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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

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Todes halber, sonst wären sie gewis so ortho-
dox gewesen, die Erzählung vom reichen Mann
und armen Lazarus für das zu halten, was
sie ist, für reine gediegene Wahrheit. Hat
denn Adrichomius sich nicht anheischig ge-
macht, des reichen Mannes Haus in Jerusa-
lem zu zeigen jedem, wer es sehen will? Ich
thue drum keinen Schritt, fügte meine Mut-
ter hinzu, und eben so wenig mag ich das
Husten Christi sehen, das man irgendwo
vorzeigt. --

Das heilige Grab aber, das Grab Christi,
v! wie gern hätte meine Mutter dies gesehen!
Sie nannt' es ein geistliches Bad, einen geist-
lichen Gesundbrunnen, und wunderte sich
nicht, daß so viele Seelenkranke, so viele Pil-
grimme dahin wallfahrten! Mein Vater, der
hiebey indessen seinen Ritterlichen Gesinnun-
gen ihren Lauf lies, hatte so wenig wider die-
se Reise etwas einzuwenden, daß meine Mut-
ter wegen seiner Reisefertigkeit zuweilen fast
auf den Gedanken gefallen wäre, ob nicht im
heiligen Lande sein Vaterland sey, wenn die
langen Manschetten ihr nicht im Wege ge-
standen. Vater und Mutter reiseten also die
Woche ein bis zweymal aus heilige Grab,
und legten sich, so oft sie sich auf diesen Weg

machten,

Todes halber, ſonſt waͤren ſie gewis ſo ortho-
dox geweſen, die Erzaͤhlung vom reichen Mann
und armen Lazarus fuͤr das zu halten, was
ſie iſt, fuͤr reine gediegene Wahrheit. Hat
denn Adrichomius ſich nicht anheiſchig ge-
macht, des reichen Mannes Haus in Jeruſa-
lem zu zeigen jedem, wer es ſehen will? Ich
thue drum keinen Schritt, fuͤgte meine Mut-
ter hinzu, und eben ſo wenig mag ich das
Huſten Chriſti ſehen, das man irgendwo
vorzeigt. —

Das heilige Grab aber, das Grab Chriſti,
v! wie gern haͤtte meine Mutter dies geſehen!
Sie nannt’ es ein geiſtliches Bad, einen geiſt-
lichen Geſundbrunnen, und wunderte ſich
nicht, daß ſo viele Seelenkranke, ſo viele Pil-
grimme dahin wallfahrten! Mein Vater, der
hiebey indeſſen ſeinen Ritterlichen Geſinnun-
gen ihren Lauf lies, hatte ſo wenig wider die-
ſe Reiſe etwas einzuwenden, daß meine Mut-
ter wegen ſeiner Reiſefertigkeit zuweilen faſt
auf den Gedanken gefallen waͤre, ob nicht im
heiligen Lande ſein Vaterland ſey, wenn die
langen Manſchetten ihr nicht im Wege ge-
ſtanden. Vater und Mutter reiſeten alſo die
Woche ein bis zweymal aus heilige Grab,
und legten ſich, ſo oft ſie ſich auf dieſen Weg

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[56/0062] Todes halber, ſonſt waͤren ſie gewis ſo ortho- dox geweſen, die Erzaͤhlung vom reichen Mann und armen Lazarus fuͤr das zu halten, was ſie iſt, fuͤr reine gediegene Wahrheit. Hat denn Adrichomius ſich nicht anheiſchig ge- macht, des reichen Mannes Haus in Jeruſa- lem zu zeigen jedem, wer es ſehen will? Ich thue drum keinen Schritt, fuͤgte meine Mut- ter hinzu, und eben ſo wenig mag ich das Huſten Chriſti ſehen, das man irgendwo vorzeigt. — Das heilige Grab aber, das Grab Chriſti, v! wie gern haͤtte meine Mutter dies geſehen! Sie nannt’ es ein geiſtliches Bad, einen geiſt- lichen Geſundbrunnen, und wunderte ſich nicht, daß ſo viele Seelenkranke, ſo viele Pil- grimme dahin wallfahrten! Mein Vater, der hiebey indeſſen ſeinen Ritterlichen Geſinnun- gen ihren Lauf lies, hatte ſo wenig wider die- ſe Reiſe etwas einzuwenden, daß meine Mut- ter wegen ſeiner Reiſefertigkeit zuweilen faſt auf den Gedanken gefallen waͤre, ob nicht im heiligen Lande ſein Vaterland ſey, wenn die langen Manſchetten ihr nicht im Wege ge- ſtanden. Vater und Mutter reiſeten alſo die Woche ein bis zweymal aus heilige Grab, und legten ſich, ſo oft ſie ſich auf dieſen Weg machten,

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/62>, abgerufen am 24.11.2024.