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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

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vor Gott und den Menschen, für allen Scha-
den stehen? Zwey Dinge sind uns noth, Ge-
wissen und Ruf. Dieser des Nächsten, jenes
unsertwegen. Das Gewissen aber verdient,
nach der Meynung eines Weisen des Alter-
thums, mehr Rücksicht als der Ruf. Dieser
kann trügen; jenes nie. Beym Ruf fällst du
in der Menschen Hände; beym Gewissen in
die Hand Gottes. Ich halte dafür, daß es
zweyerley Gewissensarten gebe, ohne dem neu-
en gewissen Geist, den wir als eine Frucht ei-
nes guten Gewissens von Gott erwarten kön-
nen, ohne dem göttlichen Diplom des Gewis-
sens zu nahe zu treten, und auch ohne auf der
andern Seite die Distinktionen von Vor-
und Nachgewissen u. s. w. ungültig zu ma-
chen. Es ist ein Lebens- und Sterbens-Ge-
wissen. Auch der redlichste Richter findet,
ehe er von seinem Obern untersucht werden
soll, noch Mängel, ohne auf A B C-Schniz-
zer, die nur ein Revisionsknäbchen rügen
kann, Rücksicht zu nehmen. Auf die Frage,
was ist die Freyheit? antwortete jener Weise:
ein gut Gewissen. Wer ist aber, der sich nicht
zuweilen, wie ich mit meinen Soldatengedan-
ken, meiner Mutter halben, unter die Bäume
im Garten versteckt und von Feigenblättern

sich

vor Gott und den Menſchen, fuͤr allen Scha-
den ſtehen? Zwey Dinge ſind uns noth, Ge-
wiſſen und Ruf. Dieſer des Naͤchſten, jenes
unſertwegen. Das Gewiſſen aber verdient,
nach der Meynung eines Weiſen des Alter-
thums, mehr Ruͤckſicht als der Ruf. Dieſer
kann truͤgen; jenes nie. Beym Ruf faͤllſt du
in der Menſchen Haͤnde; beym Gewiſſen in
die Hand Gottes. Ich halte dafuͤr, daß es
zweyerley Gewiſſensarten gebe, ohne dem neu-
en gewiſſen Geiſt, den wir als eine Frucht ei-
nes guten Gewiſſens von Gott erwarten koͤn-
nen, ohne dem goͤttlichen Diplom des Gewiſ-
ſens zu nahe zu treten, und auch ohne auf der
andern Seite die Diſtinktionen von Vor-
und Nachgewiſſen u. ſ. w. unguͤltig zu ma-
chen. Es iſt ein Lebens- und Sterbens-Ge-
wiſſen. Auch der redlichſte Richter findet,
ehe er von ſeinem Obern unterſucht werden
ſoll, noch Maͤngel, ohne auf A B C-Schniz-
zer, die nur ein Reviſionsknaͤbchen ruͤgen
kann, Ruͤckſicht zu nehmen. Auf die Frage,
was iſt die Freyheit? antwortete jener Weiſe:
ein gut Gewiſſen. Wer iſt aber, der ſich nicht
zuweilen, wie ich mit meinen Soldatengedan-
ken, meiner Mutter halben, unter die Baͤume
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[47/0053] vor Gott und den Menſchen, fuͤr allen Scha- den ſtehen? Zwey Dinge ſind uns noth, Ge- wiſſen und Ruf. Dieſer des Naͤchſten, jenes unſertwegen. Das Gewiſſen aber verdient, nach der Meynung eines Weiſen des Alter- thums, mehr Ruͤckſicht als der Ruf. Dieſer kann truͤgen; jenes nie. Beym Ruf faͤllſt du in der Menſchen Haͤnde; beym Gewiſſen in die Hand Gottes. Ich halte dafuͤr, daß es zweyerley Gewiſſensarten gebe, ohne dem neu- en gewiſſen Geiſt, den wir als eine Frucht ei- nes guten Gewiſſens von Gott erwarten koͤn- nen, ohne dem goͤttlichen Diplom des Gewiſ- ſens zu nahe zu treten, und auch ohne auf der andern Seite die Diſtinktionen von Vor- und Nachgewiſſen u. ſ. w. unguͤltig zu ma- chen. Es iſt ein Lebens- und Sterbens-Ge- wiſſen. Auch der redlichſte Richter findet, ehe er von ſeinem Obern unterſucht werden ſoll, noch Maͤngel, ohne auf A B C-Schniz- zer, die nur ein Reviſionsknaͤbchen ruͤgen kann, Ruͤckſicht zu nehmen. Auf die Frage, was iſt die Freyheit? antwortete jener Weiſe: ein gut Gewiſſen. Wer iſt aber, der ſich nicht zuweilen, wie ich mit meinen Soldatengedan- ken, meiner Mutter halben, unter die Baͤume im Garten verſteckt und von Feigenblaͤttern ſich

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/53>, abgerufen am 24.11.2024.