Eben eine Antwort von unserer Mutter und ihrem Gemahl. Sehr verschiedenen Inhalts.
Zwar auch er scheint den Fall zu Herzen zu nehmen, der ihm so viel Gelegenheiten zu Freudenfesten genommen. Da er ihm aber doch ein Trauerfest verleihet, scheint er sich zu finden. Complimente machen kalt. Man lößt sich ganz in Worten auf, und in abgemes- senen Verstummungen. Wer es zu Worten bringt, ist getröstet, so wie ich es jetzo unendlich mehr bin, als zuvor -- -- Ein Complimentist ist ein Klugredner! -- Meine liebe Mutter, Gott, was hat sie gelitten! Das Wort Sohn! gilt sonst nicht um die Hälfte so viel, bey der Grosmutter, als der Mutter! Die Grosmutter rechnet auf seinen Schutz nicht! -- Polt aber war das einzige Groskind, und seine Grosmutter war die Frau v. W -- Soll ich aufhören, Grosmutter zu seyn, schreibt sie und ringt die Hände; schriftlich ringt sie die Hände. Es ist ihrethalber zu fürchten! -- Isaac! der Eineinzige! -- Ey du frommer und getreuer Knecht, schreibt die gewesene Grosmutter, du bist über wenig treu gewe- sen, ich will dich über viel setzen! Diese Worte, so anstößig sie wegen des Knechts scheinen, beruhigten mich doch auf eine un-
beschreib-
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Eben eine Antwort von unſerer Mutter und ihrem Gemahl. Sehr verſchiedenen Inhalts.
Zwar auch er ſcheint den Fall zu Herzen zu nehmen, der ihm ſo viel Gelegenheiten zu Freudenfeſten genommen. Da er ihm aber doch ein Trauerfeſt verleihet, ſcheint er ſich zu finden. Complimente machen kalt. Man loͤßt ſich ganz in Worten auf, und in abgemeſ- ſenen Verſtummungen. Wer es zu Worten bringt, iſt getroͤſtet, ſo wie ich es jetzo unendlich mehr bin, als zuvor — — Ein Complimentiſt iſt ein Klugredner! — Meine liebe Mutter, Gott, was hat ſie gelitten! Das Wort Sohn! gilt ſonſt nicht um die Haͤlfte ſo viel, bey der Grosmutter, als der Mutter! Die Grosmutter rechnet auf ſeinen Schutz nicht! — Polt aber war das einzige Groskind, und ſeine Grosmutter war die Frau v. W — Soll ich aufhoͤren, Grosmutter zu ſeyn, ſchreibt ſie und ringt die Haͤnde; ſchriftlich ringt ſie die Haͤnde. Es iſt ihrethalber zu fuͤrchten! — Iſaac! der Eineinzige! — Ey du frommer und getreuer Knecht, ſchreibt die geweſene Grosmutter, du biſt uͤber wenig treu gewe- ſen, ich will dich uͤber viel ſetzen! Dieſe Worte, ſo anſtoͤßig ſie wegen des Knechts ſcheinen, beruhigten mich doch auf eine un-
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Eben eine Antwort von unſerer Mutter und
ihrem Gemahl. Sehr verſchiedenen Inhalts.
Zwar auch er ſcheint den Fall zu Herzen
zu nehmen, der ihm ſo viel Gelegenheiten zu
Freudenfeſten genommen. Da er ihm aber
doch ein Trauerfeſt verleihet, ſcheint er ſich
zu finden. Complimente machen kalt. Man
loͤßt ſich ganz in Worten auf, und in abgemeſ-
ſenen Verſtummungen. Wer es zu Worten
bringt, iſt getroͤſtet, ſo wie ich es jetzo unendlich
mehr bin, als zuvor — — Ein Complimentiſt
iſt ein Klugredner! — Meine liebe Mutter,
Gott, was hat ſie gelitten! Das Wort Sohn!
gilt ſonſt nicht um die Haͤlfte ſo viel, bey
der Grosmutter, als der Mutter! Die
Grosmutter rechnet auf ſeinen Schutz nicht!
— Polt aber war das einzige Groskind, und
ſeine Grosmutter war die Frau v. W — Soll
ich aufhoͤren, Grosmutter zu ſeyn, ſchreibt ſie
und ringt die Haͤnde; ſchriftlich ringt ſie die
Haͤnde. Es iſt ihrethalber zu fuͤrchten! —
Iſaac! der Eineinzige! — Ey du frommer
und getreuer Knecht, ſchreibt die geweſene
Grosmutter, du biſt uͤber wenig treu gewe-
ſen, ich will dich uͤber viel ſetzen! Dieſe
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 617. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/625>, abgerufen am 25.11.2024.
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