre-
ten zu wollen. Selbst Damen von Bedeutung
scheinen oft nicht zu wissen, daſs sie in ih-
rem Prunk von Purpur und köstlicher Lein-
wand Leid tragen, und daſs ihr Leben in
Herrlichkeit und Freude eine Leibes- und Le-
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/14>, abgerufen am 24.11.2024.
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