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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

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bald er kommt, und ehe er noch den Mund
geöfnet.

Herrmann hatte einsehen gelernt, daß
die Liebe zum Leben die ergiebigste Quelle sey,
Complimente zu schöpfen! -- Einem Ster-
benden würde er gesagt haben: er sehe aus,
wie ein Hochzeiter! Wer dem Kinde sagt,
es sähe für seine Jahre, weit älter aus, und
dem Manne, er sähe weit jünger aus, ver-
bindet sich beyde gar höchlich. Beydes ist
dem Lebensdurst zuzuschreiben; das Wort
Lebenshunger kann man nur im Hospital
brauchen --

Herrmann versicherte, daß ich mich ver-
jüngt hätte, und da ich ihn versicherte, daß ich
vom Gegentheil überzeugt wäre; so blieb er
nicht nur bey seiner Meynung, sondern wußte
sie so treflich zu beschönigen, daß Tine ihm bey-
zutreten Willens schien. Herr v. W -- brachte
die Sache ins Reine, und bemerkte, daß der
Mensch erst in die Höhe, dann in die Dicke
wüchse und im dreyßigsten Jahre mündig
würde. Dies ist das Jahr, da jeder redet,
wenn gleich mancher noch schweigen solte --

Herr v. W -- hielt eine lange Unterre-
dung vor der Hochzeit wegen der Kleidung
mit mir, und da er wohl von selbst einsahe,

daß

bald er kommt, und ehe er noch den Mund
geoͤfnet.

Herrmann hatte einſehen gelernt, daß
die Liebe zum Leben die ergiebigſte Quelle ſey,
Complimente zu ſchoͤpfen! — Einem Ster-
benden wuͤrde er geſagt haben: er ſehe aus,
wie ein Hochzeiter! Wer dem Kinde ſagt,
es ſaͤhe fuͤr ſeine Jahre, weit aͤlter aus, und
dem Manne, er ſaͤhe weit juͤnger aus, ver-
bindet ſich beyde gar hoͤchlich. Beydes iſt
dem Lebensdurſt zuzuſchreiben; das Wort
Lebenshunger kann man nur im Hoſpital
brauchen —

Herrmann verſicherte, daß ich mich ver-
juͤngt haͤtte, und da ich ihn verſicherte, daß ich
vom Gegentheil uͤberzeugt waͤre; ſo blieb er
nicht nur bey ſeiner Meynung, ſondern wußte
ſie ſo treflich zu beſchoͤnigen, daß Tine ihm bey-
zutreten Willens ſchien. Herr v. W — brachte
die Sache ins Reine, und bemerkte, daß der
Menſch erſt in die Hoͤhe, dann in die Dicke
wuͤchſe und im dreyßigſten Jahre muͤndig
wuͤrde. Dies iſt das Jahr, da jeder redet,
wenn gleich mancher noch ſchweigen ſolte —

Herr v. W — hielt eine lange Unterre-
dung vor der Hochzeit wegen der Kleidung
mit mir, und da er wohl von ſelbſt einſahe,

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[520/0530] bald er kommt, und ehe er noch den Mund geoͤfnet. Herrmann hatte einſehen gelernt, daß die Liebe zum Leben die ergiebigſte Quelle ſey, Complimente zu ſchoͤpfen! — Einem Ster- benden wuͤrde er geſagt haben: er ſehe aus, wie ein Hochzeiter! Wer dem Kinde ſagt, es ſaͤhe fuͤr ſeine Jahre, weit aͤlter aus, und dem Manne, er ſaͤhe weit juͤnger aus, ver- bindet ſich beyde gar hoͤchlich. Beydes iſt dem Lebensdurſt zuzuſchreiben; das Wort Lebenshunger kann man nur im Hoſpital brauchen — Herrmann verſicherte, daß ich mich ver- juͤngt haͤtte, und da ich ihn verſicherte, daß ich vom Gegentheil uͤberzeugt waͤre; ſo blieb er nicht nur bey ſeiner Meynung, ſondern wußte ſie ſo treflich zu beſchoͤnigen, daß Tine ihm bey- zutreten Willens ſchien. Herr v. W — brachte die Sache ins Reine, und bemerkte, daß der Menſch erſt in die Hoͤhe, dann in die Dicke wuͤchſe und im dreyßigſten Jahre muͤndig wuͤrde. Dies iſt das Jahr, da jeder redet, wenn gleich mancher noch ſchweigen ſolte — Herr v. W — hielt eine lange Unterre- dung vor der Hochzeit wegen der Kleidung mit mir, und da er wohl von ſelbſt einſahe, daß

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 520. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/530>, abgerufen am 25.11.2024.