Wir dienen nicht Gott, sondern uns, und so gehts auch mir mit den Wissenschaften!
Ich glaube nicht, daß ein Speisemeister vom andern und dritten Theile zu sagen Ur- sache gefunden: Jedermann giebt zuerst den guten Wein, und wenn die Gäste trunken sind den geringern. Dies sey die Bürgschaft, die ich bey meinen Lesern in bester Rechtsform wegen der Fortsetzung einlege, und solte hie und da ein Speisemeister diese Klage wider mich rechtlich führen zu können, des Dafür- haltens seyn; so wisse er, daß ich nicht Je- dermann bin, und daß ich in Wahrheit es nicht zum Betrinken angelegt. Freyheit ist meine Losung bey Tisch, als Schriftsteller -- überall -- Ein Jesuiterräuschchen hat bey den trüben Tagen des Lebens nichts zu sagen! -- Zwar hab ich mich bemühet, al- len einschläfrenden Erweiterungen auszuwei- chen. Was ist aber ganz vollendet? Alles, was vollendet ist, ist dem Menschen nicht auf seinen Leib, oder eigentlich auf seine Seele gemacht. Selbst ihr Unsterblichen! Du New- ton und du Copernikus! wißt ihr denn auch gewiß, daß alles so ist, wie es euch in ei- ner glücklichen Nacht träumte? -- das rechte Wort zu allen Erfindungen -- Könnt'
ihr
O o
Wir dienen nicht Gott, ſondern uns, und ſo gehts auch mir mit den Wiſſenſchaften!
Ich glaube nicht, daß ein Speiſemeiſter vom andern und dritten Theile zu ſagen Ur- ſache gefunden: Jedermann giebt zuerſt den guten Wein, und wenn die Gaͤſte trunken ſind den geringern. Dies ſey die Buͤrgſchaft, die ich bey meinen Leſern in beſter Rechtsform wegen der Fortſetzung einlege, und ſolte hie und da ein Speiſemeiſter dieſe Klage wider mich rechtlich fuͤhren zu koͤnnen, des Dafuͤr- haltens ſeyn; ſo wiſſe er, daß ich nicht Je- dermann bin, und daß ich in Wahrheit es nicht zum Betrinken angelegt. Freyheit iſt meine Loſung bey Tiſch, als Schriftſteller — uͤberall — Ein Jeſuiterraͤuſchchen hat bey den truͤben Tagen des Lebens nichts zu ſagen! — Zwar hab ich mich bemuͤhet, al- len einſchlaͤfrenden Erweiterungen auszuwei- chen. Was iſt aber ganz vollendet? Alles, was vollendet iſt, iſt dem Menſchen nicht auf ſeinen Leib, oder eigentlich auf ſeine Seele gemacht. Selbſt ihr Unſterblichen! Du New- ton und du Copernikus! wißt ihr denn auch gewiß, daß alles ſo iſt, wie es euch in ei- ner gluͤcklichen Nacht traͤumte? — das rechte Wort zu allen Erfindungen — Koͤnnt’
ihr
O o
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0587"n="577"/>
Wir dienen nicht Gott, ſondern uns, und<lb/>ſo gehts auch mir mit den Wiſſenſchaften!</p><lb/><p>Ich glaube nicht, daß ein Speiſemeiſter<lb/>
vom andern und dritten Theile zu ſagen Ur-<lb/>ſache gefunden: <hirendition="#fr">Jedermann</hi> giebt zuerſt<lb/>
den guten Wein, und wenn die Gaͤſte trunken<lb/>ſind den geringern. Dies ſey die Buͤrgſchaft,<lb/>
die ich bey meinen Leſern in beſter Rechtsform<lb/>
wegen der Fortſetzung einlege, und ſolte hie<lb/>
und da ein Speiſemeiſter dieſe Klage wider<lb/>
mich rechtlich fuͤhren zu koͤnnen, des Dafuͤr-<lb/>
haltens ſeyn; ſo wiſſe er, daß ich nicht <hirendition="#fr">Je-<lb/>
dermann</hi> bin, und daß ich in Wahrheit es<lb/>
nicht zum Betrinken angelegt. Freyheit iſt<lb/>
meine Loſung bey Tiſch, als Schriftſteller<lb/>— uͤberall — Ein Jeſuiterraͤuſchchen hat<lb/>
bey den truͤben Tagen des Lebens nichts zu<lb/>ſagen! — Zwar hab ich mich bemuͤhet, al-<lb/>
len einſchlaͤfrenden Erweiterungen auszuwei-<lb/>
chen. Was iſt aber ganz vollendet? Alles,<lb/>
was vollendet iſt, iſt dem Menſchen nicht auf<lb/>ſeinen Leib, oder eigentlich auf ſeine Seele<lb/>
gemacht. Selbſt ihr Unſterblichen! Du <hirendition="#fr">New-<lb/>
ton</hi> und du <hirendition="#fr">Copernikus!</hi> wißt ihr denn auch<lb/>
gewiß, daß alles ſo iſt, wie es euch in ei-<lb/>
ner gluͤcklichen Nacht traͤumte? — das<lb/>
rechte Wort zu allen Erfindungen — Koͤnnt’<lb/><fwplace="bottom"type="sig">O o</fw><fwplace="bottom"type="catch">ihr</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[577/0587]
Wir dienen nicht Gott, ſondern uns, und
ſo gehts auch mir mit den Wiſſenſchaften!
Ich glaube nicht, daß ein Speiſemeiſter
vom andern und dritten Theile zu ſagen Ur-
ſache gefunden: Jedermann giebt zuerſt
den guten Wein, und wenn die Gaͤſte trunken
ſind den geringern. Dies ſey die Buͤrgſchaft,
die ich bey meinen Leſern in beſter Rechtsform
wegen der Fortſetzung einlege, und ſolte hie
und da ein Speiſemeiſter dieſe Klage wider
mich rechtlich fuͤhren zu koͤnnen, des Dafuͤr-
haltens ſeyn; ſo wiſſe er, daß ich nicht Je-
dermann bin, und daß ich in Wahrheit es
nicht zum Betrinken angelegt. Freyheit iſt
meine Loſung bey Tiſch, als Schriftſteller
— uͤberall — Ein Jeſuiterraͤuſchchen hat
bey den truͤben Tagen des Lebens nichts zu
ſagen! — Zwar hab ich mich bemuͤhet, al-
len einſchlaͤfrenden Erweiterungen auszuwei-
chen. Was iſt aber ganz vollendet? Alles,
was vollendet iſt, iſt dem Menſchen nicht auf
ſeinen Leib, oder eigentlich auf ſeine Seele
gemacht. Selbſt ihr Unſterblichen! Du New-
ton und du Copernikus! wißt ihr denn auch
gewiß, daß alles ſo iſt, wie es euch in ei-
ner gluͤcklichen Nacht traͤumte? — das
rechte Wort zu allen Erfindungen — Koͤnnt’
ihr
O o
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 577. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/587>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.