Ich bin die Mutter nur von einem einzi- gen Sohne, Alexander Leopold genannt. Er heißt im gemeinen Leben Leopold, weil mein Mann da Alexander heißt. Dies waren meine ersten und letzten Wochen --
Nach einem der vergnügtesten Jahre, empfand ich alle Bitterkeiten des Ehestandes, und den Fluch, der auf unsre Allmutter Eva gelegt ward: Du solst mit Schmerzen Kin- der gebähren -- Verzeiht den Seufzer, den ich tief hohle! -- und diese Thränen, die auf dieses Blatt fallen -- Mein Mann konnte die Scene nicht aushalten. Er gieng davon, da er sie nur anfangen sahe. In meiner Sterbensnoth gieng er nicht davon! -- Nun bin ich allein! -- Vielleicht dreister! Es kam bey der Geburth meines Einzigen auf die Frag' an, ob das Kind oder ich ge- opfert werden solte. Mein Mann solte ent- scheiden; der Arzt und die Hebamme setzten es darauf aus. Mein Gott, was für Vor- fällen kann der Mensch ausgesetzt werden? Führ uns nicht in Versuchung, sondern er- lös uns von allem Uebel! Gott unser Va- ter -- Ich kann nicht weiter --
Nach einem sehr harten Kampfe blieben zwar Mutter und Kind, ich und Leopold,
leben;
Ich bin die Mutter nur von einem einzi- gen Sohne, Alexander Leopold genannt. Er heißt im gemeinen Leben Leopold, weil mein Mann da Alexander heißt. Dies waren meine erſten und letzten Wochen —
Nach einem der vergnuͤgteſten Jahre, empfand ich alle Bitterkeiten des Eheſtandes, und den Fluch, der auf unſre Allmutter Eva gelegt ward: Du ſolſt mit Schmerzen Kin- der gebaͤhren — Verzeiht den Seufzer, den ich tief hohle! — und dieſe Thraͤnen, die auf dieſes Blatt fallen — Mein Mann konnte die Scene nicht aushalten. Er gieng davon, da er ſie nur anfangen ſahe. In meiner Sterbensnoth gieng er nicht davon! — Nun bin ich allein! — Vielleicht dreiſter! Es kam bey der Geburth meines Einzigen auf die Frag’ an, ob das Kind oder ich ge- opfert werden ſolte. Mein Mann ſolte ent- ſcheiden; der Arzt und die Hebamme ſetzten es darauf aus. Mein Gott, was fuͤr Vor- faͤllen kann der Menſch ausgeſetzt werden? Fuͤhr uns nicht in Verſuchung, ſondern er- loͤs uns von allem Uebel! Gott unſer Va- ter — Ich kann nicht weiter —
Nach einem ſehr harten Kampfe blieben zwar Mutter und Kind, ich und Leopold,
leben;
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Ich bin die Mutter nur von einem einzi-
gen Sohne, Alexander Leopold genannt. Er
heißt im gemeinen Leben Leopold, weil mein
Mann da Alexander heißt. Dies waren
meine erſten und letzten Wochen —
Nach einem der vergnuͤgteſten Jahre,
empfand ich alle Bitterkeiten des Eheſtandes,
und den Fluch, der auf unſre Allmutter Eva
gelegt ward: Du ſolſt mit Schmerzen Kin-
der gebaͤhren — Verzeiht den Seufzer, den
ich tief hohle! — und dieſe Thraͤnen, die
auf dieſes Blatt fallen — Mein Mann
konnte die Scene nicht aushalten. Er gieng
davon, da er ſie nur anfangen ſahe. In
meiner Sterbensnoth gieng er nicht davon! —
Nun bin ich allein! — Vielleicht dreiſter!
Es kam bey der Geburth meines Einzigen
auf die Frag’ an, ob das Kind oder ich ge-
opfert werden ſolte. Mein Mann ſolte ent-
ſcheiden; der Arzt und die Hebamme ſetzten
es darauf aus. Mein Gott, was fuͤr Vor-
faͤllen kann der Menſch ausgeſetzt werden?
Fuͤhr uns nicht in Verſuchung, ſondern er-
loͤs uns von allem Uebel! Gott unſer Va-
ter — Ich kann nicht weiter —
Nach einem ſehr harten Kampfe blieben
zwar Mutter und Kind, ich und Leopold,
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 550. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/560>, abgerufen am 24.11.2024.
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